Weniger Autos, bessere Luft
Die Mittel: Neue Busse und eine Pförtnerampel
Kölner Westen - In Köln herrscht dicke Luft: Die Dieselfahrverbote sind noch nicht
vom Tisch. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat für August eine
Entscheidung angekündigt. Um die Schadstoffbelastung zu vermindern,
und ein Fahrverbot zu verhindern, soll die Zahl der Autos auf der
Aachener Straße reduziert werden. Ein Mittel: Die Einrichtung von
Express-Buslinien. Am 9. Juli entscheidet der Verkehrsausschuss der
Stadt Köln über die Umsetzung.
Der Plan ist einfach: Autofahrer, besonders die Pendler aus den
Nachbarstädten, sollen auf den Öffentlichen Personennahverkehr
(ÖPNV) umsteigen. Allerdings gelten im Kölner Westen die
Straßenbahn-Linie 1 und die Park-and-Ride-Anlage Weiden-West als
überlastet. Mehr Parkplätze stehen in Weiden erst ab 2022 zur
Verfügung, und der Ausbau der Linie 1 (oberirdisch oder als U-Bahn)
wurde in die Zukunft verschoben. Vom Tisch ist zudem die
Express-Busslinie, die auf der Aachener Straße zwischen dem Bahnhof
Weiden West und der Innenstadt verkehren sollte
(hier).
Für diese Linie wäre eine Autospur ersatzlos weggefallen. Jetzt
sollen andere Lösung her.
Neue Buslinien
Für die anstehende Ausschusssitzung empfehlen Stadtverwaltung und
Kölner Verkehrs-Betriebe drei neue Buslinien - 171 (rechtsrheinisch),
172 und 173 (beide linksrheinisch) - die zum nächsten Fahrplanwechsel
im Dezember 2019 ihren Betrieb aufnehmen sollen. Die Linien 172 und
173 sollen aus Widdersdorf, Lövenich, Weiden und Junkersdorf
Fahrgäste aufnehmen und ab Höhe Militärringstraße über die
Aachener Straße auf einer eigenen Busspur in die Innenstadt bringen,
bis zum Breslauer Platz. Auch die Linie 171 soll Mühlheim mit dem
Breslauer verbinden und über die Severinsbrücke führen. Die
Einführung der Buslinien ist zunächst als Probebetrieb vorgesehen.
Es sollen Erfahrungen gesammelt und gegebenenfalls Optimierungen
vorgenommen werden.
Pförtnerampel
Um die Schadstoffbelastung zu reduzieren, soll in Höhe des Bahnhofs
Weiden West die Ampelanlage anders geschaltet werden. Durch längere
Rotphasen sollen im Berufsverkehr anstelle der aktuell 1.200 Autos pro
Stunde etwa 500 Fahrzeuge weniger nach Köln gelangen. Große Kritik
an diesem Vorhaben kam prompt aus den Nachbarkommunen Frechen, Hürth
und Pulheim
(hier).
Rückstaus auf der Aachener Straße, Bonnstraße und den
Ausweichverkehren im Kölner Westen wären die Folge.
Kritik äußerte auch die Handwerkskammer zu Köln. Schon jetzt
verlören die Unternehmen aus der Region Köln und Bonn dreistellige
Millionenbeträge durch Staus auf den Straßen, so deren Präsident
Hans-Peter Wollseifer. „Werkstattwagen werden durch die
Pförtnerampel ausgebremst.“ Lieferzeiten auf Zeiträume außerhalb
der Pförtnerzeiten zu legen, seien nicht hinnehmbar.
Enttäuscht zeigte sich auch die Kölner Industrie- und Handelskammer
von den Plänen. Pendler auf bereits überfüllte Straßen umzulenken,
sei keine Lösung. Völlig unzureichend sei es auch, dass sich
Unternehmen auf der Aachener Straße nach den Buszeiten richten
müssten. Für eine geordnete Belieferung müssten Anlieferzonen
eingerichtet werden, plädiert Dr. Ulrich Soénius, stellvertretender
Hauptgeschäftsführer der IHK. Die Stadt mache es sich hier viel zu
einfach.
Hier geht es zu den ausführlichen Stellungnahmen der Handwerkskammer
zu Köln und der IHK:
Pressemitteilung der IHK Köln:
Kritik an Expressbuslinie Aachener Straße
Stadt Köln ignoriert bei den Ausbauplänen der Expressbuslinie
Aachener Straße die Belange der Wirtschaft
Die Stadt Köln verlässt aus Sicht der Industrie- und
Handelskammer zur Köln mit den gestern veröffentlichten Plänen
offensichtlich den runden Tisch "Luftreinhalteplan", an dem alle
Beteiligten von der Wirtschaft bis zu den Umweltverbänden
gemeinschaftlich Maßnahmen besprochen und beschlossen haben. Ein
Beispiel: Pförtnerampeln wurden dort bewusst aus der Maßnahmenliste
genommen. "Wir sind von der Ausgestaltung der Ausbaupläne
enttäuscht", so Ulf Reichardt, Hauptgeschäftsführer der IHK Köln .
Die Wirtschaft hat stets gefordert: "Keine Verkehrsexperimente auf
Hauptverkehrsachsen". Genau dies soll jetzt aber passieren. Die
Pendler auf bereits überfüllte Straßen umzulenken ist dabei wenig
erfolgversprechend und schränkt die Erreichbarkeit der Unternehmen in
Köln weiter ein.
Die Ausbaupläne des Park+Ride+Parkplatzes Weiden-West auf "in ein
paar Jahren" zu verlegen und somit die Möglichkeit für den Wechsel
auf den ÖPNV für auswärtige Pendler nicht im ausreichenden Maße
anzubieten, widerspricht den selbst gesteckten Zielen von Köln mobil
2025. "Die IHK Köln unterstützt ausdrücklich die Ziele, aber die
angebotenen Alternativen müssen dann auch umfänglich in den
Tagesablauf integrierbar sein", fordert Dr. Ulrich S. Soénius,
stellv. Hauptgeschäftsführer der IHK Köln und
Geschäftsbereichsleiter Standortpolitik. Völlig unzureichend sei
auch die Äußerung, die Unternehmen an der Aachener Straße sollten
sich bei der Belieferung nach den Buszeiten richten. "Alle Unternehmen
vor Ort müssen weiterhin die Möglichkeit der geordneten Belieferung
haben", so Dr. Soénius. Dazu müssten zeitgleich Anlieferzonen
eingerichtet werden: "Die Stadt macht es sich viel zu einfach und dies
geht zu Lasten der Wirtschaft, die das Rückgrat der Stadtgesellschaft
darstellt."
Niemand habe sich anscheinend gefragt: Sind überhaupt ausreichend
Parkplätze in Parkhäusern vorhanden? Wie sieht das Carsharingangebot
vor Ort aus? "Wesentliche Fragen bleiben unbeantwortet", bemerkt Dr.
Soénius.
Die IHK-Studie "Die Ladezone im Blickpunkt" zeige eindeutig die
Notwendigkeit von Ladezonen auf, damit die Zulieferer nicht in der
zweiten Reihe parken müssten. Das seit Jahren nur zäh laufende
Logistikforum der Stadt Köln zeige, dass zwar die Gespräche mit den
KEP-Dienstleistern gesucht würden, aber die Belange dann im Ernstfall
doch nicht berücksichtigt werden.
Pressemitteilung der Handwerkskammer zu Köln
Handwerk kritisiert Expressbusspur auf Aachener Straße -
Pförtnerampel kontraproduktiv
Die Handwerkskammer zu Köln hatte schon unmittelbar nach der
Offenlegung des Entwurfs der zweiten Fortschreibung des
Luftreinhalteplans Köln deutlich gemacht, dass sie die
seitens der Stadt Köln vorgesehene Expressbusspur und
die damit in Verbindung stehende Fahrbahneinziehung beim
motorisierten Individualverkehr als kontraproduktiv erachtet
und deshalb ablehnt. Eine Fahrbahneinziehung, vor allem wenn sie in
die Rushhour morgens und abends fällt, führt nach
Ansicht der Handwerkskammer zu verstärktem Stau und
damit zu mehr Stop-and-go-Verkehr. Hans Peter Wollseifer,
Präsident der Handwerkskammer: „Es gilt mittlerweile als
erwiesen, dass Stop-and-go-Verkehr zu deutlich mehr
Emissionen und damit auch zur Erhöhung der Stickstoffdioxidwerte
führt. Zudem wird das an anderer Stelle, nämlich auf
Ausweichrouten wie der Dürener Straße, Gleueler Straße
oder der ebenfalls stark belasteten Luxemburger Straße und
klein-räumig sogar auf Schleichwegen, also
untergeordneten Straßen, wie dem Kölner Weg und der
Junkersdorfer Straße zu dichterem Verkehr und höheren
Schadstoffkonzentrationen führen“.
Auch die Pförtnerung des Verkehrs, wie sie die Stadt mit einer
entsprechenden Ampelschaltung vorsieht und mit der man 500 Fahrzeuge
pro Stunde an der Einfahrt hindern will, wird gemessen an der
temporären Halbierung der Verkehrskapazität der Aachener Straße de
facto nur zur Verlängerung der Spitzenlastzeiten führen, so die
Einschätzung der Handwerkskammer. Ausweichverkehre und längere
Staus sind gerade auch deshalb zu erwarten, weil die
Parkplatzsituation auf dem Park & Ride-Parkplatz in
Weiden jetzt schon sehr angespannt ist und die Pendler keine
Möglichkeit mehr haben, ihr Auto dort abzustellen, um auf Bahn oder
Bus umzusteigen.
Die Stadt mache hier den zweiten vor dem ersten
Schritt, kritisiert die Handwerkskammer. Zunächst müssten
adäquate Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die
Verlagerung des Individualverkehrs auf Bus und Bahn zu
erreichen. Da reiche es nicht, den ÖPNV zu verdichten und schneller
zu machen. Jetzt schon in Spitzenzeiten den Verkehrsraum für den
Individualverkehr einzuschränken und erst im Jahr 2022
mehr Park & Ride Parkplätze zur Verfügung zu stellen, sei
unverantwortlich.
Genauso hält es die Handwerkskammer für unverantwortlich, die
Maßnahmen nicht mit den Umlandkommunen zu erörtern. „Aus dem
Rhein-Erft-Kreis kommen auch viele Mitarbeiter unserer in der
Innenstadt ansässigen Handwerksunternehmen“, betont Wollseifer. Der
Spitzenvertreter der Handwerkskammer sieht die Mitgliedsbetriebe der
Kammer deshalb in zweifacher Hinsicht betroffen. „Nicht nur dass die
Mitarbeiter aus dem linksrheinischen Umland schlechter zu
Ihren Arbeitsstellen in Köln gelangen, auch die
Handwerksunternehmen, die in der Region Köln/Bonn in Summe jetzt
schon jährlich dreistellige Millionenbeträge durch Staus auf der
Straße verlieren, werden mit Ihren Werkstattwagen durch
die Pförtnerampel ausgebremst. Die Regelung, die Lieferzeiten auf
die Zeiträume außerhalb der ‚Pförtnerzeiten‘ zu legen,
würde für das Handwerk eine nicht hinnehmbare
Arbeitszeiteinschränkung in dem lokal betroffenen Bereich
bedeuten. Darunter werden nicht nur die Handwerksunternehmen zu
leiden haben, das werden vor allem die auf der Aachener Straße
ansässigen Unternehmen und die Bürger in den an die
Aachener Straße angrenzenden Stadtteilen zu spüren
bekommen“, prognostiziert Wollseifer.
Ähnlich sieht das der Hauptgeschäftsführer der
Kreishandwerkerschaft Rhein-Erft, Heribert Ropertz: „Wir wissen,
dass viele unserer Mitgliedsbetriebe morgens in der Regel in der Zeit
von 7 bis 9 Uhr aus dem Rhein-Erft-Kreis über die Aachener Straße
nach Köln einpendeln, um zum Kunden zu gelangen. Abends nehmen sie
meist auch in der Rushhour die gleiche Route zurück. Mit einer
temporären Fahrbahneinziehung würden sich die Fahrtzeiten deutlich
erhöhen. Und wenn unsere Betriebe nur noch in der Zeit von 9 bis 15
Uhr auf der Aachener Straße arbeiten könnten,würde das massive
Mehrkosten bedeuten. Sie müssten dann wahrscheinlich die Arbeit auf
mehrere Tage verteilen und die Baustelle öfter anfahren.“
Völlig unberücksichtigt gelassen habe die Stadt auch die
Tatsache, dass die Aachener Straße die von Westen kommende
Haupteinfallstraße ist. Zudem gebe es auf dem nordwestlichen Teil des
Kölner Autobahnrings an der Leverkusener Brücke noch mindestens bis
Ende 2020 und am Autobahnkreuz Köln-Nord sogar noch danach
erhebliche baustellenbedingte Verkehrsbehinderungen. Somit sei
hier eine wichtige Verbindung als Ausweichroute derzeit nicht
ausreichend funktionsfähig. Die Handwerkskammer zu Köln und die
Kreishandwerkerschaft Rhein-Erft empfehlen der Stadt deshalb dringend,
ihre Pläne zu überdenken.
- Holger Bienert
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.