Von Menschen zu Nummern im KZ
Dokumente des Ungeheuerlichen: Lebensgeschichten aus ...

Seit vielen Jahren beschäftigt sich Karl Schlechtriemen mit der Geschichte des Deportationslagers. Jetzt hat er einen Band mit persönlichen Schicksalen von Insassen veröffentlicht. | Foto: Hermans
  • Seit vielen Jahren beschäftigt sich Karl Schlechtriemen mit der Geschichte des Deportationslagers. Jetzt hat er einen Band mit persönlichen Schicksalen von Insassen veröffentlicht.
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Müngersdorf - (hwh) Bürgerverein Müngersdorf veröffentlicht einen Band mit
Lebensgeschichten von Insassen des ehemaligen Deportationslagers

„Schutzlos und ohne Ausweg“, „Um Jugend und Leben gebracht“,
„Onkel Schorsch, der im Lager verreckt ist“ lauten die
Kapitelüberschriften. Aber auch der Titel der neuen Veröffentlichung
des Bürgervereins Köln-Müngersdorf: „Laut über das
Unmenschliche“ reden, weist darauf hin, dass es sich hier nicht um
eine Nebenbei-Lektüre handelt. Es geht um Lebensgeschichten von
Menschen, die in den Jahren 1941-1945 im Deportationslager
Müngersdorf einsaßen und auf ihren Abtransport in die
Vernichtungslager warteten.

Gesammelt und aufgezeichnet hat sie Kurt Schlechtriemen. Das Mitglied
des Bürgervereins arbeitete als Lehrer an der Anna-Freud-Schule am
Alten Militärring, als ihm vor einigen Jahren bei einem Spaziergang
am Walter-Binder-Weg zwischen Belvederestraße und Aachener Straße
ein Gedenkstein zur Erinnerung an die Geschichte dieses Orts auffiel.
Der Findling erschien ihm zu klein und leicht zu übersehen angesichts
der Ungeheuerlichkeit des Geschehenen. Deshalb setzte er sich mit
Unterstützung des Bürgervereins erfolgreich für die Einrichtung
einer würdigen Gedenkstätte ein.

Die konnte im vergangen Jahr mit der Skulptur von Simon Ungers und
einem Pfad des Erinnerns endlich eingeweiht werden. „Daraufhin
meldeten sich einige Personen, die selbst in dem Lager waren, aber
auch einige Angehörige früherer Insassen“, erzählt
Schlechtriemen. Neun Schicksale von Menschen, die in den Jahren 1944
und 1945 in den Kellern des ehemaligen Forts V. auf ihre Deportation
warteten, hat Schlechtriemen dokumentiert, teils sind Faksimiles ihrer
Briefe im Buch abgedruckt. „Es handelt sich um Menschen, die nach
der Definition der Nationalsozialisten ‚Halbjuden‘ oder
‚Vierteljuden‘ waren, also Mischehen mit Christen entstammten,
einige von ihnen konnten aus dem Lager fliehen“, erzählt der Autor.
„In den Jahren von `41 bis ´43 waren hier ‚Volljuden‘
interniert, in der Zeit ist niemand entkommen.“ Insgesamt wurden
hier 3.500 Menschen festgehalten.

Tief berührt, ja erschüttert hätten ihn die tiefe Angst und
Verzweiflung, die in den Erinnerungen an die Zeit im Lager stets
spürbar sind. Aber auch die Art und Weise, wie einige der
Betroffenen, die Kurt Schlechtriemen teils in Brühl oder Siegburg
aufgesucht hatte, mit ihrer Vergangenheit umgingen, löste
Beklemmungen aus. „Eine Tochter, die zusammen mit ihrer Mutter im
Deportationslager eingesessen hatte, warf der Mutter vor, dass sie mit
mir darüber sprechen wollte: ‚Das ist doch alles lange vorbei,
jetzt geht es uns doch gut‘, meinte sie.“

Dr. Werner Jung, Direktor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt
Köln, hebt in seinem Geleitwort hervor, dass die „biografische
Methode“ den Zugang erleichtere, weil sie das Leben und Leiden
Einzelner in den Blickpunkt rücke „anstelle von abstrakten
Schilderungen und kaum nachvollziehbaren Opferzahlen.“ Hildegard
Jahn-Schnell, langjährige Vorsitzende des Bürgervereins
Köln-Müngersdorf, sagt: „Diese Lebensgeschichten „gehen uns
nahe, berühren uns, fordern zur Stellungnahme und persönlichem
Engagement heraus.“

Der knapp 100 Seiten starke Band „Laut über das Unmenschliche
reden. Lebensgeschichten zum Deportationslager Köln-Müngersdorf
1941-1945“ ist in einer Auflage von 4.000 Exemplaren erschienen und
wurde durch den Bürgerverein finanziert. Gegen eine Schutzgebühr
kann es dort per E-Mail an info@bvm.koeln bestellt oder direkt in der
Buchhandlung in Braunsfeld, Aachener Straße 529, erstanden werden.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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