Stimmen zum Protest erheben
Wie man mit Liedern gegen dumpfe Parolen ansingt
Sülz - Armut, Krieg und „Schuld sind immer die Anderen“: „Ermutigung
– ein kritischer Liederabend mit Protestliedern aus drei deutschen
Jahrhunderten“ lautete die Aufführung im Theßarium des
Hildegard-von-Bingen-Gymnasiums.
Kann Musik politisch wirklich etwas bewirken und inwiefern haben
Protestlieder die deutsche Geschichte von der Bürgerrevolution im 19.
Jahrhundert bis zur Wiedervereinigung geprägt? Das waren die Fragen,
mit denen sich die teilnehmenden Schüler vor diesem Projekt intensiv
auseinandersetzten. Bei dieser musikalischen Reise mit historischen
Tondokumenten, Bürgerliedern des 19. Jahrhunderts, Arbeiterliedern,
satirischer Musik zum aufkeimenden Nationalsozialismus, berührenden
Gedenkliedern an die Opfer der beiden Weltkriege und zum
Wirtschaftswunder sowie von Ermutigung und der Hin- und
Hergerissenheit zwischen zwei politischen Systemen, war das Gefühl
des Aufbruchs, das Musik vermitteln kann, deutlich spürbar. Leonard
Krüger schaffte es, mit seiner gesanglichen Ausdrucksweise, den alten
Liedern gerecht zu werden. Es war eine gewisse Neutralität, mit der
die Schüler und ihr Lehrer diesen Abend voller Protestliedern
gestalteten. Es bedurfte auch keiner neuen Interpretation, da die
historischen Liedertexte für sich sprachen. Und teilweise
erschreckend aktuell wirkten.
Die Themen reichten von Armut, die sich in dem Text von „Der
Leiermann“ von Wilhelm Müller widerspiegelt, über „Der Graben“
von Kurt Tucholsky, der die Grausamkeit des ersten Weltkrieges in
Worte fasst, hin zu Otto Wels Reichstagsrede zum Ermächtigungsgesetz,
die eingespielt wurde und die Grundlage für den Ausbau der
Nazi-Diktatur war. Weiter reihte sich unter anderem das „Lied von
der Unzulänglichkeit“ von Bertolt Brecht direkt an Adolfs Hitlers
hetzerische Rede von 1933 über das Judentum und an den satirischen
Text von Friedrich Holländer, „An allem sind die Juden Schuld“.
Nach einer Pause ging es unter anderem mit Liedern von Wolf Biermann
weiter, gefolgt von einem Rundfunkbeitrag der DDR von 1976 über die
Ausbürgerung von Wolf Biermann.Während das „Bruttosozialprodukt“
von Geratsch und „König von Deutschland“ von Rio Reiser einen
heiteren Abschluss des Liederabends entgegensehen ließen, erinnerten
die Künstler mit einer Einspielung von Hassparolen aus dem Jahre
1933, 1993 und 2018 noch einmal an die dunklen Seiten der deutschen
Geschichte, die sich jederzeit wiederholen kann. Am Ende des Abends
stand jedoch der Aufbruch in eine andere Richtung, die mit „Den
Parolen keine Chance“ von Konstantin Wecker zum Ausdruck gebracht
wurde.
Das Programm gestalteten die Schüler des Musikkurses der Q2, Maria
Göddeke am Saxophon, Jannis Müller an den Percussion und Leo
Richartz am Kontrabass sowie der Musiklehrer Stefan Krüger am Klavier
und der Schüler der Q2, Leonard Krüger, als Solist und Moderator des
Abends.
- Nadine Kellner
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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