Vier Männer und eine Orchidee
Ein besonderer Fund
Mechernich - Wenn vier erwachsene Männer um eine kleine Orchidee stehen und ins
Schwärmen geraten, dann muss es sich um eine besondere Art handeln
oder der Fundort ungewöhnlich sein. Bei dem Mechernicher Exemplar ist
sogar beides der Fall.
(me). Entdeckt wurde das gute Stück, die Bienen-Ragwurz, lateinisch
„Ophrys apifera“, auf den Parkwiesen des Kreuser-Stifts. „Das
sind Prachtexemplare“, schwärmt der Antweiler Geobotaniker
Professor Dr. Wolfgang Schumacher. Filigran gebaut, leicht
rosa-gefärbte Blüten, mit bienenähnlicher Lippe von weitem kaum zu
entdecken, entfaltet sie bei näherer Betrachtung ihre wahre
Schönheit – und das mitten in der Stadt.
„Die entscheidende Frage ist, wie kommt die Orchidee hierhin“,
sinniert Schumacher und zählt vor der Pflanze kniend die Blüten
„…drei, vier, fünf, sechs“. Letztlich ist es aber nicht nur
eine einzelne Pflanze. Vielmehr stößt der Experte im Grün auf
zahlreiche weitere Vertreter dieser Art. Die Gattung scheint sich wohl
zu fühlen in dem Parkareal und unter den Bedingungen, die sich dort
bieten. Wie alle heimischen Orchideen gehört auch diese zu den
besonders geschützten Arten. „Insgesamt sind es sicher über 100
Stück der Ophrys apifera. Davon etwa fünfzig in Blüte“, schätzt
Rolf Höveler. Der Naturkundler hat einen Blick dafür, führt er doch
regelmäßig umfangreiche Orchideen-Populationserhebungen im
Rotbachtal durch.
Die anderen 50 sind dagegen dunkel an den Blättern gefärbt. Das ist
vermutlich ein Resultat des trockenen Frühjahrs, einige wurden
sicherlich auch durch Spätfröste geschädigt, so Schumacher:
„Früher war die Bienen-Ragwurz hier in der Eifel selten.“ Es habe
sie zwar an ausgesuchten Stellen gegeben, dann aber selten mehr als
zehn oder zwanzig Stück. Dass sie sich immer stärker nun in den
heimischen Gefilden ausbreite, habe vermutlich auch mit dem
Klimawandel zu tun. Ursprünglich stamme die Orchideenart aus dem
Mittelmeerraum und liebe Wärme.
„Ähnlich wie Wüstensand“
Die Samen aller Orchideen können weite Entfernungen überbrücken.
„Sie sind staubfein, haben aber kein Nährgewebe. Über Wind und
Thermik können sie bis zu hundert Kilometer und mehr transportiert
werden. Ähnlich wie Wüstensand, der ja auch gelegentlich bei uns
ankommt“, so der Professor. Das Mechernicher Exemplar könne daher
aus dem Südkreis Euskirchen, dem Trierer Raum oder sogar aus dem
Elsass stammen.
Das Entscheidende sei nicht die Weite des Fluges, sondern der
Untergrund, wo die Samen landen. Schumacher weiter: „Sie keimen nur
auf kalkhaltigem Boden und wenn sie einen bestimmten Wurzelpilz finden
- und zwar innerhalb von sechs Wochen.“
Im Kreuser-Stift-Areal scheinen sie jedenfalls einen optimalen
Untergrund angetroffen zu haben. Sie wachsen und gedeihen prächtig.
Heimleiter Peter Kleinen erklärt, dass sich im Boden des Parks
teilweise noch Überreste von einstigen Kreuserstift-Gebäuden
befinden, die abgerissen und nur mit Erde überdeckt wurden.
Schumacher bestätigt: „Ja, der steinige Boden und Kalkmörtel
könnten sich positiv ausgewirkt haben.“ So sei der Boden durchaus
vergleichbar mit dem Kalkmagerrasen wie man ihn häufig in der Eifel
antreffe. Da tummelten sich die Wurzelpilze tatsächlich gerne, auf
gedüngter Fläche dagegen nur selten.
Im Kreis Euskirchen gebe es insgesamt ungefähr 35 verschiedene
Orchideenarten – darunter so namhafte wie Hängender Mensch, Rotes
Waldvögelein, Geflecktes Knabenkraut oder Bocks-Riemenzunge.
„Geschulter Blick“
Jo Schwartz hat die Bienen-Ragwurz im Kreuser-Stift-Garten als Erster
entdeckt. In Mechernich aufgewachsen, besucht der Kölner Fotograf und
Bildjournalist seine Mutter heute regelmäßig im Kreuser-Stift.
„Ich ging wie immer mit ihr im Garten dort spazieren“, berichtet
er von dem Moment als ihm das blühende Gewächs ins Auge stach. Sein
Blick war geschult durch eine Orchideen-Exkursion durch das Urfeyer
Tal im Jahr zuvor, bei der er viel über die heimischen Arten erfahren
konnte.
Um den besonderen Fund im Mechernicher Garten zu schützen, hat sich
die Leitung des Stifts bereit erklärt, die Wiesenfläche erst viel
später als sonst zu mähen, nämlich nach der Hauptblütezeit,
frühestens Ende Juli.
Die Bewohner des Hauses können sich also weiterhin bei ihren
Rundgängen im Freien am Anblick der blühenden Orchideen erfreuen.
„Das tun sie auf jeden Fall“, bestätigt Kleinen. Auch Bänke
laden zum Verweilen ein.
Und natürlich gilt auch im Kreuser-Stift – wie schon Loki Schmidt,
die Frau des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt, einmal sagte:
„Anschauen immer – Abpflücken nie!“
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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