Alter Brauch
Eingeweihte verstehen geheimnisvolle Verse
Die Junggesellen in Kallmuth pflegen einen alten Brauch: An Allerheiligen zeihen sie von Haus zu Haus. Der Erlös geht an die Hilfsgruppe Eifel für tumor- und leukämiekranke Kinder.
Mechernich-Kallmuth (hs). Der womöglich Jahrhunderte alte Brauch nennt sich „Brabbeln“ und das, was Kallmuther Junggesellen da an Allerseelen bei sogenannten Kött- und Heischegängen durchs Dorf in Versen von sich geben, ist tatsächlich schwer verständlich.
Es klingt eben wie „gebrabbelt“, was an den überlieferten Versen selbst liegt, aber auch an dem ein- oder anderen Kaltgetränk, das den wackeren Junggesellen an den Haustüren gereicht wird. Nach dem gemeinschaftlichen Aufsagen des Spruchs von Haus zu Haus werden die eingenommenen Spenden seit Jahr und Tag einerseits für Kerzen für die armen Seelen verwendet, zum anderen an die Hilfsgruppe Eifel für tumor- und leukämiekranke Kinder gespendet.
In 15 Jahren Tausende gesammelt
Seit 15 Jahren sind auf diese Weise tausende Euro zusammengekommen. Außerdem, so Martin Stoffels, der die Brabbeler in diesem Jahr anführte, lassen die Jungmänner jedes Jahr eine Messe für die Gefallenen und Vermissten des Dorfes lesen.
Teils auf Hochdeutsch, teils auf Eifeler Platt leiern die „Brabbeler“ ihre Botschaft in atemberaubender Rede-Geschwindigkeit herunter. Nur eingeweihte Kallmuther verstehen den 24 Sekunden währenden Redeschwall: „Gott, grüß Euch in allen Ehren, die Ihr da drinnen seid. Gott tröst die armen Seelen, die im Fegfeuer sind. De Käez steht op de Bröck, unn lööch böss en de Baach. Mir john en Ühre Jaade, unn zertrödde Ühre Flaas“.
Und weiter: „Wer de Flaas noch plöcke well, der moss jet fröh opstohn. Wer et Mädche freie well, der darf net schloofe john. Jong Fräuche wohr von Ehren, unn leet de Mahd stohn. Seij joov oss sebbe Eier, unn leet oss wedder john. Mir hann noch fähr ze john. Die Gabe, die Ihr uns gebet, die geht Euch selber an: Der Weg zum ewigen Leben, da ist kein Zweifel dran, kein Zweifel dran. Jooden Ovend.“
Ganz leer gehen die Allerseelenbittsteller selbst bei dem Rundgang auch nicht aus, wie bereits angedeutet. Gut sieben Stunden waren sie unterwegs. „Da kann man eine Erfrischung auch gut vertragen“, so Ortsbürgermeister Robert Ohlerth zu Martin Stoffels, Kai Steffens, Simon Seidenfaden, Joshua Hals, Marco Sistig, Constantin Odenthal und Raphael Drove.
Auch das Wetter spielte mit, so dass viele Kallmuther vor ihren Häusern bereits auf die Ankunft der „Brabbeler“ warteten. So auch Thomas Stoffels, der Dirigent des Kallmuther Musikvereins, der die Gruppe mit Ehefrau Anna und den Kindern Finja und Emil willkommen hieß. Wobei Thomas Stoffels unter Beweis stellte, dass er als ehemaliger „Brabbeler“ bei Text und Tempo noch mithalten kann. Seine Gattin Anna Stoffels zeigte sich spendabel und legte einen dicken Schein in die Holzkassette, die als Kasse dient.
Auch Pater Elias war mal „Brabbeler“
Auf dem Deckel des Holzkistleins haben sich brabbelnde Junggesellen aus mehreren Jahrzehnten verewigt. Viele von Ihnen sind schon längst Väter oder Großeltern. Auffallend ist auch die Unterschrift von Karl-Heinz Stoffels, der seit fast 30 Jahren Priester ist und als Pater Elias in der Benediktinerabtei Maria Laach lebt.
In der Kallmuther Ringstraße begrüßten Hilfsgruppenmitglied Ralf Heistert und seine Lebensgefährtin Margareta Schneider die Sänger vom finstern Walde. Heistert bedankte sich im Namen der Klientel der Hilfsgruppe, tumor- und leukämiekranken Kindern.
„Brabbeler“ Raphael Drove berichtete nachher, man sei bis 21.30 Uhr unterwegs gewesen: „Es ist erfreulich, dass auch Neubürger bei der Pflege des alten Brauchs mitgemacht haben.“ Die Verpflegung habe gestimmt, und das Wichtigste, so Marco Sistig: „750 Euro kamen für die gute Sache zusammen – und wir werden aus der Junggesellenkasse noch was obendrauf legen!“
Redakteur/in:Holger Slomian aus Pulheim |
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