Buchvorstellung
Es liegt Gefahr in der Berliner Luft
Mechernich - (pp). Der ehemalige Vize-Regierungssprecher Klaus Vater war zu
Besuch in seiner alten Heimatstadt Mechernich. Im Gepäck hatte er
seinen neuen Berlin-Krimi „Brandt-Gefahr“.
Die Erinnerungen kommen bei Klaus Vater sofort wieder hoch. „Da
stand das Kino und daneben habe ich Eier geschossen - mit dem rechten
und dem linken Fuß, stundenlang“, erinnert sich der 71-Jährige an
seine Zeit, als er gegenüber seines Elternhauses seine Schusstechnik
beim Fußballspielen verfeinert hat.
Das Haus in der Bergstraße, in dem seine Mutter Maria Schwer mit
ihrer Schwester Gertrud ein Haushaltswarengeschäft betrieben hat,
steht schon lange nicht mehr. Es wurde abgerissen und hat der
Verkehrsdirektion der Polizei Platz gemacht. Und auch direkte
Verwandte des ehemaligen Sprechers von Bundesarbeitsminister Walter
Riester und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, der im Jahr 2009 für
vier Monate sogar stellvertretender Regierungssprecher war, gibt es
keine mehr. „Mein Großvater kam aus Glehn, da gibt es vielleicht
noch ein paar Verwandte um sechs Ecken - wenn überhaupt“, sagt er.
Vaters Hauptwohnsitz liegt in Bonn, sein Zweitwohnsitz in Berlin. Er
ist zwar Rentner, doch einer, der wie er viele Jahre journalistisch
tätig war, lässt natürlich nicht so einfach den Griffel fallen und
genießt das Nichtstun. Nein, Vater berät immer noch Unternehmen und
Krankenkassen. Und auch seiner ehemaligen Dienstherrin Ulla Schmidt
hilft er immer wieder gerne. Er schreibt alle 14 Tage für den
mehrfach ausgezeichneten Autorenblog Carta sowie für das Politmagazin
Cicero Features.
Natürlich hat der Sozialdemokrat so kurz nach der verlorenen
Landtagswahl nicht die allerbeste Laune, wenn er über Politik reden
muss. Doch er spricht schonungslos. „Ich bin in der Bergstraße nach
dem Motto »Wenig Geld und keine Angst« aufgewachsen.“ Die Schuld
für das schlechte Abschneiden sieht er bei den Genossen selbst:
„Der Wahlkampf wurde zu defensiv geführt.“ Spätestens am Montag
vor der Wahl, als die Umfragewerte in den Keller gingen, weil die SPD
in Sachen Bildung, Verkehr und Innere Sicherheit kein gutes Bild
abgab, war ihm klar: Es wird zu einer Denkzettelwahl kommen.
Viel lieber als über Politik spricht Klaus Vater deshalb über seinen
neuesten Krimi, der jüngst veröffentlicht wurde.
„Brandt-Gefahr“, der 29. Fall aus der Reihe „Es geschah in
Berlin“ um Oberkommissar Otto Kappe, spielt 1966. Es ist Vaters
zweiter Beitrag zur Serie. Der erste, „Am Abgrund“, erschien 2011
und spielt 1934. Während es im ersten Krimi deutliche Bezüge zum
Rheinland gab, hat er diese reduziert. Zwar heißt ein
Bundesverfassungsschützer Voißel, wie der Mechernicher Ort. „Aber
es gibt wieder eine Verbindung zu den Jenischen, die ich gerne
ausgebaut hätte“, sagte Vater, dessen Vorfahren selbst zu der
Volksgruppe gehörten, die im Kreis Euskirchen besonders in Stotzheim
bekannt sind.
In der Bundeshauptstadt sind die Kappe-Krimis der „kulturelle
Speicher-Stick von Berlin und Deutschland“, erzählt Vater. Man
finde alles in ihnen, was die Metropole kulturell und soziologisch
ausmache. Der Autor selbst, der 1992 für seinen Jugendkrimi „Sohn
eines Dealers“ den Jugendliteraturpreis „Emil“ erhalten hat,
hatte sich schon auf ein bestimmtes Jahr in der Kappe-Reihe
eingestellt. Doch dann erhielt er den Auftrag, dass der Krimi im Jahr
1966 angesiedelt ist. Also recherchierte Vater, was es in dem Jahr
Besonderes gab. Einzige Voraussetzung: Das Thema sollte nicht bereits
in einem vorherigen Kappe-Fall aufgetaucht sein.
Weil der Polizist bereits in Korruptions- und Veruntreuungsfällen
ermittelt hatte, fiel Vater das Thema Willy Brandt ein. Der Regierende
Bürgermeister West-Berlins wechselte im Dezember 1966 als
Außenminister in die bundesdeutsche Hauptstadt Bonn. Zum Thema Brandt
fielen dem Journalisten und Ex-Regierungssprecher dann auch eigene
Erfahrungen ein. „Ich war 1969 in Beuel unterwegs und da fuhr ein
Lastwagen mit dem Spruch »Brandt an die Wand« durch die
Unterführung.“ Auch der Spruch „Deutsches Land wird nicht
verschenkt, eher wird Brandt gehängt“, der offen propagiert wurde,
kam Vater in den Sinn.
Gleichzeitig war West-Berlin Mitte der 1960er-Jahre „das Eldorado
der Spionage“, erzählt Vater. „Alle Geheimdienste waren
vertreten, von Bundesnachrichtendienst und KGB über CIA, MI6 und
SDECE. Hinzu kamen rechtsradikale Kleingruppen.“ In Spandau wurden
1966 mit Albert Speer und Baldur von Schirach zwei Kriegsgefangene
entlassen, nur noch Rudolf Heß verbüßte in dem
Kriegsverbrechergefängnis seine lebenslange Haftstrafe. „Ein
Anschlag in Berlin lag in der Luft“, resümiert Vater.
Die Gefahr stellte er fiktiv dar, erinnerte sich aber auch an reale
versuchte Anschläge. „1970 in Kassel sollte Brandts Trinkwasser
vergiftet werden, 1971 sollte er in Köln umgebracht werden.“ In
„Brandt-Gefahr“ ist es die antikommunistische Kampfgruppe gegen
Unmenschlichkeit, die wieder aktiv wird. Geplant ist laut
Verfassungsschutz ein Attentat gegen einen hochrangigen Politiker in
West-Berlin. Eine Sondergruppe der Kripo wird von Otto Kappe geleitet.
190 Seiten ist der Kriminalroman dick. Klaus Vater verspricht, dass er
die Handlung bewusst knapp gehalten hat, um Längen zu vermeiden.
1966 ist auch für Klaus Vater ein wichtiges Jahr. Er machte Abitur am
Emil-Fischer-Gymnasium in Euskirchen. Später sollte er
Politikwissenschaften studieren. Sein geistiger Hunger, den er als
Kind mit Abenteuergeschichten und Don-Bosco-Büchern, als Teenager mit
der Lektüre des Spiegel zu stillen versuchte, dürfte endlich nicht
mehr zum Knurren geführt haben.
Heute liest der Vater von fünf Kindern und dreifache Großvater drei
Tageszeitungen täglich: die FAZ, die NZZ und eine Lokalzeitung. Er
fährt viel Fahrrad, unterstützt die Initiative zum Erhalt des
Kurfürstenbades in Bad Godesberg. Außerdem arbeitet er gleichzeitig
an drei weiteren Buchprojekten: ein Sachbuch über die Jenische, einen
Krimi um eine Verschwörungsgeschichte im Beamtenmilieu sowie eine
Novelle über die Regierungszeit in Bonn. Und wie wäre es mit einem
Eifel-Krimi? „Dafür bin ich zu weit vom Geschehen hier weg, dem
könnte ich nicht gerecht werden“, antwortet Vater. Und wenn der
Eifel-Krimi nicht in der Gegenwart spielen würde? „Das ist
interessant, darüber muss ich mal nachdenken.“
Klaus Vater - Brand-Gefahr: Jaron-Verlag, 192 Seiten, ISBN:
978-3-89773-817-1, 7,95 Euro.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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