300 Jahre Neuhütte
Qualität made in Vussem
„Nur wer die Vergangenheit kennt, kann Geschichte verstehen und die Zukunft gestalten“: Mit diesem Zitat des Sozialisten August Bebel beginnt Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick sein Vorwort in dem Buch, das die Dörries-Veteranen Wilhelm Mausbach und Hans Josef Schmitt zum 300. Jahrestag des Industriestandortes „Neuhütte“ in Vussem herausbringen.
Mechernich-Vussem (lk). Die beiden Autoren, die seit über 25 Jahren für eine Entschädigung der zuletzt 300 Beschäftigten im Werkzeug- und Maschinenbau der Dörries-Scharmann AG kämpfen, wollen ihre 114-seitige reich bebilderte Abhandlung am Samstag, 11. Juni, ab 13 Uhr auf der großen 800-Jahr-Feier von Vussem vorstellen und für 20 Euro zum Verkauf anbieten.
Schmitt und Mausbach gehören zum Führungskreis des Vereins zur Förderung und Erhaltung der Werkzeugschienenbautradition in der Eifel.
Der Verein geht auf die 1996 im Zuge des Niedergangs der Bremer Vulkanwerft Konkurs gegangene Dörries-Scharmann AG zurück. Sein Kapital ist die frühere Belegschaftskasse. Der 72 Mitglieder zählende Zusammenschluss ehemaliger Mitarbeiter kämpft bis heute vor den Gerichten und 2021 auch vor dem nordrhein-westfälischen Petitionsausschuss für die Ansprüche der Belegschaft von 1996.
Der Verein hatte nach dem Konkurs zunächst die Lehrlingsausbildung der Dörries-Nachfolgefirmen EDM und MFT in Vussem gesponsert. Auch wurde eine historische Forschungsarbeit zum Industriestandort Vussem-Neuhütte davon in Auftrag gegeben und bezahlt, die den Grundstock für ein kleines Museum, das „Dokumentationszentrum zur Geschichte der Neuhütte“ im früheren Dörries-Verwaltungstrakt in Vussem schuf.
Man kann eine Besichtigung mit sachkundiger Führung bei Autor und Maschinenbauingenieur Wilhelm Mausbach unter 0 22 56 - 32 62 oder E-Mail w.m.mausbach@t-online.de vereinbaren. Die Historikerin Gabriele Emrich hat eine hundertseitige Expertise von den Anfängen der Vussemer Eisenindustrie 1722 bis zum Antritt von Dörries 1954 erstellt.
Die Dörries-Firmengeschichte und die 300-jährige Historie des Industriestandortes Neuhütte sowie des Eisenerzabbaus und der Verhüttung von Eisenerz in Eiserfey hat Wilhelm Mausbach ausgearbeitet.
Basis des 300-jährigen Jubiläums 2022 ist das Originaldokument der Hüttenkonzession vom 24. Januar 1722, das die Fördervereinsmitglieder heute in Händen halten. Sie erging an den Grafen Franz Georg von Manderscheid-Blankenheim für Johann Diedrich Rodscheidt aus Gemünd zur Errichtung einer Eisenhütte und Eisenschneidmühle. Eine noch ältere Vorgängerhütte ist im Vussemer Weistum aus dem Jahre 1593 verzeichnet.
Der Ingenieur Wilhelm Mausbach und seine Gefährten im Förderverein ließen über Jahre eine 300-seitige Dokumentation im Museum Vussem entstehen. Das Wichtigste daraus hat Wilhelm Mausbach jetzt in seinem 114-seitigen Buch im Selbstverlag zusammengestellt, das die Druckerei Köhring in Bergheim für den Förderverein hergestellt hat.
Die französisch-stämmige Familie Nikolaus Josef Depiereux aus Kohlscheid machte Vussem nach dem Hüttensterben Mitte des 19. Jahrhunderts wieder flott und goss in Neuhütte so ziemlich alles aus Eisen, was man in Haus, Hof und Landwirtschaft brauchte: Ackerwalzen und Radnaben, Viehkessel, Waffeleisen, Ofenroste und Feuertöpfe.
Magdalena Girards machte nach dem Tod ihres Mannes 1918 aus dem Werk eine Bohrmaschinenfabrik
Nach dem Konkurs der Firma Girards in den 1950er-Jahren wurde der Standort von der Maschinenbaufirma Dörries AG übernommen. Dazu gehörte auch die noch immer funktionstüchtige „Girards“-Bohrmaschine, die heute im Vussemer Museum neben zahlreichen Fotos, Zeichnungen, Modellen und Original-Exponaten ausgestellt ist.
In den nächsten 45 Jahren entwickelte sich Dörries zu einem Qualitäts-Maschinenbauer von Weltrang. Bis zu 300 Mitarbeiter waren am Standort Neuhütte beschäftigt. Das kleine Museum zeigt die gesamte Geschichte des kleinen, aber bedeutenden Industriestandorts Vussem-Neuhütte.
1500 individuell entwickelte und konstruierte Werkzeugmaschinen verließen das Vussemer Werk im Laufe der Jahre und wurden in aller Welt in Betrieb genommen. „Die meisten davon laufen noch immer“, so Ingenieur Mausbach, zum Teil wurden sie auch in der Fertigung geheimer Anlagen eingesetzt…
„Die Kolosse von Werkzeugmaschinen made in Vussem mit einem Gewicht von bis zu 600 Tonnen vermochten den Bruchteil eines Haardurchmessers genau zu fräsen“, so Ex-Dörries-Ingenieur Wilhelm Mausbach.
In seinem Buch hat er auch dem Eiserfeyer Erzstollen, der noch immer von der Hauserbachstraße aus zu begehen ist, breiten Platz eingeräumt. 3000 Kubikmeter Eisenerz wurden dort herausgeholt und zu Eisen geschmolzen.
Ein Erzklumpen von Fußballgröße und ein zigarettenschachtelgroßes Stück Eisen veranschaulichen den, im Vergleich zu heute, doch sehr geringen Eisengehalt des Eiserfeyer Vorkommens. Mausbach: „Heute werden Erze mit 70 Prozent Eisengehalt verhüttet, damals waren es unter 13 Prozent…“
Redakteur/in:Lars Kindermann aus Rhein-Erft |
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