Bodenbelastung
Untersuchungen sollen Klarheit bringen

Nichts soll unter den Teppich gekehrt, nichts runtergespielt werden, aber man will auch keine Bleihysterie in Mechernich aufkommen lassen, so Manfred Poth (r.), der Allgemeine Vertreter des Landrates, und Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick bei der Pressekonferenz im Mechernicher Rathaus. | Foto: ML/ProfiPress
  • Nichts soll unter den Teppich gekehrt, nichts runtergespielt werden, aber man will auch keine Bleihysterie in Mechernich aufkommen lassen, so Manfred Poth (r.), der Allgemeine Vertreter des Landrates, und Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick bei der Pressekonferenz im Mechernicher Rathaus.
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Mechernich - (pp). Seit Monaten äußern Anwohner erhebliche Zweifel daran, ob
die zuständigen Behörden sachgerecht mit der Bleibelastung des
Bodens in den Mechernicher Neubaugebieten umgehen. Die Beteiligten
haben nun klargestellt, dass die Bleigefahr nicht akut ist.

Kreis und Stadt nehmen die Sorgen der Bevölkerung ernst, aber Grund
zur Sorge geschweige denn Hysterie gebe es ganz und gar nicht: Das war
Tenor einer Pressekonferenz im Mechernicher Rathaus, an der unter
anderem Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, Manfred Poth, der
Allgemeine Vertreter des Landrats, und Christian Ramolla vom
Kreisgesundheitsamtes teilnahmen.

„Blei ist ein hochexotisches Thema. Sie finden heute keinen Arzt
mehr, der schonmal eine akute Bleivergiftung diagnostiziert hat“,
konstatierte beispielsweise Christian Ramolla. Das gelte natürlich
auch für das Mechernicher Kreiskrankenhaus. Zu unterscheiden zwischen
der akuten sei aber die chronische (= schleichende) Bleivergiftung
durch Anreicherung.

Aber auch da weise das Statistische Bundesamt Blei als
Vergiftungsgrund gar nicht mehr auf, sondern nur zusammen mit anderen
Schwermetallen wie Kadmium, Zink, Quecksilber und Chrom. Die
NRW-Diagnosestatistik führe wegen der geringen Fallzahl nicht einmal
Schwermetallvergiftung mehr gesondert auf, die in einem
umweltschützerisch so hochentwickelten Land wie Deutschland kaum noch
eine Rolle spiele, so Christian Ramolla.

Gleichwohl seien nun von der Stadt Mechernich und dem Kreis Euskirchen
neue Blut- und Bodenuntersuchungen angeordnet worden. „Nicht in
erster Linie, um die Bedenken aus der Bevölkerung zu differenzieren,
sondern um gegebenenfalls auch Maßnahmen zu ergreifen“, so
Bürgermeister Schick. „Wobei keine Gefahr im Verzug ist, wir reden
von Präventionsmaßnahmen“, ergänzte Poth.

Die frisch entnommenen Bodenproben aus den Neubaugebieten zwischen
Mechernich-Nord und Kommern-Süd befinden sich bereits im Labor. Die
Ergebnisse werden Anfang April erwartet, so Mario Dittmann, der
zuständige Fachbereichsleiter der Stadtverwaltung Mechernich.

Die Blutproben an Freiwilligen - besonders an Kindern, Schwangeren und
früheren Kumpels aus Mechernich - sollen Mitte Juni unter der Leitung
des Arbeits-, Sozial- und Umweltmediziners Professor Dr. Thomas Kraus
(RWTH Aachen) anlaufen. Mit Ergebnissen rechnen Christian Ramolla und
sein Chef Dr. Bernd Ziemer bereits nach den Sommerferien.

Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick berichtete von Untersuchungen im
Bleigebiet Brilon im Hochsauerlandkreis, wo 2013 230 Menschen
untersucht worden seien - ohne brisante Ergebnisse im Hinblick auf
akute oder chronische Vergiftungen.Journalisten fragten Christian
Ramolla nach den Symptomen leichter Bleivergiftungen, doch die seien
zu unspezifisch, um sie klar erkennen zu können. Ramolla:
„Mattigkeit, Müdigkeit und ein bisschen Kopfschmerzen haben die
meisten Menschen einmal im Monat - oder auch jeden Montag.“ Die
Aufnahme von Blei aus der Atemluft oder aber über Bodenanhaftungen am
Essen seien außerdem höchst individuell und lägen zwischen drei und
40 Prozent.“

Blutarmut durch Blei sei in seiner Krankenhauszeit nicht ein einziges
Mal festgestellt worden. Jeder Deutsche nehme durchschnittlich 0,16
Milligramm Blei auf - was zu einer Blutbelastung von rund 30 bis 40
Mikrogramm pro Liter führe. Arbeitsmediziner gingen davon aus, dass
ab er einer Belastung von 500 Mikrogramm pro Liter
Vergiftungserscheinungen auftreten könnten.

Mechernicher Kinder wiesen auch bei anderen Parametern und in Sachen
Intelligenz keinerlei Auffälligkeiten gegenüber Kindern aus anderen
Kommunen und bundesweit auf, so Ramolla. Außerdem müsse man
bedenken, dass eine dem Blei zugeschriebene Intelligenzminderung
allenfalls fünf Prozent betrage, so Christian Ramolla, der Einfluss
des Elternhauses auf die kognitiven Fähigkeiten aber bei 40 Prozent
liege.

„Wenn man sich in Mechernich an gewissen Spielregeln bezüglich der
Nutzung von Wurzelgemüse aus dem Nutzgarten hält und seit den
80er-Jahren ministeriell festgelegte Verpflichtungen beim Bauen - zum
Beispiel das Abdichten von Sandkästen mit Folien als Grabschutz -
beachte, dann lasse es sich in Mechernich wahrscheinlich genauso gut
leben wie andernorts“, vermuteten Bürgermeister, Landratsvertreter
und Kreismediziner.

Mit den Untersuchungen solle aber Gewissheit über die wirkliche
Belastung und eventuelle Konsequenzen geschaffen werden, so Manfred
Poth. Auch das NRW-Umweltministerium mache seine weiteren Schritte -
auch bezüglich einer eventuellen Anpassung der Grenzwerte - von den
Ergebnissen der neuesten Mechernicher Untersuchungen abhängig, wie
Achim Blindert, der zuständige Abteilungsleiter des Kreises,
konstatierte.

Bislang halten sich alle Stellen genau an die Vorgaben, die dieses
Ministerium vor 30 Jahren als Reaktion auf die damalige Bleidiskussion
im Raum Mechernich-Kall erlassen hatte. In die Angriffe gegen
Bodenbehörde, Kreis und Stadt hat sich das Ministerium bislang nicht
eingeschaltet.

Die alteingesessene Bevölkerung habe nicht erst seit dem
„Bleiskandal“ Anfang der 80er-Jahre gelernt, mit dem geologisch
seit jeher vorhandenen Bleivorkommen im Raum Mechernich zu leben. Er
selbst komme aus Bescheid, er sei unweit der Bleigrube „Gute
Hoffnung“ von Bleibuir aufgewachsen, so Bürgermeister Schick:
„Unsere Mutter hat uns beigebracht, die Möhren, die wir aus dem
Garten stibitzen, vor dem Essen ordentlich zu putzen und zu
waschen...“

Er verstehe aber auch die Sorgen der Menschen, vor allem der Familien
mit Kindern, die nicht im Bleigebiet aufgewachsen seien. Deshalb gelte
es, den Dingen auf den Grund zu gehen, sie zu untersuchen und, wenn
nötig, auch Konsequenzen zu ziehen.“

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