Israel-Sonntag
Antisemitismus: Altes Gift in neuen Schläuchen
Holpe/Morsbach - Am vorigen Sonntag feierte die Evangelische Kirchengemeinde
Holpe-Morsbach gleich zwei festliche Gottesdienste, in denen die
Zusage Gottes an die Israeliten im Vordergrund stand, einen in der
Evangelischen Kirche in Holpe und den anderen im Gemeindezentrum
Morsbach. Dabei wurde sie von der Oberbergischen Gesellschaft für
Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) unterstützt.
Die Idee, den Israelsonntag gemeinsam zu gestalten, war nach der
Stolpersteinverlegung für die jüdische Familie Levy aus
Niederwarnsbach im Juni entstanden.
GCJZ-Vorsitzender Wolfgang Birkholz erinnerte daran, dass eine
Keimzelle der völkischen Bewegung schon 1920 in Holpe entstanden sei,
jedoch sei der Antijudaismus schon wesentlich älter. Auch Luther habe
es sich nicht nehmen lassen, antijüdische Thesen zu verbreiten, auf
die sich die Nationalsozialisten viele Jahre später berufen hätten.
„Nicht nur Corona ist eine Pandemie, die Pandemie des Antisemitismus
hat nie aufgehört“, meinte er.
„Antisemitismus ist altes Gift in neuen Schläuchen.“ Karl Barth
habe einmal gesagt: „Antisemitismus bekämpft den Augapfel
Gottes.“
Pfarrerin Silke Molnár schilderte, dass es eine große Innigkeit
zwischen Gott und seinem Volk zu entdecken gebe, die Christen und
Juden verbinde. „Der Israelsonntag bietet in jedem Kirchenjahr eine
neue Chance dazu.“
Nach den Lesungen des stellvertretenden GCJZ-Vorsitzenden Peter
Tillmann und des Konfirmanden Luca Schröder über Jesu Stellung zum
Gesetz berichtete sie in der Predigt, dass Kinder bei Erzählungen von
der Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste und den Geschehnissen
am Berg Sinai „sofort in die Szene“ springen würden,
„gemütlich in der Kuschelecke des Kindergottesdienstes“.
Für Erwachsene sei die Situation viel komplizierter. Genau wie auf
der Wanderung der Israeliten damals das Ziel unklar gewesen sei, gebe
es heute für die Gläubigen bohrende Fragen nach dem Ausgang der
Reise durch die persönlichen Wüsten von Einsamkeit, Trauer oder
nicht enden wollender Arbeit.
Ähnlich der Frage der Flutopfer, für die sie eine große Kerze
angezündet hatte, „Warum läuft das Wasser durch mein Haus?“
stelle sich für viele die Frage: „Warum muss ich in der Wüste
sein, in einer Situation, die ich nicht will?“
Molnár lud dazu ein, sich in der Situation am Sinai zu spiegeln:
„Dort geschah etwas ganz Besonderes.“
So habe das ganze Volk einvernehmlich beschlossen: „Alles was der
Herr will, wollen wir tun.“ Gottvertrauen sei der Schlüssel zum
Evangelium. Sie benannte auch die Schuld der Kirche an „unseren
jüdischen Brüdern und Schwestern“. In Erinnerung an das Schicksal
der Familie Levy bat sie um ein friedliches Miteinander und um ein
Ende, von Diskriminierung, Rassismus und Gewalt.
Musikalisch begleitet wurde der Gottesdienst von Hildegard Schmidt an
der Orgel sowie von Martin Schulte mit dem Akkordeon und seinem Sohn
Carl August am Cajon.
Einfühlsam spielten sie jüdische Stücke, etwa „Sherele“ oder
den „1. Tanz“, zum Abschluss schwungvoll das hebräische Volkslied
„Hava Nagila“.
- Michael Kupper
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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