Podiumsdiskussion: Ländlicher Notstand
Der Mensch im Mittelpunkt
Morsbach - Morsbach. Warum es den Ärztemangel auf dem Land gibt, wie er sich
auswirkt und wie der Notstand zu beenden ist – diese Fragen waren
Thema einer Podiumsdiskussion mit NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef
Laumann. Bürgermeister Jörg Bukowski begrüßte den Minister im
Morsbacher Ratssaal und stellte vor der Diskussion die Pläne für das
Versorgungszentrum in Lichtenberg vor, das unter dem Motto „Der
Mensch im Mittelpunkt“ in der Planung ist. Die Schwierigkeiten in
der (haus-)ärztlichen Versorgung, der veränderte Bedarf durch die
älter werdende Bevölkerung, und das Nachfolger/innen kaum zu finden
sind, seien die Ausgangslage. Das Ziel sei das zentrale Angebot einer
verbesserten, umfassenden Versorgung für den Versorgungsbezirk
Nümbrecht, Morsbach und Waldbröl an einem Standort. Man wünsche
sich am zentralen Versorgungsstandort in Lichtenberg ein möglichst
vielfältiges Angebot von einem Hausarzt, Fach- und Zahnarzt, einer
Physiotherapiepraxis, einem Pflegedienst und sowie einer Tagespflege
eventuell auch eine Apotheke, so Bukowski. Ein Café und ein
Lebensmittelgeschäft würden das Versorgungszentrum ergänzen. Leider
habe man keinen Zuschlag für die Bewerbung bei der
Robert-Bosch-Stiftung zur Realisierung dieser Pläne erhalten. Jetzt
hoffe man auf die Unterstützung des Oberbergischen Kreises im Rahmen
des Projekts „INBP – Intersektoral vernetzte Betreuung
Pflegebedürftiger“.
Auf die Frage von Moderator Prof. Dr. Wolfgang Goetzke vom Verein
Gesundheitsregion KölnBonn „Wie ist die konkrete Bedarfslage und
wie ist der Ausblick, die Perspektive?“ antwortete Hausarzt Dr.
Johannes Schlechtingen (Praxen in Waldbröl und Lichtenberg), dass die
Lage kritisch würde. Von den vier niedergelassenen Hausärzten (HÄ)
im Südkreis seien bereits zwei über 65 Jahre, und im gesamten
Kreisgebiet sind 38 Prozent der Ärzte über 63 Jahre alt. Viereinhalb
offene Stellen gebe es in dem Gebiet Nümbrecht, Waldbröl, Morsbach.
In Reichshof seien es sogar mehr als sieben offene Stellen. 147.000
Überstunden leisteten die HÄ, man brauche 80 Ärzte zusätzlich, um
das zu stemmen. Das sei eine schlechte Voraussetzung für junge
Menschen sich auf dem Land als HA niederzulassen, in der Überstunden
an der Tagesordnung seien. Auch Schlechtingens Ehefrau Birgit
Klein-Schlechtingen, Inhaberin einer Krankenpflegepraxis, und
Physiotherapeutin Daniela Dahlenkamp mit eigener Praxis haben echte
Nachwuchssorgen. Der Bereich der Betreuungsleistungen nehme zu und es
sei ein Riesenproblem Pflegefachkräfte zu akquirieren. Die
Fachkräfte gingen lieber in die Großstädte als auf dem Land zu
arbeiten. „Obwohl der Bedarf an Pflege steigt, können wir nicht
mehr jeden neuen Patienten annehmen“, so Klein-Schlechtingen. „Wir
haben in den kommenden drei Wochen keinen freien Termin mehr in der
Physiopraxis“, bestätigte Dahlenkamp. Die hohen Ausbildungskosten
zur/zum Physiotherapeut/in würden viele junge Menschen abschrecken.
„Man hat das Problem kommen sehen und leider zu spät
beziehungsweise gar nicht reagiert“, kritisierte
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann das Verhalten der
Vorgängerregierung. Man hätte vor sieben, acht Jahren reagieren
müssen. Es gebe heute zur Genüge junge Leute, die sich eine
berufliche Zukunft als Hausarzt auf dem Land vorstellen können, es
scheitere aber am Studienplatz. Auf einen Studienplatz kommen zehn
Bewerber. „Das Problem können wir lösen, indem an allen
medizinischen Fakultäten eine Professur für Allgemeinmedizin
einrichtet wird“, so der Minister. Das habe er bereits veranlasst.
Außerdem plane die Landesregierung die Eröffnung einer neuen
Fakultät mit dem Schwerpunkt Allgemeinmedizin in Bielefeld. Weitere
Lösungsansätze des Ministers sind: das Staatsexamen muss schneller
machbar sein; das Schulgeld für die Ausbildung von Pflegekräften
muss wegfallen; Medizinern aus dem Ausland soll es schneller
ermöglicht werden, hier zu praktizieren. Am Geld scheitere es nicht.
Falls es dennoch nicht gelinge, die
hausärztliche Versorgung auf dem Land zu gewährleisten, würden die
Krankenhäuser für diese Versorgung geöffnet.
Kreisgesundheitsdezernent Ralf Schmallenbach hofft, dass sich die
Gesundheitsberufe stärker vernetzen und lobte die Telemedizin, die
bei der Informations- und - Kommunikationstechnologien eingesetzt
werden. Die telemedizinischen Anwendungen stellen in vielen Bereichen
einen Mehrwert für die Patienten dar. Auch der Minister sieht starke
Möglichkeiten durch die Digitalisierung und bei der Einrichtung einer
persönlichen Medikamentenkarte.
- Karin Rechenberger
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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