15 Jahre Tafel Much
Alles gleich und alles anders
15 Jahre Tafel Much - so viel Bedarf und so wenige Lebensmittel wie nie zuvor
Much. Auf den ersten Blick hat sich bei der Tafel Much seit dem 29. Mai 2008 nicht viel geändert. Als vor 15 Jahren die ersten Kund*innen kamen, holten sie die Lebensmittel donnerstags in der evangelischen Kirchengemeinde in der Schulstraße 2 ab. Die damals 35 Helfer*innen hatten zuvor die ersten Pakete im Sportheim des TSV Much gefüllt, wo sie auch heute noch die Lebensmittelausgabe vorbereiten. Doch auch wenn Orte und Zeiten noch die gleichen sind: Für die ehrenamtlichen Helfer*innen hat sich seither alles verändert. Nach 15 Jahren stoßen sie an die Grenzen der Belastbarkeit. Nie zuvor brauchten so viele Menschen die AWO-Tafel in Much wie jetzt. Und nie zuvor gab es so wenige Lebensmittelspenden.
Christa Tampier wollte sich nicht damit abfinden, dass Lebensmittel weggeworfen werden, während manche Menschen nicht wissen, wie sie sich und ihre Familie ernähren können. Gemeinsam mit der Arbeiterwohlfahrt Bonn/Rhein-Sieg (AWO) lud sie die Mucher Bürger*innen Ende 2007 zu einem Treffen ein, um eine Tafel zu gründen. Die von den einen nicht mehr gebrauchten Lebensmittel sollten an die verteilt werden, die darauf angewiesen sind.
Das Interesse an diesem ersten Treffen war enorm: 150 Menschen füllten die evangelische Kirche bis in den letzten Winkel. Es kamen Menschen, die mit anpacken, und solche, die das Anliegen mit Geld unterstützen wollten, es kamen Angestellte und Rentner*innen, Einzel-händler und Gastronomen, Menschen mit mehr und Menschen mit weniger Geld.
„An der Schlange vor der Tafel erkennt man die Weltlage“
Anita Freitag war ebenfalls dabei und wusste sofort: „Da will ich mithelfen.“ Das macht sie bis heute in einem inzwischen auf 42 Helfer*innen angewachsenen Team. „Wir mussten schnell lernen“, erzählt sie von den Anfangsjahren. „Anfangs haben wir die Taschen noch einheitlich vorgepackt. Schnell konnten wir dann aber abschätzen, für wie viele Menschen die Lebensmittel reichen.“ Ein großer Vorteil sei, dass viele der Helfer*innen inzwischen schon lange dabei sind. „Wir sind ein eingespieltes Team.“ Dabei geholfen hat der AWO-Tafel auch eine Verbesserung der Abläufe. Hat sich anfangs noch jeder um alles gekümmert, sind Leitung und Teams inzwischen spezialisiert. Die einen kümmern sich um die Abholung der Lebensmittelspenden, andere bereiten die Lebensmittel vor und Dritte geben die Spenden dann aus. Auch für die Koordination und Öffentlichkeitsarbeit findet sich im Leitungsteam nun eine Verantwortliche.
Die größte Veränderung gab es jedoch bei den Kund*innen der Tafel. Der Anteil der Mucher war vor 15 Jahren noch größer. Damals kamen nur rund 80 Bedürftige. Inzwischen profitieren 350 Menschen von der AWO-Tafel. Viele Ukrainer*nnen sind dabei, die für sich und ihre Kinder Essen benötigen. Mit dem Bürgerkrieg in Syrien – und zuletzt auch der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan - nahm auch die Zahl Flüchtlinge zu. „Die politische Weltlage – sie spiegelt sich bei der Essensausgabe wider“, berichtet Manuela Klock-Rousselli, verantwortlich für die vier Tafeln der Arbeiterwohlfahrt im Rhein-Sieg-Kreis.
„Wir können bei uns auch genau erkennen, dass die Lage für Rentner*innen immer schwieriger wird.“ Auch ihre Zahl steigt nach Auskunft von Manuela Klock-Rousselli. Besonders frappierend für die AWO-Mitarbeiterin: „Wer auch nur fünf Minuten zuschaut, erkennt, dass Altersarmut in Deutschland weiblich ist. Die älteren Frauen überwiegen deutlich.“ Wie groß der Druck bei den Betroffen sei, erkenne man auch daran, dass die ersten schon Stunden vorher kämen und sich anstellten. „Die haben echt Angst, nichts zu bekommen.“
Mehr Bedürftige, weniger Lebensmittel
Die große Zahl der Bedürftigen bringt auch die Ehrenamtlichen an ihre Grenzen. „Das macht was mit einem“, sagt Anita Freitag. „Der Arbeitsaufwand ist deutlich größer geworden“. Aber auch die seelische Belastung. „Der Dank und die Freude der Menschen motivieren uns, aber wir nehmen auch die Sorgen der Bedürftigen mit nach Hause“ schildert die Helferin der ersten Stunde; vor allem, wenn die Taschen wieder mal nicht gut gefüllt sind. „Jede Woche gehe ich mit der Sorge zur Tafel: ´Was können wir den Menschen diesmal geben´?“.
Weniger Lebensmittelspenden: Das ist gerade in Much ein großes Problem, berichtet Manuela Klock-Rousselli. „Hier gibt es nur wenige Lebensmittelhändler. Und die großen Handelsketten optimieren ihre Logistik.“ Das hat nach Ansicht der AWO-Verantwortlichen zwar den Vorteil, dass weniger Lebensmittel aussortiert werden müssen, „aber es bleiben eben auch weniger übrig für die Tafel, während der Bedarf gleichzeitig steigt“.
Wenn sich Anita Freitag nach 15 Jahren etwas wünschen dürfte, dann wären es neben mehr Lebensmitteln und sozialer Gerechtigkeit insbesondere neue und jüngere Helfer*innen. „Wir sind mit der Tafel älter geworden“, sagt sie lachend, fügt aber ernst hinzu: „Mit einem Alters-durchschnitt von rund 65 Jahren ist auch die Belastungsgrenze schneller erreicht. Junge Helfer*innen täten uns ganz gut.“Info: Die AWO-Tafel Much gibt jeden Donnerstag von 12.30 bis 14.30 Uhr in der evangelischen Kirche in der Schulstraße 2 Lebensmittel an Bedürftige aus.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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