Ehemalige Diskothek
Vom dunklen Partytempel zur hellen Werkstatt
Nettersheim-Zingsheim - (epa). Wo vor einigen Jahren noch junge Leute in der Diskothek
tanzten, erklangen jetzt ganz andere Töne - handgemacht, live,
leiser, aber eindringlicher als früher und vielleicht das Publikum
noch begeisternder: Im neuen Heilpädagogischen Arbeitsbereich der
Nordeifelwerkstätten (NEW) sorgten Roland und Rosi, zwei
NEW-Beschäftigte mit mehrfacher Beeinträchtigung, zusammen mit der
Musiktherapeutin und NEW-Mitarbeiterin Nicole Flittorf mit der
„Hausband“ für den berühmten Funken Lebensfreude, der sofort
übersprang.
Mit selbst komponierten und getexteten Songs umrahmte das Team die
Einweihungsfeier für den jüngsten Streich der kreisweiten
Werkstattangebote für Menschen mit verschiedensten
Beeinträchtigungen physischer, psychischer oder kognitiver Art.
„Wer die Zingsheimer Disko noch von früher kennt, erinnert sich an
die große Tür, aber nicht an Fenster“, berichtete
NEW-Geschäftsführer Wilhelm Stein.
Die schummrige Atmosphäre des eher düsteren Gebäudes passte so gar
nicht zum Konzept der hellen, offenen und multifunktionalen Räume,
die das NEW-Team an den verschiedenen Standorten im Kreis für die
insgesamt rund 1400 Beschäftigten mit und ohne Behinderung schätzt.
Doch die Lage direkt neben dem holzverarbeitenden Standort mit
Schreinerei und Saunabau im Gewerbegebiet Zingsheim war ideal, so dass
sich Werkstattleiter Achim Saßmann an die Planung machte. Er
berichtete: „Schnell war klar, dass die Grundfläche von knapp 600
Quadratmetern nicht ausreichen würde, also haben wir einen 300
Quadratmeter großen Anbau erstellt.“
Denn, so Stein, obwohl die NEW seit Bestehen auch Menschen mit
mehrfachen, schweren Einschränkungen und starkem
Unterstützungsbedarf die Möglichkeit zur beruflichen Teilhabe
gegeben habe, sei die Zahl dieser Klientel mit ihren besonderen
Anforderungen stark angewachsen. 70 Beschäftigte könnten künftig im
neuen Heilpädagogischen Arbeitsbereich (HPA) am Standort Zingsheim
nicht nur individuell passende Arbeiten verrichten, sondern in Ruhe-
und Snoozel-Räumen wieder auftanken, in Pflegezimmern optimal
versorgt werden oder in Gruppen- und Einzelräumen
Freizeitaktivitäten, Therapiemöglichkeiten oder Fortbildungen
wahrnehmen.
Saßmann: „Auch die Sanitäranlagen sind nicht nur zahlreich,
sondern auch technisch etwa durch höhenverstellbare Sitze auf dem
neusten Stand.“ Bis aus der dunklen Diskothek lichtdurchflutete
Räume und aus dem Labyrinth über fünf Ebenen ein barrierefreier
Werkstattstandort werden konnten, seien nicht nur zahlreiche
Arbeitsstunden nötig gewesen, sondern auch die glücklicherweise gute
Zusammenarbeit von NEW-Mitarbeitern, Architekturbüro,
Gemeindeverwaltung Nettersheim und ausführenden Firmen, so Stein.
Eine eigene Küche, Kantine und Büros sowie Außengelände mit
Terrasse komplettieren das auch energetisch auf den neusten Stand
gebrachte Ensemble. Und falls es doch irgendwann etwas mehr sein darf,
ist auf dem knapp 5000 Quadratmeter großen Grundstück noch Platz
für eine Erweiterung.
Der Steinfelder Pater Georg übernahm die Einsegnung des Gebäudes und
der Menschen darin und meinte damit nicht nur die Beschäftigten:
„Es macht mir viel Spaß mit Weihwasser zu segnen“, sagte der
humorvolle Geistliche und benetzte auch gleich die zahlreichen Gäste
wie den Nettersheimer Vize-Bürgermeister Herbert Falkenberg sowie
Rita Witt, Rudi Dick und Bruno Grobelny vom Aufsichtsrat der NEW.
Renate Roland hat ihre Tochter Heike, die seit einem Autounfall kurz
vor ihrem Abitur schwere Einschränkungen hat, seit 25 Jahren in der
Obhut der NEW: „In dieser Zeit hat sich so viel bei den NEW
entwickelt. Meine Tochter arbeitet so gerne hier, sie will nicht
einmal Ferien.“
Damit beschrieb sie genau das, was Wilhelm Stein als Ziel des HPA
verfolgt: „Es ist uns ein Anliegen, auch Menschen mit schweren und
mehrfachen Beeinträchtigungen die Teilhabe an Arbeit, Bildung und
Förderung zu ermöglichen. Dies erfordert diese besonderen
Räumlichkeiten, die dem individuellen Bedarf jedes Beschäftigten
gerecht werden können.“
Neben der Beschäftigung an mehreren Standorten im Kreis Euskirchen in
verschiedensten Sparten wie etwa Saunabau oder Landschaftspflege,
Logistik in der Tochterfirma EU-Log oder im Druckereizentrum bieten
die NEW auch Ausbildung und Beschäftigung mit Kundenkontakt in
Lebensmittelmärkten, dem „Bügelprofi“ oder Kantinen und
unterhalten sogar die eigene Jobagentur NEW-Job, um auch
Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt anzubahnen.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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