Gegen das Vergessen
Bewegende Momente bei der Verlegung der letzten Stolpersteine

Bewegende Momente für NS-Opfer Karola Adami (vo.2.v.li.) an der Stätte ihrer Kindheit mit Tochter Michaela Adami-Eberlein, dem ehemaligen Bürgermeister Walter Esser und Geschichtslehrer Georg Langen (vo.v.li.). | Foto: Mülhausen
  • Bewegende Momente für NS-Opfer Karola Adami (vo.2.v.li.) an der Stätte ihrer Kindheit mit Tochter Michaela Adami-Eberlein, dem ehemaligen Bürgermeister Walter Esser und Geschichtslehrer Georg Langen (vo.v.li.).
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Niederkassel -

Im Jahre 1992 startete der Aktionskünstler Gunter Demnig das Projekt
„Stolpersteine“. In Form von kleinen Gedenktafeln auf
Bürgersteigen und öffentlichen Plätzen sollen sie als
„gedankliche Stolpersteine“ an Menschen erinnern, die in der Zeit
des Nationalsozialismus deportiert wurden und meist dem Holocaust zum
Opfer fielen. Mittlerweile gibt es über 70.000 Stolpersteine in 1.265
deutschen Kommunen und in 24 Staaten Europas, womit sie als größtes
dezentrales Mahnmal der Welt gelten.

Auch die Stadt Niederkassel beteiligt sich seit 2008 an der Aktion.
Zur Erinnerung: Im Rahmen einer Projektarbeit am Kopernikus-Gymnasium
hatte die damalige Schülerin Jasmin Rogge das Schicksal jüdischer
Mitbürger recherchiert. Auf Vorschlag ihres Geschichtslehrers Georg
Langen trug sie die Idee, dass die Stadt ebenfalls an der
Stolperstein-Aktion teilnehmen sollte, dem damaligen Bürgermeister
Walter Esser vor und stieß damit auf offene Ohren. Nachdem das
Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde Niederkassel und die
katholische Pfarrgemeinde Mondorf bereits ihre Unterstützung zugesagt
hatten, gab auch der Schulausschuss der Stadt Niederkassel grünes
Licht. Nun wurden in Rheidt und Mondorf die letzten zwei von insgesamt
35 Stolpersteinen im Bereich der ehemaligen Wohnhäuser der jüdischen
Mitbürger vom Künstler in den Boden gesetzt. In der Oberdorfstraße
in Mondorf erinnert der Stolperstein an Benno Levy, der ein
begeisterter Fußballer und Mitbegründer des TuS Mondorf war. Er
wurde nach seiner Flucht in die Niederlande nach Ausschwitz deportiert
und dort im Alter von 38 Jahren ermordet.

Eine weitere Gedenktafel wurde im Beisein zahlreicher interessierter
Bürger in das Trottoir vor der KSK-Filiale in Rheidt gesetzt, wo
früher das Haus der Familie Pütz stand. Tief bewegt lauschten die
Anwesenden der Schilderung von Historiker Georg Langen, der das harte
Schicksal von Karola Adami (geborene Stern, *1925), die dem Holocaust
nur knapp entging, eindrücklich vor Augen führte. Von ihrer Mutter
wurde Karola im Kindesalter in ein Kölner Pflegeheim abgegeben. Mit
18 Monaten fand sie ein neues Zuhause in der Rheidter Oberstraße bei
der Pflegefamilie Pütz, wo sie ihre Kindheit verbrachte und auch den
Nachnamen ihrer Pflegefamilie angenommen hat. Erst durch Zufall erfuhr
sie als Jugendliche in der Schule, dass sie jüdischer Abstammung war.
Von nun an begann für sie der Leidensweg, der nach jahrelangem
Verstecken vor den NS-Schergen mit der Verhaftung 1944 ein
vorläufiges Ende fand. Doch ihr gelang die Flucht vor dem Abtransport
in ein Vernichtungslager, was mit hoher Sicherheit den Tod bedeutet
hätte. Nach dem Krieg führte sie der Weg wieder nach Rheidt zurück,
wo sie ihren späteren Ehemann Martin kennenlernte. Karola Adami, die
persönlich in Begleitung ihrer Tochter Michaela bei der
Stolperstein-Setzung vor Ort war, ergänzte den Lebensbericht aus
eigener Erinnerung.

Mittlerweile lebt die rüstige 94-Jährige in Much und erfreut sich
ihrem Alter entsprechend bester Gesundheit. Geduldig und ohne
Ressentiments beantwortete sie die Fragen von anwesenden Schülern und
interessierten Bürgern. Die Freude, alte Bekannte aus ihrer Rheidter
Zeit wiederzutreffen und neue Bekanntschaften zu schließen, überwog
deutlich die Erinnerung an die schlimmen Jahre des NS-Regimes.

- Walter Mülhausen

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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