Niederkassel bekommt ZUE
Fertigstellung im zweiten Quartal 2025 geplant
Nicht wirklich überraschend waren die Zuschauerreihen bei der jüngsten Sitzung des Stadtrates in der Aula der Mondorfer Realschule sehr gut besetzt. Stand doch nur acht Tage nach der Bürgerinformationsveranstaltung die Entscheidung des Rates über das Ja oder Nein zu einer Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) für Geflüchtete auf der Tagesordnung.
Rund 100 Bürger waren gekommen, um diese Entscheidung live zu erleben. Und so wunderte es auch nicht, dass sich die Fragen in der obligatorischen Einwohnerfragestunde zu Beginn der Ratssitzung fast ausschließlich diesem Thema widmeten. Auch wenn dadurch das Votum der Politiker nicht mehr zu beeinflussen war, nutzten einige Niederkasseler diese Gelegenheit, um ihre Enttäuschung, ihre Besorgnis oder ihren Frust loszuwerden. Kernpunkte der Fragen an diesem Abend - die häufig durch Applaus der übrigen anwesenden Bürger unterstrichen wurden - waren die Bereiche Kommunikation mit den Bürgern, Geld und Kriminalität. So wurde beispielsweise Kritik daran geübt, dass die Bürger nicht viel früher an diesem Prozess beteiligt wurden, wo doch die Planungen anscheinend schon eine ganze Weile auf Hochtouren liefen. Bürgermeister Matthias Großgarten wies darauf hin, dass ein langfristiger Vorlauf zur Bürgerversammlung wegen der Gespräche und Planungen mit der Bezirksregierung nicht möglich gewesen sei. Beigeordneter Carsten Walbröhl ergänzte, dass die Reihenfolge von Bürgerversammlung und Stadtratsentscheid sogar eher unüblich sei. Er bestätigte, dass die Unterkunft im ehemaligen Baumarkt in Ranzel zwar aktuell nicht voll belegt sei, sich dies aber durch die sehr wahrscheinlichen Zuweisungen bis Jahresende definitiv ändern werde. Aufgrund der nicht zu erwartenden Abnahme der Zuweisungen an die Stadt durch das Land NRW und die unbefriedigende Situation der Unterbringung der Geflüchteten in der Mondorfer Dreifachhalle sei bei diesem Thema Eile geboten.
Für bis zu 350 Menschen ist die ZUE konzipiert, die in Niederkassel-Ort an der Umgehungsstraße am Kreisverkehr neben dem Sportplatz entstehen soll. Wenn alle Planungen und Arbeiten ohne Verzögerungen verlaufen, soll die Unterkunft schon im zweiten Quartal nächsten Jahres bezugsfertig sein. Dem Vorwurf, dass dieser Standort wenig durchdacht sei, widersprach Walbröhl vehement. Zahlreiche Standorte waren in den ersten Überlegungen im Gespräch, doch viele unterschiedliche Gegebenheiten ließen eine Eignung gar nicht erst zu. Und so habe man mit Vertretern der Bezirksregierung schließlich acht Orte besucht und dieser nun vorgesehene Standort sei als einziger übriggeblieben. Der Befürchtung, dass die Regale im eh schon kleinen und oft nicht ausreichend bestückten Discounter vor Ort dann noch leerer werden, wenn bis zu 350 weitere Personen dort einkaufen würden, entgegnete Walbröhl, dass die Menschen in der ZUE vollverpflegt werden und somit lediglich Hygieneartikel selbst kaufen müssten. Er sei sich sehr sicher, dass der örtliche Drogeriemarkt dies gewährleisten könne.
Eine Bürgerin machte keinen Hehl aus ihrer ablehnenden Haltung gegenüber 350 Geflüchteten, da sie sich um die Sicherheit der Bevölkerung und deren Eigentum große Sorgen mache. Der Bürgermeister entgegnete, dass er die grundsätzlichen Bedenken verstehen könne, der Sicherheitsstandard und das Konzept einer ZUE aber deutlich höher seien, als wenn die Stadt selbst eine Unterkunft bauen und betreiben würde. Sein Hinweis, dass man mit der Polizei in engem Austausch stehe und dass bei weit über 1.100 bisher in Niederkassel untergebrachten Flüchtlingen kein markanter Kriminalitätsanstieg zu verzeichnen sei, wurde vom Publikum teilweise mit Gelächter und Zwischenrufen wie „noch nicht“ quittiert. Beigeordneter Walbröhl ergänzte, dass sich auch in Gesprächen mit Nachbarkommunen, die ebenfalls eine ZUE haben, gezeigt habe, dass es „keinerlei Auffälligkeiten gibt, was straffälliges Verhalten angeht“. Im Übrigen habe die Stadt Niederkassel ein ureigenes Interesse, dass alles so sicher wie möglich sei.
Aufgrund der desolaten Haushaltssituation der Stadt sei eine ZUE die einzig sinnvolle Lösung, so Walbröhl, der bestätigte, dass er ganz allein dafür verantwortlich sei, dass dieses Thema in Niederkassel angegangen wurde. Da die ZUE komplett durch das Land NRW gebaut, verwaltet und bezahlt werde, könne die Stadt Niederkassel in den nächsten Jahren viele zig Millionen Euro sparen. Ein Bürger hatte schließlich reichlich Klärungsbedarf in Bezug auf von der Stadt errechnete Geldsummen. Bis zu 7.400 Euro brauche man demnach für eine geflüchtete Person pro Jahr. Auf direkte Ansprache versicherten alle Fraktionsvorsitzenden, dass man diese Kostenkalkulation nachvollziehen und nicht zu beanstanden habe. „Egal, wieviel Euro man letztlich ganz konkret für die Unterbringung und Versorgung einer geflüchteten Person benötigt, alles, was über Null als Zuweisung in die ZUE ist, ist eine Millioneneinsparung für die Stadt“, so Großgarten. Und auch egal, wie viele Menschen künftig tatsächlich in der ZUE leben werden, die maximale Kapazität von 350 Personen werde der Stadt komplett auf die Erfüllungsquote angerechnet.
Im weiteren Verlauf der Sitzung hatte dann der Stadtrat mehrheitlich bei einer Gegenstimme und vier Enthaltungen die Ansiedlung einer ZUE beschlossen.
Stellungnahmen der Parteien
CDU (Dano Himmelrath)
heute stehen wir vor einer schwierigen Entscheidung, die uns allen nicht leichtfällt. Keiner von uns hat sich die Errichtung einer zentralen Unterkunft für Geflüchtete in Niederkassel gewünscht. Doch die aktuelle Situation erfordert, dass wir pragmatische Lösungen finden, um den Herausforderungen, die vor uns liegen, gerecht zu werden. Es ist eine Tatsache, dass Niederkassel auch in Zukunft weiterhin Geflüchtete zugewiesen bekommt. Das ist eine Situation, die wir auf kommunaler Ebene nicht ändern können. Die zentrale Frage, die wir uns daher stellen mussten, ist: **Wie** sollen wir diese Menschen unterbringen, und wer trägt die Kosten dafür? Ohne die Einrichtung des Landes müssten wir als Stadt selbst eine Unterkunft für bis zu 350 Menschen bauen, vielleicht sogar auf dem identischen Grundstück – und das wäre mit erheblichen Kosten verbunden. Erinnern wir uns daran, dass die Containeranlage Mobau in Ranzel für nur 100 Personen 2,6 Millionen Euro gekostet hat. Eine deutlich größere Unterbringungseinrichtung wäre finanziell kaum zu stemmen. Mit der Lösung, die wir heute beschließen, übernimmt das Land Nordrhein-Westfalen nicht nur die Baukosten, sondern auch den gesamten laufenden Betrieb. Dadurch bleiben uns potenzielle Ausgaben von rund 2,59 Millionen Euro pro Jahr erspart. Diese Summe müsste die Stadt anderweitig einsparen oder durchzusätzliche Einnahmen, etwa durch Steuererhöhungen, kompensieren, was erst recht niemand möchte. Ohne diese Entlastung wird unser städtischer Haushalt noch stärker unter Druck geraten.
Als größte Fraktion im Rat tragen wir eine besondere Verantwortung. Wir sind uns bewusst, dass unsere Entscheidungen eine weitreichende Wirkung haben und die Zukunft der Stadt beeinflussen. Diese Verantwortung nehmen wir ernst, und deshalb müssen wir auch unbequeme und schwierige Entscheidungen treffen.
Es ist unsere Pflicht, das Beste für Niederkassel und seine Bürgerinnen und Bürger zu tun, auch wenn diese Schritte nicht immer populär sind. Wir haben es uns nicht leicht gemacht, doch nach eingehender Abwägung aller Fakten sehen wir diese Entscheidung als notwendig an, um Niederkassel langfristig finanziell stabil zu halten. Es wäre fahrlässig, sich gegen diese Lösung zu stellen, nur um kurzfristig Sympathien zu gewinnen, wenn dies langfristig zu deutlich größeren finanziellen Belastungen führen würde.
Ein weiterer Punkt, der für diese Lösung spricht, ist die Entlastung unserer städtischen Infrastruktur. Die Kinder, die in der zentralen Unterkunft leben, werden nicht unsere städtischen Kitas und Schulen besuchen, sondern vor Ort betreut und beschult. Das nimmt den Druck von unseren bereits stark belasteten städtischen Einrichtungen und sorgt dafür, dass wir weiterhin ausreichende Kapazitäten für Niederkasseler Kinder haben.
Ein Thema, das uns allen ebenfalls ganz besonders wichtig ist, sind die Sicherheitsbedenken der Bürgerinnen und Bürger. Diese Sorgen nehmen wir sehr ernst. Deshalb haben wir von Anfang an darauf gedrängt, dass ein umfassendes Sicherheitskonzept entwickelt wird. Dieses Konzept, das in enger Abstimmung mit der Bezirksregierung erstellt wird, beinhaltet unter anderem eine verstärkte Präsenz von Sicherheitskräften und Sozialarbeitern, um sowohl die Bewohner der Unterkunft als auch die Anwohner zu schützen.
Blicken wir auf unsere bisherigen Erfahrungen: Der der sagt, die Entscheider haben nichts mit den Auswirkungen zu tun, dem kann ich sagen, dass im Umkreis von 300m meines Wohnortes in Ranzel derzeit ca. 250 Menschen untergebracht sind. Ich persönlich weiß also wovon ich spreche.
Weder an der Eifelstraße in Mondorf (in der Spitze mit 200 Menschen belegt) noch im ehemaligen Mobau in Ranzel, wo ebenfalls größere Gruppen von Geflüchteten untergebracht sind und waren, kam es zu sicherheitsrelevanten Vorfällen. Diese Erfahrungen zeigen, dass unsere Sicherheitskonzepte funktionieren und dass wir auch in Zukunft darauf vertrauen können.
Die Entscheidung, die wir heute treffen, mag schwierig sein, aber die Alternative wäre noch gravierender. Wenn wir uns gegen diese Lösung entscheiden, würden wir trotzdem Geflüchtete aufnehmen müssen – jedoch auf eigene Kosten.
Ich hätte mir, wie viele von Ihnen, gewünscht, dass Bund und Land in der Migrations- und Asylpolitik endlich konsequenter handeln. Doch die Entscheidungen auf höherer Ebene können wir nicht beeinflussen. Unsere Aufgabe als Kommunalpolitiker ist es, mit den Vorgaben der politisch Verantwortlichen aus Berlin und Düsseldorf umzugehen und sicherzustellen, dass wir die Interessen von Niederkassel so gut wie möglich vertreten.
Diese Entscheidung ist keine, die uns leichtfällt, sie mag schwierig und unpopulär sein, aber sie ist die richtige Entscheidung, um uns nicht vor noch größere Herausforderungen und noch größere Belastungen zu stellen. Als Mehrheitsfraktion stehen wir in der Verantwortung, solche Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen zu treffen und das werden wir heute tun.
Vielen Dank.
SPD (Friedrich Reusch)
Wir sind verpflichtet, Menschen, die aus ihrer Heimat wegen Krieg, Tod, Folter, Hunger, Dürre, Armut flüchten, unterzubringen und zu versorgen. Mit diesem Satz habe ich in Facebook den Grundsatz unseres Handelns beschrieben. Nicht nur Gesetze und internationale Konventionen, sondern auch unsere abendländische Kultur (das Christentum will ich gar nicht bemühen) fordern uns dazu auf.
Die Reaktion darauf war erschütternd. Wie auch die Texte in anderen Facebook-Accounts. Ich zitiere: „Ich kann nur jedem raten, sich jetzt die Namen zu merken von Leuten wie Matthias Großgarten und Edgar Engelhardt, um zu wissen, wen man persönlich zur Rechenschaft zieht, wenn die eigenen Kinder Opfer der Migrantenkriminalität wird.“ Ist eigentlich klar, was solche Drohungen in den Familien der so Bedrohten anrichten, bei deren Frauen, Kindern und Enkeln? Sind denn politisch Engagierte, egal ob hauptamtlich wie unser Bürgermeister oder ehrenamtlich wie ein Stadtrat, Freiwild für Leute, denen demokratisch zu treffende Entscheidungen nicht passen? Wer gibt diesen Leuten das Recht, solche Beleidigungen und Drohungen auszusprechen? Und das noch unter Pseudonym. Das zerstört den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, und damit auch unsere Demokratie!
Und dann wird dabei auch noch mit Falschaussagen gearbeitet: „Selbst laut offiziellen Zahlen haben wir durch die Migration aus Afrika und dem Nahen und mittleren Osten inzwischen über 30 Messerstraftaten und 2 Gruppenvergewaltigungen pro Tag.“
Seit über hundert Jahren sind ganze Kontinente durch koloniale Herrschaft, Ausbeutung, Korruption, Misswirtschaft daran gehindert worden, sich wirtschaftlich und kulturell zu entwickeln. Krieg, Tod, Folter, Hunger, Dürre, Armut führen dazu, dass z. Zt. hundert Mio. Menschen auf der Flucht sind. Ein kleiner Teil davon schafft es bis Europa und dort bevorzugt nach Deutschland. Kaum zu glauben, dass die verzweifelten Versuche der Regierungen in Brüssel, Berlin und sonst wo dem ein Ende setzen könnte.
In Niederkassel sind aktuell 600 Geflüchtete in städtischen Einrichtungen. Verteilt auf insg. aktuell 32 Standorte. Der MOBAU-Markt ist der größte.
Weitere Standorte zu schaffen, wird immer schwieriger. Turnhallen dürfen nur eine Notlösung sein. KITAs und Schulen kommen an ihre Grenzen der Belastbarkeit.
Und nun bietet sich die Gelegenheit, statt der Einrichtung weiterer dezentraler Standorte, deren Kosten zu Lasten der Stadt gehen, eine ‚Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE)‘ einzurichten, die voll in der Zuständigkeit, Verantwortung und Trägerschaft des Landes unterhalten wird. Es geht in dieser Frage nicht um das „OB“, sondern um das „WIE“: Übernimmt das die Stadt Niederkassel oder das Land NRW!
Der städtische Haushalt, die städtischen Schulen und KITAs sind hierdurch entlastet. Ich verweise auf die Antwort 42 in der von der Stadtverwaltung vorbildlich nachbereiteten Veranstaltung vom 18. September.
42. Was passiert, wenn die ZUE nicht kommt?
Die Stadt Niederkassel wird trotzdem weitere Flüchtlinge zugeteilt bekommen, die eine Unterkunft und entsprechende Versorgung benötigen. Es ist dann davon auszugehen, dass die Turnhalle in der Eifelstr. 1g weiterhin als Unterkunft dienen muss, bevor weitere Unterbringungskapazitäten in Form von z.B. Containeranlagen geschaffen werden. Außerdem werden zusätzliche Kosten auf die Stadt zukommen, die dann an vielen anderen wichtigen Stellen fehlen werden. Erhöhungen der Grund- und Gewerbesteuern für alle Bürger/-innen können nicht ausgeschlossen werden. Der Kollaps von Schulen und Kitas in Bezug auf die aufzunehmenden Kinder wird nicht mehr aufzuhalten sein. Das Problem des fehlenden Wohnraums wird bleiben.
Vertragliche Grundlagen sind geschaffen und das passende Grundstück ist ausgewählt - nach monatelangen Verhandlungen und Beratungen. Platz für 350 Personen soll geschaffen werden, eine Größenordnung wie der MOBAU-Markt.
Die Zusagen der zuständigen Bezirksregierung lassen eine Einrichtung erwarten, die - nach den Erfahrungen anderer Standorte -, die vorgebrachten Einwände, Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst nimmt und alles dafür tut, Missstände zu vermeiden.
Noch ein Zitat aus den sozialen Medien: „Wenn man in der Vergangenheit ordentlich gewirtschaftet hätte, wäre das Thema ZUE heute gar nicht erst auf dem Tisch.“ Hier irrt der Bürger. Den Kenntnisstand haben Rat und Verwaltung in monatelanger Befassung mit dem Thema gewonnen. Selbst wenn die Stadt nicht in der Haushaltssicherung wäre, müssten sich Verwaltung, Rat und Bevölkerung der Frage stellen: ZUE oder weitere städtische Notunterkünfte.
Und für uns ist eine Forderung selbstverständlich: ich zitiere: Mit so einem Engagement für die eigenen Bürger einsetzen bitte! Stichworte: Grundsteuer, Schwimmbad, Turnhallenkapazitäten für unsere Sportvereine!!! Ihr habt auch die Pflicht sich auch um die Sorgen, Nöte und Belange der Einwohner von Niederkassel zu kümmern!!!
Wir verbitten uns allerdings unsachliche, populistische Hetze. Sie ist absolut ungeeignet, dieses Engagement zu fördern.
Die SPD-Fraktion wird der Einrichtung einer ZUE zustimmen und die berechtigten und sachlich vorgetragenen Forderungen der Bevölkerung dabei keineswegs aus den Augen verlieren.
Bündnis90/Die GRÜNEN (Stephanie Mendl)
In der Sitzung des Rates am 13.3.2024 hatte die Fraktion der GRÜNEN als einzige gegen den Beschluss gestimmt, die Errichtung einer ZUE durch die Verwaltung weiter zu verfolgen. Hauptargument war, dass die Kinder in diesen Einrichtungen nicht in die Schule bzw. Tageseinrichtungen für Kinder gehen können und somit keine Integration stattfindet. In der Ratssitzung am 26.6.24 stimmte die Fraktion der Weiterverfolgung der ZUE-Idee mehrheitlich zu.
Wir werden auch heute mehrheitlich zustimmen - zur Auswahl des Grundstücks und zum Kooperationsvertrag.
Die Präambel des Kooperationsvertrages formuliert klar und deutlich: Landesregierung, Kommunen und Niederkassel wollen Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Verfolgung zu uns fliehen, Schutz gewähren. Dazu gehören, aus unserer Sicht, eine menschenwürdige Unterbringung, eine umfassende Gesundheitsversorgung, Zugang zu Bildung und Ausbildung und eine Kommunikation, die offen ist für Begegnung, Verständnis fördert und die sich hütet vor Pauschalisierungen, Vorurteilen, Diskriminierung und Hass.
Eine zentrale Unterbringungseinrichtung soll der Erstaufnahme dienen, wo die gesundheitliche Versorgung gewährleistet werden soll und Schutzsuchende registriert und erkennungsdienstlich überprüft werden. Diese Unterbringung kann – so haben wir es bei der Bürgerversammlung gehört - bis zu 24 Monaten betragen. In dieser Zeit sollen unter anderem Deutschunterricht, Integrationskurse, Sport- und Freizeitangebote, sowie Kinderbetreuung angeboten werden. Ein Umfeldmanager oder eine Umfeldmanagerin soll neben Konfliktklärungen auch dafür sorgen, dass ehrenamtliche Begegnungs- und Unterstützungsangebote von Einzelnen, Gruppen oder Organisationen Zugang haben. Wir denken dabei an InterKultur, an Initiativen der Bürger:innen oder auch an einzelne Bürger, wie an den Teilnehmer der Bürgerversammlung, der sagte, ich bin 70, war Deutschlehrer, habe Zeit, könnte mich mit Sprach-Unterricht einbringen, geht das?
Mit der ZUE wollen wir eine gut organisierte, konstruktive Hilfe, eine 'vorübergehende Heimat' für die Schutzsuchenden schaffen. Die ZUE ist ein Weg, um diese Hilfe mit möglichst geringer kommunaler Belastung zu schaffen.
Die Leistungen des Landes bzw. der Bezirksregierung und der Dienstleister werden in der „Leistungsbeschreibung Betreuung“ ausführlich beschrieben. Die Einhaltung ist uns wichtig. Darum schlagen wir vor, die Einhaltung und Berichterstattung über die Umsetzung der Leistungsbeschreibung auch in der heutigen Beschlussvorlage zur Errichtung der ZUE zu verankern.
Es ist uns auch wichtig, dass Verwaltung und Rat eine Beteiligung bei der Auswahl der Dienstleister haben, mindestens ein Vetorecht. Wir wollen keine Dienstleister, die nur deswegen ausgewählt werden, weil sie das billigste Angebot machen. In Berlin wurde z.B. vier Wochen lang der Tod eines Geflüchteten in einer Unterkunft nicht entdeckt. Auch diesen Aspekt möchten wir in der Beschlussvorlage ergänzen. Die Verwaltung hat mit der Bezirksregierung eine Bürger-Informationsveranstaltung durchgeführt. In den Unterlagen zur heutigen Ratssitzung sind die wichtigsten Sachverhalte dargestellt und die wichtigsten Dokumente beigefügt. Das ist eine gute, sachliche Informations-Basis.
Punkt 4 des Kooperationsvertrages haben wir kritisch gelesen. Wir vertrauen darauf, dass es kein „Knebelparagraph“ ist und die Stadt Niederkassel nicht dadurch gehindert wird, wahrheitsgemäß über die Entwicklung, über gute und negative Aspekte der ZUE Politik und Bürger:innen zu informieren. Auch diesen
Aspekt schlagen wir als Ergänzung zum Beschluss vor.
Was ist uns noch wichtig? Die gemeinsame Diskussion mit Verwaltung, Parteien, Vereinen, Schulen, Kirchen, Organisationen, Firmen, der Presse, dem Netzwerk Niederkassel für Demokratie und mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber, wie wir uns der Herausforderung gemeinsam stellen können, dass immer mehr Menschen
hier Zuflucht und Schutz suchen, ohne in pauschalisierende Verdächtigungen oder in ungerechtfertigte Vorurteile zu verfallen. Und ohne das individuelle Recht auf Asyl, auf Schutz vor Bedrohungen und auf menschenwürdige Behandlung in Frage zu stellen.
Zum Schluss: Nordrhein-Westfalen ist ein Einwanderungsland mit vielen jungen und alten Menschen, die eine Einwanderungsgeschichte haben. Die in Zechen, in Autofabriken gearbeitet haben. Die kleine oder größere Betriebe gegründet haben. Die Hochschulreife besitzen. Das hat NRW stark gemacht ! Diese Tradition, diese
Entwicklung wollen wir fortsetzen. Wir sind sicher, kein Mensch verlässt ohne Not sein Heimatland. In den Kriegsgebieten können die Menschen oft nur ihr Leben retten und die Kleidung mitnehmen, die sie am Leibe tragen. Möchten sie mit Ihnen tauschen?
Auch wenn die meisten Geflüchteten in der ZUE nur vorübergehend bei uns leben werden – wir, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niederkassel wünschen, dass die ZUE in Niederkassel ein Ort des Rückzugs, der Erholung, des Kraft Schöpfens, des Austauschs und der Begegnung wird.
FDP (Anette Wickel)
vorab, eine Bemerkung, die mir am Herzen liegt:
Wir entscheiden heute über die Unterbringung von Menschen - Menschen, die auf der Flucht sind. Auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und größter Not und bei uns Schutz suchen. Wir halten die geäußerten Ängste und Befürchtungen in Teilen der Bevölkerung gegenüber diesen Flüchtlingen für unbegründet.
Die FDP-Fraktion führt die Diskussion über die Errichtung einer ZUE sachlich und rational:
1. Das „Für und Wider“ der Deutschen Asylpolitik steht nicht zur Debatte.
2. Niederkassel war und ist zur Aufnahme von Flüchtlingen verpflichtet.
3. Niederkassel werden die Flüchtlinge nach einer Quote zugewiesen, ohne Einfluss der Stadt.
4. Ob künftig mehr oder weniger Flüchtlinge zu erwarten sind, lässt sich heute nicht verlässlich voraussagen.
5. Die vom Land erstatteten Kosten für die Flüchtlinge decken die kompletten Aufwände der Stadt nicht.
6. Uns entstehen nicht bezahlte kalkulatorische Kosten von rund 7.400 € pro Jahr und Flüchtling.
7. Durch die ZUE werden der Stadt 350 Flüchtlinge auf die Quote angerechnet.
8. Bei bis zu 350 Flüchtlingen in der ZUE könnte die Stadt künftig bis zu 2,59 Millionen € pro Jahr sparen.
9. Die gesamte Fürsorge für bis zu 350 Flüchtlinge werden von der Bezirksregierung übernommen.
Niederkassel befindet sich in der Haushaltssicherung. Sollten wir dem nicht zustimmen kommen ganz im Gegenteil noch weitere Kosten für die Unterbringung auf uns zu. Wir sind als Ratsmitglieder dem Wohl unserer Stadt und unseren Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet. Die aufgezählten Argumente lassen für uns nur eine Entscheidung zu: Wir stimmen für die Errichtung einer ZUE.
Redakteur/in:Patrick Beck aus Niederkassel |
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