Frech und skurril
Theaterverein zeigte „The Rheidter Horror Show“
Rheidt - Zu einem neuen Theaterstück der U30 lud der Theaterverein Rheidt:
Rasant, bizarr, frech und skurril: eine Inszenierung nach
Fan-Geschmack der Rocky Horror Show.
„Wo zum Teufel sind wir hier gelandet?“, fragte Odette beim
Anblick des Schlosses ihren Verlobten Ted. „Keine Ahnung, das ist
wahrscheinlich so ein Haus durchgeknallter Großstadtyuppies.“ Wie
sehr sich Ted hier täuschen sollte, erlebten die Zuschauer der
„Rheidter Horror Show“ in der Aula der Alfred-Delp-Realschule.
Durch eine Reifenpanne inmitten des Sauerlands geraten die
Frischverlobten Odette (Aline Kuhlemann) und Ted (Johannes Mies) in
das Horrorschloss einer exzentrischen „Masterin“ (Sandra Lis).
Statt der erhofften Gelegenheit zum Telefonieren, begegnet dem Paar
hier reichlich Unerwartetes: Die Schlossherrin, gekleidet in Mieder,
Strapse und mit Wuschelperücke, amüsiert sich mit schriller
Gefolgschaft. Sie lädt das Paar zu einer skurrilen Geburtstagsfeier
mit einer Attraktion der besonderen Art ein. Im Beisein der
Frischverlobten wird sie ihre neueste Erfindung, das künstliche
Geschöpf „Till“ (Martin Kuhlemann) zum Leben erwecken.
Ängstlich, aber alternativlos, lassen sich Odette und Ted hierauf
ein. Doch bereits in der ersten Nacht fordert die Masterin die
(rigiden) Wertvorstellungen des Paares heraus. Sie täuscht beide und
verführt sie nacheinander in ihren Gästezimmern. Zum Leidwesen der
Masterin wird auch Till, der muskelbepackte Retortenmann, eigens
erschaffen, um ihr in jeder Hinsicht dienlich zu sein, untreu. Als er
Odette im Labor des Schlosses näher kommt, schrillt der Alarm. Die
Ereignisse eskalieren. Odette landet im Schlund einer riesigen,
fleischfressenden Pflanze. Und so sehr sich Till auch bemüht, Odette
zu retten – auch ihn verschlingt die karnivore Pflanze, die
innerhalb dreier Akte von einem Pflänzchen zu einem hungrigen
Ungeheuer heranwächst. Neben dem „sprechenden Bild“ (Miriam
Linnartz), das sie Szenerie im Schloss kommentiert, eine missratene
Schöpfung der Masterin. Enttäuscht und traurig über ihre
schöpferischen Möglichkeiten und Tills Tod setzt die Hausherrin
ihrem Leben ein Ende. Ihr Nachfolger steht aber schon bereit: Zur
Überraschung der Zuschauer stülpt sich Ted am Ende ihre
Wuschelperücke über und plant, ihr Lebenswerk fortzuführen.
In Anlehnung an die Rocky Horror (Picture) Show inszenierte Regisseur
Johannes Stett das skurrile Theaterstück, das 1975 verfilmt und im
Laufe der Jahre Kultstatus erlangte. Viele Texte wurden für die
Theaterproduktion umgeschrieben, neue Ideen und selbstgetextete Lieder
von dem U30 Ensemble eingebracht. Laut, schrill und schräg – so
waren auch die Figuren in der Rheidter Inszenierung angelegt. Die
Bühne wurde von den Laienschauspielern der U30 gekonnt gestaltet und
mit Requisiten liebevoll ausgestattet. So konnte das Panoptikum
schräger Gestalten gemeinsam in den Abgrund verbotener Lüste
blicken, der die Liebenden allmählich verschlingt.
Im Bann der Masterin befand sich auch Regisseur Stett, der den
kauzigen Butler „Igor“ brilliant spielte. Igor klebt förmlich am
roten Mieder seiner animalisch-exzentrischen Schlossherrin,
herausragend verkörpert von Sandra Lis. Mit viel Mut, mit Haut und
Haar schlüpft sie in diese Rolle: Eine vergnügliche Erfahrung, sei
die Nacht mit den Frischverlobten gewesen. „Es ist doch nichts
dabei, sich zu vergnügen“. Mit laszivem Lächeln schaffte Lis es,
die Zuschauer binnen Sekunden um den Finger zu wickeln. Und wehe dem,
der sich den frivolen Ausschweifungen der Schlossherrin widersetzte.
Ted, gespielt von Johannes Mies, ist fast zu schnell Feuer und Flamme
für ein Leben im Dienst der Masterin und außerhalb
gesellschaftlicher Normen. Aline Kuhlemann als Odette dagegen scheint
länger im moralischen Zwiespalt zwischen Rollenerwartung und neuem,
ausschweifendem Leben zu verharren. Kuhlemann traf mit ihrer
Verkörperung der naiven und konserativen Odette genau ins Schwarze.
Immer wieder für Lacher sorgte das „sprechende Bild“, das Miriam
Linnartz gekonnt interpretierte und in Szene setzte. Mit hoher
Bühnenpräsenz und großer Spielfreude überzeugte Sally Pieck als
„Roberta“ und „Eisverkäuferin“. Franzi Königshorst
verkörperte die Assistentin der Masterin, die ihr jedem Wunsch
erfüllte bis zum gewählten Tod. Ruhe in die wilde Szenerie der
Rheider Horror Show brachten die Passagen des Erzählers, die Lenny
Markus Linnartz souverän präsentierte.
Insgesamt gelang es dem Ensemble des Theatervereins eine rasante und
mitreißende „Rheidter Horror Show“, die über die drei Akte nicht
an Geschwindigkeit oder Spannung verlor. Und wie bei jedem
Bühnenstück, so lief auch bei der „Horror Show“ ohne die
„unsichtbaren Geister“ im Hintergrund nichts. Es unterstützten
die Inszenierung unter anderem Silvia Impekoven (Souffleurin),
Michaela Specht-Pröfener (Kostüme), Carsten Salz und Mario Kreuzer
(Technik), Lena Stücke (Tänze), Günter Pieck (Tonstudio) und Simone
Gutsche-Nonnen mit dem Team für die Gastronomie.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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