2028 soll Baubeginn sein
Über 1 Milliarde für die Rheinspange
Acht Jahre Bauzeit, 1,145 Milliarden Euro, eine Trassenführung von knapp acht Kilometern Länge, davon drei Kilometer Tunnel, fünf Jahre Vorplanung, Baubeginn in fünf Jahren - das ist die „Rheinspange 553“ kurz und knapp erklärt.
Region. Noch weiß niemand, wie dieser Tunnel aussehen könnte, noch ist völlig unklar, ob die Autobahn GmbH, die nun anstatt der Brücke einen Tunnel unter den Rhein bei Wesseling-Urfeld und Niederkassel bauen will, mit Klagen überschüttet werden wird und ob der geplante Baubeginn sowie die immensen Kosten eingehalten werden können.
Vergangene Woche Mittwoch stellte Rüdiger Däumer – Projektleiter der Rheinspange 553 – der Presse das Ergebnis von über fünf Jahren Planung vor. Er fasste dabei anschaulich und strukturiert den Inhalt tausender Seiten an Gutachten, Studien, Untersuchungen und Plänen bei der mit Spannung erwarteten Pressekonferenz zur Wahl der Vorzugsvariante in der Außenstelle der Autobahn GmbH in Köln-Deutz zusammen.
Aus zwölf Trassenführungen, die jahrelang untersucht worden waren, hat man nun die Variante „6aT“ für die Verbindung der linksrheinischen Autobahn 555 zur auf der rechten Rheinseite gelegenen A59 ausgewählt.
Fast acht Kilometer lang - davon drei Kilometer als Tunnel - führt diese von der vorhandenen Anschlussstelle Wesseling unter dem Rhein nördlich von Wesseling Urfeld unter Deutschlands größtem Strom entlang, wo sie südlich von Niederkassel-Ort in Ranzel wieder an die Oberfläche kommt.
Von Ranzel aus geht es weiter zwischen Köln-Libur und Troisdorf-Spich, um am Liburer Weg an die A59 angebunden zu werden.
„Die Tunnelvariante vermeidet viele Konflikte mit Mensch und Natur. So hat sie weder schwerwiegende Eingriffe in Wohn- und Gewerbegebiete zur Folge, noch durchschneidet sie Fauna-Flora-Habitat- oder Wasserschutzgebiete“, sagte Däumer.
Die von vielen in Godorf geforderte Brückenvariante wurde verworfen, weil unter anderem neben dauerhaften sowie bauzeitlichen Eingriffen bei LyondellBasell und dem Godorfer Hafen es auch zur Konflikteinstufung 8 von 10 bei der Beherrschung der Gefahren von schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (Seveso-III Konflikte) komme – so kann man es auf der Internetseite rheinspange.nrw.de nachlesen.
Dazu kommen starke Auswirkungen auf die Menschen, Tiere, Pflanzen, Klima und Luft. Kurz und bündig: Die von vielen als beste Variante angesehene Lösung mit einer Brücke bei Köln-Godorf landete bei der Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) sogar auf dem letzten Platz.
Nun also ist es die Variante 6aT geworden – übrigens auf Rang 3 der UVS. Hier seien während der Bauzeit nur geringe Beeinträchtigungen auf den bestehenden Verkehr auf der A59 sowie der A555 zu erwarten, der Tunnel könne sogar ohne jegliche Verkehrsbeeinträchtigungen gebaut werden.
Außerdem würde es nur im Bereich Niederkassel zu einer bauzeitlichen Sicherung eines Grundstückes in Höhe Niederkassel kommen.
Überschneidung mit dem Shell-Bebauungsplan
Allerdings sieht das in Sachen Gewerbe schon anders aus, denn die Trasse überschneidet sich mit dem geplanten Erschließungsvorhaben des Energie Campus der Shell – aber hier seien Lösungen zur Realisierung der Trassenvariante zusammen mit dem Bebauungsplan möglich – so kann man es ebenfalls auf der Netzseite der Rheinspange nachlesen. Dazu kommt eine weit geringere Seveso-III-Konfliktstufe (4 von 10), keine Eingriffe ins „FFH“ (Flora-Fauna-Habitat, also den Lebensraum für Pflanzen und Tiere), auch sind keine Wasserschutzgebiete betroffen.
Wesseling verliert sein Autobahndreieck
Wenn die Anschlussstelle zur Rheinspange gebaut wird, verliert Wesseling seinAutobahndreieck, ein neues soll einige Kilometer weiter südlich in Höhe des Bornheimer Stadtteils Widdig gebaut werden. Das sei nötig, weil der Abstand zwischen dem vorhandenen sowie dem neuen Autobahndreieck zur Rheinspange zu gering sei, es gäbe nicht genügend Platz zum Auf- und Abfahren, so Kieback von der Autobahn GmbH auf Nachfrage.
Willi Kolks, Leiter der Außenstelle der Autobahn GmbH, betonte die Vorteile der Vorzugsvariante für die verkehrlich überlastete Region.
Bereits jetzt sei NRW Stauland Nummer eins in Deutschland. Gerade die Autobahnen rund um Köln würden zu den Stauschwerpunkten im Land zählen.
Kolks zufolge fahren täglich 136. 000 Autos über die Rodenkirchener Brücke (A4) und auf der Bonner Nordbrücke (A565) seien es 101 000 Autos pro Tag. Für die beiden Rheinbrücken bedeute der Bau des Tunnels 10.000 bis 15.000 Autos weniger am Tag.
Projektleiter Däumer: „Eine Verbreiterung der bestehenden Autobahnen wird keine Entlastung bringen. Die Bevölkerung in der Region wird zudem noch weiter wachsen. Spürbare Erleichterung schafft nur die neue Autobahn mit Rheinquerung.“
Diese führe nicht nur zu kürzeren Fahrzeiten, sondern auch zu geringeren Unfallzahlen und Einsparungen von Kraftstoff. „Dadurch würden 2.000 Tonnen CO2 eingespart.“
Wie geht es weiter?
Ab Anfang März informiert die Autobahn GmbH Rheinland im Rahmen einer Online-Infomesse auf der Projektwebsite die interessierte Öffentlichkeit ausführlich über die Vorzugsvariante und den fachlichen Abwägungsprozess.
Unter anderem können sich Interessierte anhand einer 3D-Visualisierung der Vorzugsvariante einen Eindruck vom aktuellen Planungsstand verschaffen. Ein virtueller Bürgerdialog bietet außerdem Donnerstag, 16. März, die Möglichkeit, offen gebliebene Fragen an die Autobahn GmbH zu richten.
Im Planungsprozess folgt nun das Verwaltungsverfahren zur Linienbestimmung durch das Fernstraßen-Bundesamt. Die Öffentlichkeit kann hierbei die Unterlagen zur Vorzugsvariante einsehen und Stellungnahmen abgeben.Nachdem die Linie bestimmt ist, wird die Vorzugsvariante im Zuge der Entwurfsplanung detailliert ausgearbeitet, wodurch es zu geringfügigen Abweichungen von der nun veröffentlichten Vorzugsvariante kommen kann. Nach Abschluss der anschließenden Genehmigungsplanung und Planfeststellung können Ausführungsplanung und Planfeststellung und Bau erfolgen. Ob das Megaprojekt Tunnel jemals realisiert werden kann ist ungewiss, alleine die Stadt Wesseling, die ebenso wie Niederkassel am meisten betroffen ist, hat sich rechtliche Schritte vorbehalten.
Aktuelle Informationen zum Projekt: www.rheinspange.nrw.de
Reaktionen zurVorzugsvariante
Stephan Vehreschild, Bürgermeister Niederkassel (CDU): „Wir sind sehr erleichtert, dass es zu einer Tunnellösung kommt. Die gewählte Trassenführung war auch der Favorit der Stadt. Sie ist die kürzeste und verbraucht die geringste Fläche.“
Markus Kitz, CDU Niederkassel: "Die CDU-Fraktion Niederkassel begrüßt die jüngst von der Autobahn GmbH vorgestellten Pläne für eine Tunnellösung der neuen Rheinspange zwischen Bonn und Köln und fordert gleichzeitig eine Troglösung für die oberirdischen Abschnitte der A553 zwischen Niederkassel und den Spicher Seen."
Friedrich Reusch, SPD Niederkassel: "Über eine Milliarde für ein umstrittenes Autobahn-Projekt und in Niederkassel fehlt das Geld für Bibliotheken, Musikschule, Schulneubauten und Hallenbad. Verkehrte Welt. Verkehrswende und Klimawende ist das nicht. Das ist den Bürgerinnen und Bürgern nicht zu vermitteln, so Friedrich Reusch, SPD-Fraktionsvorsitzender, auch wenn die Finanztöpfe nichts miteinander zu tun haben. Die Niederkasseler SPD-Fraktion bezieht jetzt deutlich Stellung gegen jeden Autobahnbau. Die Niederkasseler SPD-Ratsmitglieder fordern die Konzentration aller Kräfte und Mittel auf den Bau der Stadtbahn, die Sanierung und den Erhalt der Straßeninfrastruktur."
Sascha Essig, GRÜNE Niederkassel: "In Anbetracht der verkehrlichen Entwicklung, beschlossener Klimaschutzziele auf allen Ebenen und einer angestrebten Verkehrswende, ist ein solches Projekt völlig aus der Zeit gefallen. Wir Grünen in Niederkassel halten dieses Projekt nicht für zukunftsfähig und unterstreichen nochmals deutlich unseren Standpunkt: Nullvariante statt Tunnellösung."
Gerhard Renner, Vernetzung Niederkasseler und Kölner Bürgerinitiativen: "Das 'Milliardengrab' Rheinspange ist zwar (noch) nicht verhindert, aber durch die vorgenannten wichtigen Teilerfolge wurde immerhin erreicht, dass die schädlichen Auswirkungen auf Mensch, Natur und Umwelt so weit wie möglich minimiert wurden."
Andreas Baader und Erkan Zorlu, GRÜNE Troisdorf: "Rheinspange führt zum Verkehrsinfarkt in Troisdorf. Wir GRÜNEN fordern den Bund weiterhin auf, von der Querung Abstand zu nehmen und die veranschlagten 1,1 Mrd. Euro jetzt in den Ausbau der Verkehrsalternativen zu stecken"
FDP, Troisdorf: Die FDP-Fraktion Troisdorf begrüßt die Pläne der Autobahn-Gesellschaft des Bundes zur Verbindung von A555 und B59 sowohl hinsichtlich der vorgesehenen unterirdischen Querung des Rheins als auch bezüglich der geplanten Anbindung der neuen Autobahn an die A59 in Höhe der Verlängerung der Ranzeler Straße in Spich.
Birgit Simon, NABU Rhein-Sieg: "... Auf Höhe der Spicher Seen bindet die Rheinspange an die A59. Gerade dieser Bereich ist sehr ungünstig gewählt, da hier ein enormes Artenvorkommen besteht, z.B. Fledermäuse, Wasservögel, Amphibien. Grundsätzlich sind jedoch alle Varianten störanfällig, was die Umweltverträglichkeitsprüfung ergeben hat. Leider bleiben hier die Gemeinwohlaspekte auf der Strecke und die Industrie wird vorrangig bedacht..."
Dr. Uwe Vetterlein, Hauptgeschäftsführer IHK Köln: „Die Rheinspange ist für die erfolgreiche Zukunft unserer Wirtschaftsregion unabdingbar: Weniger Staus, weniger Umwege, weniger unnötige Emissionen. Nur mit dem Bau der Rheinspange kann die Infrastruktur mit den wachsenden Verkehrsströmen Schritt halten.“
Ralph Manzke, Bürgermeister Wesseling (SPD): „Es ist ein riesiger Einschnitt in den Ortsteil Urfeld. Zudem befindet sich auf Wesselinger Stadtteil dann keine Anschlussstelle der A555 mehr. Hier erwarten wir von der Autobahn GmbH bessere Lösungen für die Anbindung.“
Landrat Frank Rock (CDU): „Trotz aller Kritik freue ich mich, dass dem Bund durch den Druck der regionalen Akteure klar geworden ist, dass eine Brückenlösung schlichtweg nicht durchsetzbar wäre und die weitaus teurere Tunnellösung kommen muss. Das ist ein großer Gewinn für alle Beteiligten. Die Tunnellösung vermeidet größere Beeinträchtigungen in Rheinnähe.“
Elmar Gillet, Die Grünen Wesseling: „Die Entscheidung der Autobahn GmbH ist nicht mehr zeitgemäß. Die Verkehrswende wird so nicht gelingen. Statt neue Autobahnen zu bauen, muss die Sanierung der bestehenden Verkehrswege und insbesondere die Sanierung der Brücken oberste Priorität haben. Durch die Baumaßnahmen wird der Ortsteil Urfeld von den übrigen Wesselinger Stadtteilen räumlich abgetrennt und entwertet. Das führt zu einem herben Verlust an Lebensqualität.“
Manfred Rothermund, Ortsbürgermeister Urfeld (CDU): „Es ist nicht so schlimm wie es für Urfeld hätte kommen können. Eine Tunnellage ist halbwegs verträglich. Dennoch sind die geplanten Schallschutzmaßnahmen in dem Bereich nicht ausreichend.“
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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