Kunst statt Abriss
25 Litfaßsäulen aus Beton sollen mit Kunstmotiven plakatiert werden
Longerich - (rs) Eigentlich sollten einige Dutzend der etwa 200 alten
Litfaßsäulen aus bröckelndem Beton in Köln abgerissen werden. Zu
schade, hatte das Medienunternehmen Ströer, dass in Köln für die
Plakatierung an Litfaßsäulen zuständig ist, gemeint. Denn die
klassische Litfaßsäule habe als das älteste Werbemedium in
Deutschland auch nach über 160 Jahren nicht an Bedeutung verloren.
„Sie besitzt immer noch ihre ursprüngliche Funktion als zentrale
Anlaufstelle für öffentliche Bekanntmachungen wie Theater-, Opern-
und Kinoprogramme“, sagte Hermann Meyersick, Geschäftsführer
public affairs Deutschland der Ströer-Gruppe. Im Zusammenhang mit dem
25-jährigen Jubiläum der Kunsthochschule und dem 160-jährigen
Jubiläum der Litfaßsäule hatte das Unternehmen daher mit der Stadt
und der Kunsthochschule für Medien die Idee entwickelt, im Stadtraum
Litfaßsäulen als Träger für künstlerische Werke zu nutzen. An 25
Litfaßsäulen sollte wechselnde Plakatkunst von Künstlern und
Studenten der KHM präsentiert werden.
Doch auch wenn die Idee beim Kulturamt der Stadt auf fruchtbaren Boden
fiel und die Stadt bereit für einen Probelauf des Projektes war, der
Weg bis zur endgültigen Zusage war weit. Es habe formal-juristische
Probleme gegeben, sagte Hermann Meyersick. Im Klartext, weil Werbung
in Wohngebieten verboten ist, wollte die Stadt eine große Zahl der
Litfaßsäulen doch lieber abreißen. Damian Zimmermann,
Gesellschafter der Internationalen Photoszene Köln, startete darauf
eine Online-Petition zur Erhaltung der Litfaßsäulen. 1.200 an Kunst
im öffentlichen Raum interessierte Bürger haben sie schließlich
unterzeichnet.
Die Petition half, denn nach dem dreieinhalb Jahre dauernden Probelauf
ist jetzt beschlossen worden, dass es zumindest in den kommenden zehn
Jahren Kunst an Kölner Litfaßsäulen geben wird. Die ersten der 25
Säulen sind jetzt mit Kunstmotiven plakatiert worden und dienen als
öffentliche Ausstellungsflächen außerhalb eines Museums. Sie wurden
zum „Museum auf der Straße“. „Wir wollen mit dem Projekt auch
noch einmal das Bewusstsein für die ursprüngliche Litfaßsäule und
ihre Funktion in der Kulturwerbung schärfen“, betont Hermann
Meyersick, Geschäftsführer.
Eine der Litfaßsäulen, steht in Longerich am Kriegerplatz. Der
Fotokünstler Philipp Hamann hat dort eine Collage aus
Erinnerungstücken an seinen Großvater realisiert. Legebilder „Opa
1 & 2“ nennt er seine Arbeit, die er in Kooperation mit der
Kunsthochschule für Medien geschaffen hat. „Ich haben meinen
Großvater, einen Arzt, nie kennengelernt“, sagt er, „denn er
starb, bevor ich geboren wurde.“ Alles, was Philipp Hamann über
seinen Großvater weiß, hat er auf dem Speicher seines Elternhauses
gefunden, Fotos, Zeitungsausschnitte und Plakate. Mit seiner Arbeit
„opa 1 & 2“ hat er seinem Großvater, einem begeisterten Segler
und Hobbyfotografen, auch ein Denkmal gesetzt.
Ab dem 10. April können sich Künstler – bevorzugt werden Kölner
Kreative – für die Gestaltung einer Kunstsäule bewerben. Etwa alle
drei Monate sollen die Motive ausgetauscht werden.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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