Weidenpesch:
Gehbehinderte können ohne fremde Hilfe nicht alle Geschäft betreten
WEIDENPESCH - (rs). Liebend gerne würde sich Ursula Forner ihr Briefpapier in
einem altehrwürdigen Schreibwarengeschäft in Nippes besorgen. „Ich
komme da aber nicht rein“, sagt sie. Denn um das Geschäft betreten
zu können, müsste sie eine Stufe überwinden.
Und das schafft Ursula Forner nicht mehr, seit sie an Polyneuropathie,
einer Nervenschwäche, die ihr die Kraft in den Beinen geraubt hat,
erkrankt ist. Es gebe auch keine Haltegriffe im Eingang, an denen sie
sich mit den Armen die Stufe hochziehen könnte, sagt sie. Leider sei
das immer noch bei vielen Geschäften die Regel, sagt die Rentnerin.
Sie kann zahlreiche Beispiele in ihrem Wohnumfeld dafür nennen, dass
Barrierefreiheit nur ein Schlagwort ist. Viele Gaststätten und
Einzelhandelsgeschäfte hätten keine ebenerdigen Eingänge, sondern
Stufen. Bei einigen wenigen seien wenigstens Haltegriffe an den
Eingängen angebracht worden. Aber bei Geschäften, die sich in
älteren Häusern befinden, würde das meist abgelehnt. Das Amt für
Denkmal würde nicht gestatten, dass Veränderungen am Bauwerk wie
Haltegriffe in den Eingängen oder Schienen für Rollstuhlfahrer
angebracht werden, sei ihr gesagt worden.
In all diesen Geschäften werde selbstverständlich angeboten, ihr
beim Betreten zu helfen. „Aber das ist keine Lösung, ich möchte
doch nicht als Bittsteller dastehen“, sagt Ursula Forner. Sie
erwartet vielmehr, dass das Behindertengleichstellungsgesetz umgesetzt
wird. Darin wird aufgeführt, dass zum Beispiel bauliche Anlagen nur
dann als barrierefrei gelten, wenn sie für behinderte Menschen in der
allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und
grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich sind. Das Gesetz sei
geschaffen worden, um Menschen mit Einschränkungen die Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, sagt Ursula Forner. „Aber
daran hapert es in Deutschland doch noch immer noch an allen Ecken und
Kanten.“ Andere Länder, wie zum Beispiel Schweden, seien da viel
fortschrittlicher, sagt sie. Wo sie nicht ebenerdig sind, seien dort
an allen Eingängen Rampen oder Schienen eine
Selbstverständlichkeit.“
„Davon sind wir in Deutschland noch weit entfernt“, sagt sie. Als
sie einmal in einer Gaststätte gewesen sei und zur
Behindertentoilette gehen wollte, habe ihr ein Angestellter gesagt, er
könne leider den Schlüssel nicht finden. Kein Problem, habe sie
geantwortet, sie habe einen Euro-Schlüssel, mit dem man überall in
Europa Behinderten-Toiletten aufschließen kann. „Aber ausgerechnet
in der Flora passte der nicht.“ Erst nachdem sie an
Oberbürgermeisterin Henriette Reker einen Brief geschickt hatte, sei
das wohl behoben worden, sagt Ursula Forner.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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