Ohne Gewalt
HennaMond hat acht junge erwachsene Muslime zu Champs ausgebildet
Nippes - (rs) Es ist kein einfacher Weg, in Schulen zu gehen, dort mit
Schüler*innen aus dem Kultur- und Religionskreis der Muslime über
Gleichberechtigung und demokratische Werte zu sprechen und gegen die
unverändert massenhaft verbreitete Zwangsheirat und den
„Ehrenmord“ einzutreten. Doch gerade dafür setzt sich der Verein
HennaMond ein und bildet junge Erwachsene für diese schwierige
Aufgabe aus. Jetzt wurden wieder acht Jugendliche, die trotz aller
Covid-19-Hemmnisse mindestens einmal wöchentlich zu den Schulungen
mit Ausbilder Jaouad Hanin gekommen waren, im Bürgerzentrum Nippes in
einer Feierstunde mit prominenten Gästen zertifiziert. Eine
Besonderheit hatte die Zertifizierung: unter den acht Qualifizierten
waren erstmals sechs junge Frauen. „Bisher waren weibliche Champs
eher vereinzelt vorgekommen“, sagt Thomas Wintgen vom Vorstand des
vor 15 Jahren von Sonja Fatma Bläser gegründeten Vereins.
Mehr als 300 junge Menschen, überwiegend aus dem islamischen
Kulturkreis, darunter auch etwa 100 Männer, würden sich jedes Jahr
an die Beratungsstelle des Vereins in Longerich in der
Wilhelm-Sollmann-Straße wenden. „Wir helfen zunächst mit
Gesprächen mit den Jugendlichen und auch mit deren Eltern. Wenn aber
Todesdrohungen im Raum stehen, suchen wir eine sichere Unterkunft für
die Betroffenen“, sagt Thomans Wintgen.
Dass sich der Verein keine leichten Ziele gesetzt hat, zeigen aktuelle
Zahlen. 2019 seien 800 Mädchen aus Berlin mit Migrationshintergrund
nach den Sommerferien nicht mehr zurückgekommen, so Thomas Wintgen.
„Wahrscheinlich sind sie in ihren Herkunftsländern
zwangsverheiratet worden.“
Sonja Fatma Bläser, die für ihr Engagement auch mit dem
Bundesverdienstkreuz und dem Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage
ausgezeichnet wurde, kennt die Situation aus eigener Lebenserfahrung.
Auch sie sei einst gegen ihren Willen verheiratet worden, sagt sie.
Doch sie sei geflohen. „Solche Situationen werden jedoch in
Deutschland immer noch kaum wahrgenommen, vielen Menschen ist gar
nicht bewusst, dass es immer noch Zwangsehen gibt“, sagt sie. Sie
wünscht sich daher mehr Unterstützung von Seiten der Politik.
Die war bei der feierlichen Zertifizierung in Person der
Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert und des Bürgermeisters Andreas
Wolter zugegen. Letzterer versprach, dass die Stadt eine Stelle
„Menschenrechte“ einrichten werde, die sich um Belange wie
Zwangsehen, Ehrenmorde, Genitalverstümmelung und Diskriminierung
aufgrund sexueller Orientierung kümmern werde.
Aufgaben, die auch auf die frisch zertifizierten Champs zukommen, die
bereits am Tag darauf ihre ehrenamtliche Tätigkeit aufnehmen würden,
wie Jaouad Hanin versprach. Bei der Feier im Bürgerzentrum zeigten
sie erst einmal mit einem pantomimischen Theaterstück, worauf es
ihnen ankommt. „Wir Champs glauben daran, dass jede*r das Recht auf
ein Leben in Freiheit hat und ohne Angst vor Gewalt in einer
Demokratie leben sollte.“
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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