Bürgermeister und Bankräuber
Kinder organisierten eine städtische Gemeinschaft

Fünf Nippis für eine halbe Stunde Arbeit, da mochten die fleißigen Bürger aus Mini-Nippes nicht meckern, auch wenn sie einen Nippi Lohnsteuer zahlen mussten. | Foto: Schriefer
2Bilder
  • Fünf Nippis für eine halbe Stunde Arbeit, da mochten die fleißigen Bürger aus Mini-Nippes nicht meckern, auch wenn sie einen Nippi Lohnsteuer zahlen mussten.
  • Foto: Schriefer
  • hochgeladen von RAG - Redaktion

NIPPES - (rs) Joscha ist elf. Und schon Bürgermeister. Von Mini-Nippes,
einer Kinderstadt, die es nur zwei Wochen jedes Jahr gibt.

Er hat als Bürgermeister die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass in
Mini-Nippes mit seinen 160 Einwohnern alle Probleme gelöst werden.
Das macht er bei den täglichen Bürgerversammlungen. Joscha habe
seinen Job ganz souverän gemeistert, sagt Katrin Reher von der
gemeinnützigen Gesellschaft „ev-angel-isch“, die gemeinsam mit
der Evangelischen Kirchengemeinde Nippes die Ferienfreizeit
„Mini-Nippes“ organisiert. Joscha musste, um Bürgermeister zu
werden, eine Wahlkampfrede schreiben und halten. Weil er damit die
Bürger von Mini-Nippes überzeugte, wurde er gewählt.
In jeder der beiden Wochen bevölkern 160 Kinder zwischen neun und
zwölf Jahren, darunter 15 aus Flüchtlingsfamilien, die Kinderstadt
in der Lutherkirche. Morgens checken sie am sogenannten Infopoint ein,
erhalten ihren Bürgerausweis und können sich dann bei der
Arbeitsagentur eine der vielen Arbeitsstellen aussuchen, zum Beispiel
in der Bäckerei, beim Juwelier oder bei der Müllabfuhr. Sie können
sich auch bei der Polizei bewerben, bei der Zeitung, dem
„Mini-Nippes-Kurier“, arbeiten oder sich in der Bank um das liebe
Geld kümmern. „Jeder, der arbeitet, erhält einen Halbstundenlohn
von fünf Nippis“, sagt Stephan Osinsky vom Organisations-Team.
Allerdings müsse davon auch ein Nippi Lohnsteuer bezahlt werden. Wie
im Leben wird also denen, die etwas bekommen, auch in Mini-Nippes
sofort wieder etwas genommen.
„Ja, wir haben hier alles, was es auch draußen gibt, ehrliche,
fleißige Leute, kleine Gangster, die die Bank beklauen wollen,
Schwarzmarkthändler, Polizisten und einen Bürgermeister, der
Beschwerden annimmt, Streitigkeiten schlichtet und Diskussionen
leitet“, sagt Stephan Osinsky.
Joscha, der Bürgermeister von Mini-Nippes, hat noch mehr getan. Er
habe einen wichtigen Verbesserungsvorschlag durchgesetzt, sagt Katrin
Reher. „Beim Job-Center habe es immer einen großen Andrang
gegeben“, sagt sie. Wer Ellenbogen hatte, habe die besten Jobs
bekommen. „Das hat Joscha geändert. Er hat erreicht, dass die Jobs
jetzt verlost werden.“ Es habe in den vergangenen Jahren –
Mini-Nippes gibt es zum vierten Mal – auch Bürgermeister gegeben,
die die Steuer ausgesetzt haben, mit fatalen Folgen für das
Allgemeinwohl. Einer habe ein Konjunkturprogramm aufgelegt, und alle
Kinder konnten sich endlos Geld leihen. „Am Ende waren alle mehr
oder weniger pleite.“
Dass es dieses Mal einen so umsichtigen Bürgermeister gab, zauberte
auch ein bewunderndes Lächeln auf das Gesicht von Manfred Rekowski,
dem Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Er war gekommen, um
sich ein Bild von der Ferienfreizeit in der Lutherkirche zu machen und
war am Ende überzeugt, dass es in Mini-Nippes etwas gerechter zugeht
als draußen. Überzeugt von dem Konzept sind offenbar auch die Eltern
der Kinder. „Wir haben von Eltern gehört, dass ihre Kinder hier in
einer Woche mehr gelernt hätten als in vier Jahren Schule“, sagt
Katrin Reher. Kein Wunder, dass binnen zwei Tagen, nachdem Mini-Nippes
2017 im Dezember des vergangenen Jahres angekündigt wurde, die erste
Woche bereits ausgebucht war.

Fünf Nippis für eine halbe Stunde Arbeit, da mochten die fleißigen Bürger aus Mini-Nippes nicht meckern, auch wenn sie einen Nippi Lohnsteuer zahlen mussten. | Foto: Schriefer
Auch in Mini-Nippes haben die Banker allen Grund zu jubeln. | Foto: Schriefer
Redakteur/in:

RAG - Redaktion

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

27 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.