Das wahre Leben
Kooperation soll Jugendlichen Perspektiven bei der Berufswahl zeigen
Nippes - (rs) 16.000 Coffee-to-go-Becher müssen die Mitarbeiter der
Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) jeden Tag in Köln entsorgen. Einen
haben sie übersehen. Er rottet im Gebüsch an der Paul-Humbug-Straße
vor der Carl-von-Ossietzky-Gesamtschule vor sich hin. Gut möglich,
dass sich das bald ändert. Denn die AWB und die Schule werden unter
dem Dach der Initiative KURS (Kooperation Unternehmen der Region und
Schulen) Lernpartner. Das heißt, eigentlich lernen nur die Schüler
etwas. „Wir bilden die jüngeren Schüler zu Mülldetektiven aus“,
verspricht Anna-Katharina Hilgedieck, Ausbildungsleiterin der AWB. Da
lernen sie zum Beispiel, dass Müll auch riecht und zwar unangenehm.
„Wenn ihr zu mir an den Maarweg kommt, werdet ihr Müll nicht nur zu
sehen bekommen, sondern zu riechen.“ Wenn die Mülldetektive später
ausschwärmen, werden sie wohl auch den Coffee-to-go-Becher entdecken.
Außerdem können die Schüler sich bei den AWB umschauen, was es dort
an Ausbildungsberufen gibt. Natürlich den Mechatroniker, der früher
Automechaniker hieß und immer noch die „number one“ unter den
Ausbildungsberufen ist. „Wir bilden aber nicht nur in diesem Beruf
aus, sondern in 15 weiteren“, sagt Anna-Katharina Hilgedieck, „zum
Beispiel Industriekaufleute, Kraftfahrer, Fachinformatiker und
Speditionskaufleute.“
Das ist aber bei weitem nicht alles, was die Schüler von den AWB
lernen sollen. „Wir bringen euch auch sogenannte soft skills bei,
Freundlichkeit, Pünktlichkeit und Ehrlichkeit.“ Also ein ganz
schön dickes Paket, das die Kooperation den Schülern der Carl-von
Ossietzky Gesamtschule da schnürt. „Sicher“, sagt Ausbilderin
Didem Getz, „sie sollen bei uns ja auch das wahre Leben
kennenlernen.“ Im Kooperationsvertrag, den die Partner jetzt
unterzeichneten, liest sich das so: „Die Schülerinnen und Schüler
können dem Unternehmen bei der Arbeit über die Schulter schauen und
sich in der Praxis mit dem Unternehmen, den Ausbildungsberufen und den
damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Aspekten
auseinandersetzen“, heißt es da.
Als Gewinn für das Entsorgungsunternehmen soll bei der Kooperation
eine Fachkräfte-Sicherung herausspringen. „Wir erwarten, dass sich
bei den Schülern ein Verständnis für Wirtschaft herausbildet, sie
eine gewisse Ausbildungsreife erreichen und sich nach dem
Schulabschluss für einen Beruf in unserem Unternehmen
interessieren“, sagt Anna-Katharina Hilgedieck. Dazu gehöre auch,
bei Mädchen das Interesse für ehemals typische Männerberufe – zum
Beispiel den Mechatroniker – zu wecken.
Für Bettina Otte, die kommissarische Leiterin der
Carl-von-Ossietzky-Gesamtschule, ist die Kooperation mit den AWB ein
Glücksfall. „Wir bekommen dadurch das Know-how und die
Professionalität aus der Wirtschaftspraxis frei Haus.“ Die
Zusammenarbeit zwischen der Schule und dem städtischen
Entsorgungsunternehmen ist zunächst auf ein Jahr befristet. Eine
Verlängerung sei aber wahrscheinlich, sagt Anna-Katharina Hilgedieck.
Als Einstieg in die Kooperation hatten Schüler in einem Tanz
vorgestellt, wie sie sich die Zusammenarbeit mit den AWB vorstellen.
Ihre Performance beschränkte sich auf fegen, fegen, fegen.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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