Pflegeteam der Corona-Intensivstation
Beschimpfungen trotzen - Teamgeist macht stark
Region. Das Coronavirus ließ das Personal auf der Intensivstation im Kreiskrankenhaus Gummersbach kurz vor Weihnachten durchatmen. Die Fallzahlen sanken. Doch das Team weiß, dass die Omikron-Variante des Virus eine fünfte Infektionswelle auslösen wird.
Thomas Wolbert, Leiter der Intensivpflegekräfte, berichtet von den Spuren, die vier Infektionswellen bei ihm und seinem Team hinterlassen haben und wie sie sich auf die nächste Welle vorbereiten.
Herr Wolbert, Sie sind ein sehr erfahrener Intensivpfleger und Leiter des Pflegeteams. Wie geht es Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen jetzt, wo die vierte Welle abebbt und die fünfte Infektionswelle zu erwarten ist?Wir sind am Ende. Wir dachten nach den ersten beiden Wellen, wir hätten es geschafft. Je länger die Corona-Pandemie dauert, desto mehr steigen die physische und die psychische Belastung. Seit dem Frühsommer haben wir psychologische Betreuung.Warum benötigen Sie und Ihr Team psychologische Betreuung?Covid-19 ist komplett anders als alles, was wir kennen. Die Patienten glauben, sie kommen noch relativ fit zu uns, haben aber katastrophale Werte und verschlechtern sich innerhalb von 24 Stunden. Nach 24 Stunden auf der Intensivstation ist die Sauerstoffsättigung so schlecht, dass wir die Patienten beatmen müssen.
‚Passen Sie gut auf mich auf‘, sagen die Patienten oft zu mir, und ich weiß, dass es 50 bis 60 Prozent von ihnen nicht schaffen werden. Es ist schlimm mit anzusehen, dass wir uns an einem Tag noch mit dem Patienten unterhalten können und am nächsten Tag geht es dem Patienten so schlecht, dass wir wissen, er schafft es nicht.Was belastet Sie?Ich hätte nie gedacht, dass ich Leichensäcke auf meiner Station lagern muss. In den vergangenen 20 Monaten habe ich 120 Leichensäcke bestellt. So etwas belastet mich. Ich habe vor der Corona-Pandemie nie Leichensäcke bestellt. Wenn mal ein Patient an einer Infektion verstarb, dann war das so selten, dass ich nur einen einzelnen Leichensack beschafft habe. Uns belasten auch die Beschimpfungen und Bedrohungen von Corona-Leugnern. Es kommen Angehörige auf die Intensivstation, sehen ihr schwer krankes Familienmitglied und glauben trotzdem nicht an eine Infektion durch das Coronavirus. Wir haben das auch bei Patienten erlebt, die einfach nicht wahr haben wollten, dass sie an Covid-19 erkrankt sind.
In der dritten Welle hatten wir eine Phase, in der es besonders schlimm war. Alle sechs Covid-Patienten auf unserer Station waren Corona-Leugner. Die Patienten hätten durch eine Impfung ihr Leben retten können. Fast alle unsere Patienten sind nicht geimpft. Ganz wenige haben die erste Impfung. In dieser Situation hilft uns die psychologische Betreuung, in einem geschützten Rahmen unserem Frust und Ärger Luft zu machen.
Infektionskrankheiten sind nichts Neues, dennoch hat Covid 19 Ihre Aufgaben stark verändert. Ja, das stimmt. Zu Beginn der Pandemie hatten wir vor allem Angst, uns selbst anzustecken. Diese Angst ist durch die Impfung etwas geringer geworden. Dennoch bleibt für uns ein Restrisiko, uns trotz Impfung anzustecken. Durch Stress und Schlafmangel ist unser Immunsystem nicht immer auf der Höhe, und vor allem die lange Strecke macht uns zu schaffen.Wann rechnen Sie mit der fünften Welle? Wie bereiten Sie und Ihr Team sich vor?Im Januar werden die Fallzahlen wieder steigen. Vorbereiten können wir uns nur, indem ich versuche, das Team zusammenzuhalten. Bisher ist das zum Glück gelungen. Das funktioniert, wenn man sich gegenseitig zuhört.Ein Covid-Patient ist isoliert. Welche Rolle haben Pflegekräfte, die den intensivsten Kontakt zu diesen Patienten haben?Die wenigsten Patienten sind wach. Wir halten vor allem Kontakt zu den Angehörigen. Dafür haben wir inzwischen ein Tablet, um den Angehörigen zeigen zu können, was bei uns passiert. Wir beantworten viele Fragen.Was wünschen Sie sich?Es wäre schön, wenn die Menschen da draußen Vernunft und Einsicht für diese Erkrankung hätten, das würde uns viele Diskussionen über die Impfpflicht ersparen.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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