Die Nazis kamen nicht vom Mars
Vortrag beleuchtet die Anfänge des Dritten Reichs
Wiehl - (gh) Die Frage „Woher kamen all die Nazis“ beschäftigt auch heute
noch viele Menschen. Zumindest war das Forum der Volksbank Oberberg in
Wiehl bis auf den letzten Platz besetzt und Stühle mussten noch
herbei geholt werden, als Wolfgang Birkholz, Vorsitzender der
Oberbergischen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit,
den Gästen die Referenten des Abends vorstellte.
Die Gesellschaft hatte Volker Kutscher und Dr. Werner Jung dazu
gewinnen können, das Milieu Deutschlands der 20er und 30er Jahre zu
beleuchtern, in dem die Nazis zur Macht kommen konnten. Ihr
gemeinsamer Tenor lautete: „Sie kamen nicht vom Mars, sondern aus
dem Volk.“
Volker Kutscher
Volker Kutscher, 1962 in Lindlar geboren, wuchs in Wipperfürth auf
und machte sich nach Studium der Germanistik, Philosophie und
Geschichte einen Namen als Tageszeitungsredakteur. Heute lebt er als
freier Autor in Köln und schreibt Kriminalromane, die ein breites
Publikum fesseln.
Dr. Werner Jung
Dr. Werner Jung erblickte 1954 in Köln das Licht der Welt, studierte
ebenfalls Geschichte und darüber hinaus Germanistik und Psychologie.
Er ist seit 1986 als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim
NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln tätig, dessen Leitung er
schließlich 2002 übernahm.
Gesellschaftlicher Umbruch
In einem spannenden, auf sachlich fundierter Basis geführten Dialog
stellten sich die beiden dem Thema, das über viele Jahre von
Schweigen umhüllt war. So nannten sie die 20er und 30er Jahre als
eine Epoche des gesellschaftlichen Umbruchs und Wolfgang Birkholz
hielt fest: „1933 ist nicht über uns gekommen, sondern
aufgeblüht“.
Gerade der Reichstagsbrand im Februar 1933 war die willkommene Chance
für Hitler und seine Schergen, die Macht Schritt für Schritt an sich
zu reißen. „Er wurde das Grundgesetz des Nationalsozialismus und
damit des Dritten Reiches“, so Dr. Werner Jung. Ein Geschenk des
Himmels für die Nazis und ihren frisch gekürten Reichskanzler
Hitler. Die Demokratie gehörte ab sofort der Vergangenheit an.
„Richtige Leute am richtigen Platz, hätten es verhindern
können“, so die Auffassung beider Geschichtsexperten. Aber die
Propagandamaschine war angesprungen und vereinnahmte bald das Volk,
egal, welcher sozialen Couleur.
„Die Menschen lebten in ihrer Gegenwart und es gab für sie nun
einmal keinen Blick aus der Zukunft auf das Geschehen.“
Dem sogenannten Mann von der Straße präsentierte sich mit der NSDAP
eine junge, dynamische Partei mit Visionen, die eine „bessere Welt
bauen wollte“. Das national denkende Milieu hat so auch die
Machtergreifung beflügelt, waren sich die Referenten einig.
Der braune Terrorapparat sprang an
Die Vorstellung, Hitler und seine Schergen schon bald verdrängen zu
können, stellte sich rasch als fataler Irrglaube heraus. Der braune
Terrorapparat sprang an. Schalthebel der Macht wurden umgelegt. Die
Politik stand dem machtlos gegenüber. Das gesamte Staatsgefüge wurde
vereinnahmt und war bald Handlanger der Nazis.
Dabei war es großen Teilen der Bürgern wichtig, dass nach den
Ereignissen der vergangenen Jahre, Ruhe und Ordnung im Land herrscht,
Arbeitsplätze geschaffen wurden und ein Auskommen möglich war.
Gerade die bis 40-Jährigen hatten bald das NSDAP-Parteibuch. Beamte
saßen in den Führungsgremien der NSDAP.
Alles andersdenkende wurde schikaniert, verfolgt, eingesperrt, mundtot
gemacht, ermordet.
SS und SA wurden zu Hilfskräften der Polizeibehörden, auch im
Rheinland. Ein Vernichtungsfeldzug begann und machte an Deutschen
Grenzen keinen Halt.
„Die Nazis agierten nach dem Motto Zuckerbrot und Peitsche“, so
Volker Kutscher und Dr. Werner Jung. Alle, die nicht im Gleichschritt
der Parteilinie folgten, erwartete ein böses Schicksal.
„So hat ein wesentlicher Teil der Bevölkerung mitgetan,
geschwiegen, hingenommen“, waren sich die Vortragenden aufgrund
ihrer jahrelangen akribischen Recherchen sicher.
Die diabolische Fratze wollte nicht gesehen werden. Sie wurde
verdrängt. Der Alptraum begann, nahm seinen unglückseligen Lauf und
fand Millionen von Opfern.
„Daher sollten wir auch heute wissen, dass die Demokratie, die uns
nach dem Krieg geschenkt wurde, nicht in Stein gemeißelt ist. Wir
müssen sie dankbar hüten und pflegen“, so das Schlusswort von
Volker Kutscher und Dr. Werner Jung.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.