Am Ende bleibt nur noch die Erinnerung
MGV Quettingen übergibt Nachlass an Stadtarchiv

Den Nachlass des Männergesangvereins Quettingen haben Gabriele John (links) und Reinhold Braun (rechts) unter sich aufgeteilt. Siegfried Russer (2. von links), Roland Blume (Mitte) und Hans Müller übergaben Fahnen und Noten in der Opladener Villa Römer. | Foto: Gabi Knops-Feiler
  • Den Nachlass des Männergesangvereins Quettingen haben Gabriele John (links) und Reinhold Braun (rechts) unter sich aufgeteilt. Siegfried Russer (2. von links), Roland Blume (Mitte) und Hans Müller übergaben Fahnen und Noten in der Opladener Villa Römer.
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Opladen - Die Männer haben es geschafft. Zum 100-jährigen Vereinsbestehen
konnten sie noch einmal die Bühne betreten. Es war zwar nur ein
kurzer Auftritt im Bayer-Kasino und im Rahmen der jährlichen Ehrungen
des Sängerkreises Rhein-Wupper/Leverkusen. Aber immerhin.

Außerdem hatten sich die letzten 14 Akteure des Männergesangvereins
Quettingen ausgiebig und intensiv auf diesen Tag vorbereitet, um
gemeinsam mit Chorleiter Peter Türschmann gut da stehen zu können.
Das war im Jahr 2014. Seither ging es nur noch bergab. Sowohl, was die
einst stattliche Gemeinschaft anbelangte als auch die Qualität der
einzelnen Stimmen.

Da war es höchste Zeit, die Reißleine zu ziehen. Und genau das
geschah im letzten Dezember. Nach einem kleinen Auftritt mit nur noch
sechs Beteiligten, sahen die Männer ein, dass sie nie wieder
singfähig sein würden. Alles, was noch übrig bleibt, sind
Erinnerungen. Und die sind ab sofort im Stadtarchiv und bei der
Stadtgeschichtlichen Vereinigung gelagert. Vor kurzem war Übergabe.
Fotos und Dokumente behält das Stadtarchiv unter der Nummer 3070,
während sich die Stadtgeschichtliche Vereinigung für Dinge wie
Fahnen oder Noten entschieden hat.

Es war am 7. Februar 1914, als 24 Männer in der damals noch
existierenden Gaststätte Gronenborn (später Breidohr) beschlossen,
einen Männerchor ins Leben zu rufen, um der „schönsten Nebensache
der Welt, dem Gesang“, zu frönen. Die besten Zeiten erlebten die
Sänger nach dem Weltkrieg. „In schlechten Zeiten hatten wir den
größten Zustrom“, berichtete Vorsitzender Roland Blume. Damals
zählte der Chor rund 90 Mitwirkende. Wie wichtig manchem unter ihnen
sein Chor war, zeigte sich auch darin, dass sich ein ehemaliges
Mitglied sogar in der offiziellen Chorkleidung beerdigen ließ.

Leicht fiel die Entscheidung für das endgültige Ende insgesamt also
nicht. „Es gab keinen anderen Weg“, betonte Blume, „obwohl wir
alles versucht haben“.

Seit 2005 sei die Fluktuation nicht mehr zu übersehen gewesen. Der
hohe Altersdurchschnitt – Blume war mit 58 Jahren der Jüngste –
und der ausbleibende Nachwuchs habe die Entwicklung weiter
beschleunigt. Viele waren zu krank, um gute Qualität abzuliefern.
„Auch die Stimme leidet im Alter“, sagt Siegfried Russer (79),
Sänger und ehemaliger Schriftführer, der dem Chor zuletzt einige
Jahre gemeinsam mit Ehefrau Gisela angehörte. Selbst die Öffnung
für Frauen konnte den Auflösungsprozess nicht stoppen. „Als die
ersten Frauen kamen“, so Russer, „reagierten einige Sänger so
ablehnend, dass sie über Wochen von den Proben wegblieben“.

Mit der gesamten Entwicklung steht der Quettinger Männergesangverein
nicht alleine da. Ein Trost, nicht der erste und nicht der letzte
Männerchor zu sein, der wegen Nachwuchsmangel aufgeben muss, ist es
dennoch nicht. „Das Chorsterben hat in den letzten Jahren zugenommen
und macht sich nun auch im Archiv bemerkbar“, erklärt Gabriele
John, Leiterin des Stadtarchivs. Reinhold Braun von der
Stadtgeschichtlichen Vereinigung bedauert: „Mit dem Sterben der
Vereine geht die Kultur und wertvolles Liedgut verloren.“
Projektchöre würden zum schnellen Niedergang noch beitragen, findet
Hans Müller (80), zuletzt stellvertretender Vorsitzender.

Welchen Tipp hat Blume nun für Chöre in ähnlicher Situation?
„Chöre müssen mit der Zeit gehen. Es ist zwar schade für die
Tradition. Aber junge Leute wollen moderne Lieder singen.“ Um der
alten Zeiten willen haben sich die Männer zuletzt noch etwa viermal
pro Jahr privat getroffen. Dass soll auch in Zukunft so bleiben.
Blume: „Das Singen ist die eine Sache, die Gemeinschaft die
andere.“ Genau diese wird den Männern in Zukunft fehlen, aber
besonders dienstags von 18 bis 20 Uhr, wenn normalerweise immer
geprobt wurde.

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