„Ist der Erwin noch da?“
Nach 39 Jahren als Betreuer geht Erwin Klapper in Rente
Leverkusen. „Das wird schlimm für mich, wenn Erwin geht“, sagt
Udo Vogelfänger direkt als Erstes. Er leitet das Jugendwohnen St.
Engelbert in Leverkusen und arbeitet seit 20 Jahren mit Erwin Klapper
zusammen. „Mit ihm geht ein Stück Geschichte hier aus dem Haus.“
St. Engelbert ist ein Jugendwohnheim, das von der Katholischen
Jugendagentur Leverkusen Rhein-Berg Oberberg betrieben wird. Es
beherbergt 68 Kinder und Jugendliche zwischen 16 und 27 Jahren und
existiert seit 1955. Damals noch unter dem Namen „Heimstatt St.
Engelbert“.
Schon lange ist Erwin Klapper für die älteren Jugendlichen im Haus
zuständig. Er bereitet sie auf die Selbstständigkeit vor und hilft
ihnen, Fuß im Arbeitsleben zu fassen. Etwa 1.000 Jugendliche hat er
in seiner Zeit hier betreut. Das ist eine Lebensleistung, die
nachwirkt.
„Wenn ich heute durch Leverkusen gehe, werde ich oft angesprochen
von Ehemaligen“, erzählt Erwin Klapper, der sich über diese
Begegnungen immer freut. „Manchmal muss ich nach dem Namen fragen,
um mich richtig zu erinnern. Aber es ist immer toll, wenn sie mir
sagen, dass sie ihre Zeit hier in guter Erinnerung haben.“
Viele von ihnen sind in der Gegend geblieben und haben jetzt eigene
Geschäfte oder Boutiquen. Etliche sind Handwerker geworden. Es ist
schon passiert, dass ein gestandener Installateur um die 50 die
Heizung in St. Engelbert repariert und beim Einpacken fragt: „Ist
der Erwin noch da? Ich hab‘ hier mal gewohnt.“ Ein anderer
ehemaliger Bewohner ist Filialleiter eines Supermarktes geworden und
schenkt dem Haus öfters eine Ladung Schokolade für die Bewohner.
„Es gibt auch ein paar sehr nette Döner-Läden-Besitzer hier in
Leverkusen, die ich schon kannte, als sie noch Teenies waren. Die
wollen mich nie ohne einen kostenlosen Döner durch die Stadt gehen
lassen“, schmunzelt Erwin Klapper.
Auch andere Menschen in Leverkusen sind wichtig. Ein richtiges
Netzwerk, in dem Erwin Klapper sich seit knapp 40 Jahren bewegt:
Lehrer, mit denen er sich über seine Jugendlichen austauscht.
Mitarbeiter des Jugendamtes und Streetworker, die fast zu Kollegen
geworden sind. Chefs von Unternehmen, die Jugendliche aus St.
Engelbert als Azubis oder Praktikanten aufnehmen. „An dem Sprichwort
‚man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen‘ ist
definitiv was dran“, erklärt Erwin Klapper.
Die Arbeit hat ihn geprägt. Er weiß schnell, wen er vor sich hat und
reagiert auch prompt. Immer wieder hat er neue Kinder und Jugendliche
im Haus aufgenommen – und unter seine Fittiche. Und er verabschiedet
sie auch wieder. „Wir hatten Leute hier, die wollten wir nie wieder
gehen lassen. Aber auch die sind gegangen. Und dann sind wieder neue
Jugendliche gekommen, und mit denen startest du auch wieder voll
durch. Bekommst neue Impulse“, so beschreibt Udo Vogelfänger das
Leben als Pädagoge im Jugendwohnen. Das Ergebnis ist eine große
innere Anpassungsfähigkeit und Beweglichkeit. Die spürt man auch
bei Erwin Klapper sofort.
Nicht immer läuft alles glatt. Nicht alle Jugendlichen können in
eine gute Zukunft entlassen werden. Das ist bitter und ein echter
Stachel im Herz. Es gibt Konflikte und zugespitzte Situationen, die
ihn noch lange nachher geschmerzt haben. Trotzdem sieht Erwin Klapper
seine Zeit in St. Engelbert so: „Ich habe den tollsten Job der Welt.
Ich verabschiede Menschen ins Leben. Ich bin dann Teil ihrer
Geschichte.“ Ganz zum Schluss lüftet er sein Geheimnis. „Wenn man
sich wirklich drauf einlässt, auf die Jugendlichen, dann denkt man
anders, bleibt offener. Das hält jung.“
„Ist der Erwin noch da?“ - Ab März 2021 muss diese Frage mit:
„Nein, der ist jetzt leider in Pension“, beantwortet werden. Wer
Kontakt mit ihm aufnehmen möchte, kann das aber trotzdem noch tun.
Alle Mails für Erwin Klapper an die Mailadresse
info@jugendwohnen.kjw-lev.de werden an ihn weitergeleitet.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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