Mehr als 40 Häuser von Rekordgrundwasser betroffen
Lind unter
Was ist da los in Lind? Bei mehr als 40 Häusern sind die Keller voller Wasser gelaufen. Auf Hilfe von der Stadt oder dem Land NRW können die Besitzer aber wohl nicht bauen.
Lind. Filiz Eich atmet tief durch. „Ich bin nervlich und körperlich am Ende“, sagt sie. Der Grund dafür findet sich im Keller der Familie. Dort stehen mehrere große Pumpen. Deren Schläuche sind in den Boden eingelassen. Dafür wurden extra Löcher in die Fliesen gebohrt. Sie sollen das Wasser aufsaugen, unentwegt, jeden Tag. 1000 Euro Miete kosten die Geräte im Monat. Der Stromverbrauch eines einzelnen Gerätes beziffert sich auf rund 16 Euro pro Tag. Die Stimmung in der Familie ist auch nicht gerade rosig. Denn zwei Teenager bewohnen eigentlich den Keller. Als Familie Eich sich das Haus an der Straße Viehtrift vor vier Jahren gekauft hat, haben sie sich das anders vorgestellt.
Dagmar und Benno Widera wohnen hingegen schon seit 23 Jahren in dieser Straße. So etwas wie in diesem Jahr haben sie aber noch nie erlebt. Denn nicht nur Familie Eich hat Wasser im Keller, auch die Wideras sowie rund 40 andere Häuser rund um das Naturschutzgebiet „Linder Bruch“. Bei vielen sind die Keller leergeräumt. Bei einer älteren Dame musste sogar die Sauna herausgerissen werden. „Ich hätte heulen können“, sagt die Besitzerin.
Einen solchen Anstieg hat es noch nie gegeben
Das Prekäre: Die Ursache für das Wasser im Keller sind offenbar nicht plötzlicher Starkregen, defekte Rohre und Leitungen oder verstopfte Entwässerungskanäle. „Grund für die ‚nassen Keller‘ in Lind ist der seit August 2023 deutlich gestiegene Grundwasserspiegel“, teilt eine Stadtsprecherin mit. Dieser habe dazu geführt, dass bei Erreichen der Kellersohle Grundwasser in die Gebäude eindrang. „Aufgrund der Niederschlagsmengen der vergangenen zehn Monate ist die Grundwasserneubildung deutlich angestiegen und hat einen bislang noch nie dokumentierten Grundwasserspiegelanstieg verursacht. Historisch handelt es sich momentan um die höchsten jemals im Bereich des Linder Bruchs gemessenen Grundwassermessstände. Dies bestätigen alle langjährigen Aufzeichnungen.“
Die Anwohner haben sich aufgrund der Lage zu Gemeinschaften zusammengeschlossen, den Bürgerverein ins Boot geholt und sich an die Politik gewandt. Gemeinsam wollen sie auf das Problem aufmerksam machen. Sie alle hoffen auf Hilfe, von der Stadt fühlen sie sich allein gelassen. Eine Infoveranstaltung im Porzer Rathaus habe nichts gebracht. Dort sei nur darüber referiert worden, wie man Häuser durch bauliche Maßnahmen schützen könne. Familie Eich hat bereits zwölf Firmen im Haus gehabt und sich Angebote eingeholt. Rund 50 000 Euro stehen da zu Buche. Und dann ist alles gut? „Nein, eine Garantie, konnte und wollte keine der Firmen geben“, sagt Eich.
Dagmar und Benno Widera haben sich mit dem Thema Wasser schon vor dem Bau des Hauses vor 24 Jahren beschäftigt. Zwar habe die Architektin gesagt, dass das nicht nötig sei, dennoch hatten die Wideras Maßnahmen ergriffen. „Doch wenn das Wasser einen Meter hoch vor der Wand steht, sucht es sich seinen Weg“, sagt er.
Was sie alle eint: Das Problem gibt es nicht erst seit gestern, sondern schon seit Mai. „Die ersten hatten sogar schon zu Ostern Wasser im Keller“, sagt Widera. Ihn und seine Frau nimmt die Sache mittlerweile richtig mit. „Man verlässt ungern das Haus.“ Zu groß ist die Sorge, dass eine der Pumpen im Keller ausfallen könnte und wieder alles voller Wasser steht. Für Widera ist auch nicht das Grundwasser das Problem. „Das befindet sich in neun Metern Tiefe unter einer Tonschicht.“ Vielmehr sei das Flächenwasser das Problem, das sich über der Tonschicht befindet. Das käme aus dem Bergischen sowie aus der Wahner Heide und staue sich in Lind in einer Senke. Über die Gräben im Naturschutzgebiet Linder Bruch fließe das Wasser nicht richtig ab. „Früher hatten wir hier klares Wasser, mittlerweile ist es eine stinkende Brühe. Es riecht wie im Klärwerk“, sagt Widera. Seiner Meinung nach müssten die Gräben ausgebaggert werden.
Auf Nachfrage bei der Stadt heißt es, dass der Einlauf des Ostgrabens in den Sandfang an der Grenze zum Wohngebiet regelmäßig von den SteB gepflegt werde und einwandfrei funktioniere. Bei einer Begehung am Anfang Juni „konnten keine Unregelmäßigkeiten oder ungewöhnliche Schaumbildung beobachtet werden“. Ebenso sei damals keine Verfärbung des Wassers oder ein ungewöhnlicher Geruch wahrgenommen worden. Auch würden die Hochstände in der Wohnbebauung nicht durch den südlich angrenzenden geschützten Landschaftsteil - Asselbach, Senkels- und Ostgraben - verursacht. „Das aktuelle nasse Erscheinungsbild des Bruchgebietes ist ebenfalls eine Ursache der lang andauernden Niederschlagsserie der letzten Monate sowie des Anstiegs des Grundwasserspiegels“, so die Stadtsprecherin.
Und die hat schlechte Nachrichten für die Anwohner: Die Fachleute der Stadt, der Stadtentwässerungsbetriebe und der RheinEnergie seien sich einig, dass für die Ermittlung von Lösungsvorschlägen zunächst eine systematische Bestandsaufnahme aller notwendigen Informationen erfolgen muss. Damit sind Kataster-, Boden- und Grundwasserdaten gemeint. Eine schnelle Lösung könne es aber nicht geben.
Schäden werden von den Besitzern selbst minimiert
Die Betroffenen werden derzeit nur durch Eigenmaßnahmen die Schäden minimieren können. Das Innenministerium NRW hat zwar erst im Februar 2024 eine Soforthilferichtlinie zur finanziellen Unterstützung von Betroffenen von Naturkatastrophen erlassen. Grundhochwasser wird allerdings nicht als Naturkatastrophe anerkannt. Das Land sei aber von der Stadt Köln angeschrieben worden: „Es wurde angeregt, dass Grundhochwasser als Folge von extremen Niederschlagsereignissen von der Soforthilferichtlinie miterfasst wird“, so die Stadtsprecherin.
Das alles hilft Familie Eich, Dagmar und Benno Widera sowie den anderen Betroffenen derzeit allerdings wenig. Für sie heißt es, weiter die Nerven zu behalten und die Pumpen im Keller zu laufen lassen. (pep.)
Redakteur/in:EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln |
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