Ein Jahr nach dem Tornado
Poll, wie geht es dir?

Der sogenannte Traktorspielplatz am Hubertusweg am Tag nach dem Sturm. | Foto: Büge
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Wer am Morgen des 22. Dezember 2023 durch Poll ging, der traute seinen Augen kaum: Es wimmelte nur so von entwurzelten Bäumen, abgedeckten Dächern und zerstörten Autos. Denn am Abend zuvor war aus dem Sturmtief Zoltan ein Tornado entstanden, der das Veedel enorm verwüstete. Jetzt, ein Jahr danach, sind die Spuren noch immer sichtbar, tagtäglich.

von Alexander Büge

Poll. Besonders deutlich wurde die Gewalt des Tornados bis vor Kurzem am Künstlerstandort Quartier am Hafen, am Poller Kirchweg. Dort hatte der Sturm Großteile des Dachs und sogar ein seitliches Teilstück einer Außenwand weggerissen. Die Folge: Zahlreiche Künstler verloren ihre Werke, einige Ateliers sind bis heute nicht nutzbar. „Ich weiß, dass ich ziemliches Glück hatte“, erinnert sich Ben Hammer, der sich an diesem Abend in einem dieser Ateliers befand. „Die Stahlträger der Dachkonstruktion brummten und die Oberlichter ächzten unter den Windböen.“ Dennoch entschied sich Hammer anschließend, einen Blick in den Flur der dritten Etage zu werfen. „Ich öffnete die Studio-Tür und spürte bereits den Wind durch den Flur ziehen. Die Feuermelder kreischten, Staub fiel von der Decke und am Ende des Flurs konnte ich schon Dämmung und kleine Trümmer auf dem Boden erkennen.“ Anschließend war Hammer klar: Er muss das Haus verlassen, sofort.

Wenig später ließ die Feuerwehr das Haus absperren, da sie den kompletten Einsturz des Gebäudes nicht ausschließen konnte. Zwar bewahrheitete sich diese Befürchtung nicht, doch das Dach des Hauses konnte bis heute nicht vollständig repariert werden. Vielmehr wurde Anfang Dezember nahezu das gesamte Gebäude mit einem provisorischen Metalldach überdeckt, um weitere witterungsbedingte Schäden am Haus zu minimieren und die Sanierung des Gebäudes schnellstmöglich abschließen zu können.

Doch nicht nur am Poller Kirchweg sind die Spuren des Tornados weiterhin sichtbar. Auch entlang der Müllergasse zeigen sich die Folgen der Verwüstung ein Jahr später. Zwar ist der dortige Spiel- und Bolzplatz inzwischen wieder nutzbar, aber auf Höhe des massiv in Mitleidenschaft gezogenen kleinen Wäldchens neben dem Kleingärtnerverein Köln-Poll, liegen immer noch zahlreiche, nicht abtransportierte Baumstämme auf dem Gehweg herum.

Anders als an der Alfred-Schütte-Allee und am Spielplatz am Hubertusweg wurden dort allerdings bisher keine Ersatzpflanzungen vorgekommen. Dies soll sich jedoch in den nächsten Wochen ändern. „Im Rahmen der Wiederherstellungsmaßnahmen werden Baumpflanzungen durchgeführt, die Kosten hierfür liegen bei circa 186 000 Euro“, heißt es dazu vonseiten der Stadt. „Im Bereich Poll werden insgesamt 88 Bäume nachgepflanzt.“ Dabei setzen die Verantwortlichen des Grünflächenamts vor allem auf Baumarten, die Stürme dieser Art besser überstehen können. „Im Rahmen der Anpassungen an den Klimawandel sind die Standards für Baumpflanzungen so gewählt, dass diese den Bäumen optimale Bedingungen bieten.

Mitentscheidend dafür sind insbesondere ausreichend dimensionierte Baumgruben mit einer geeigneten Substratmischung, die die Entwicklung eines ausreichenden Wurzelsystems in die Tiefe ermöglichen, sodass eine höhere Standfestigkeit gegeben ist“, erklärt die Stadt ihr Vorgehen. „Hinzu kommt die richtige Baumauswahl, angepasst an den Standort und an die klimatischen Bedingungen und Veränderungen allgemein.“

Bis die Spuren des Tornados komplett verschwunden sind, wird es also noch ein wenig dauern. Doch vieles ist bereits getan, das meiste sogar unmittelbar nach dem Ereignis, kurz vor dem Weihnachtsfest des vergangenen Jahres. „Viele Betriebe hatten ihre Mitarbeiter schon in den Urlaub geschickt. Doch nachdem sie gehört hatten, was passiert ist, waren sie trotzdem tagelang vor Ort zu Gange, um wenigstens das Nötigste zu erledigen“, berichtet eine Sprecherin der Kölner Dachdecker- und Zimmerer-Innung. „Dadurch konnten die Betroffenen in Poll wenigstens halbwegs geordnet das Weihnachtsfest feiern.“

Auch generell war die Hilfsbereitschaft nach dem Tornado und mehr als 380 Feuerwehreinsätzen riesig, wie die Poller Bürgervereinsvorsitzende Ute Ahn erklärt. „Der Zusammenhalt der Menschen hier in Poll war nach dem Tornado regelrecht spürbar. Viele Menschen haben sich enorm für ihre Mitmenschen stark gemacht“, sagt Ahn, die froh ist, dass bei dem Sturm niemand ums Leben kam oder schwerer verletzt wurde. „Wir als Bürgerverein bewerten es zudem positiv, dass die Stadt schon so viele Bäume neu gepflanzt hat.“
Bei einigen Menschen in Poll komme an windstarken Tagen dennoch die Angst wieder hoch, auch wenn ein solches Ereignis in Poll lediglich ein Mal in 100 Jahren vorkommt.

Der sogenannte Traktorspielplatz am Hubertusweg am Tag nach dem Sturm. | Foto: Büge
Entlang der Alfred-Schütte-Allee wurden zahlreiche große Bäume entwurzelt. | Foto: Büge
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EXPRESS - Die Woche - Redaktion aus Köln

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