Zu schade für die Tonne
„foodsharing“ rettet in Pulheim Lebensmittel
Pulheim - In Deutschland werden immer noch viel zu viele Lebensmittel
weggeworfen. Jährlich wandern annähernd 13 Millionen Tonnen in den
Müll, so eine aktuelle Studie der Universität Stuttgart. Mit fast
sieben Millionen verursachen die Privathaushalte den größten Anteil.
Statistisch wirft jeder Bundesbürger über 80 Kilogramm einfach weg.
Gegen diese Verschwendung von Lebensmitteln engagiert sich
„foodsharing“, eine Initiative, die sich 2012 in Berlin bildete.
Seit 2013 gibt es auch einen Ableger in Pulheim. Das Ziel ist einfach:
Genießbare Lebensmittel sollen vor der Mülltonne gerettet
werden.
Seit Anfang 2018 fungieren die beiden Pulheimer Wolfgang Lange und
Rene Di Carlo als Botschafter, so die offizielle Bezeichnung, in ihrem
Heimatort. „In 2013 startete die Zusammenarbeit mit dem ersten
Betrieb in Pulheim. Verantwortliche Botschafter für den Bezirk
Pulheim waren jahrelang Mitglieder benachbarter Bezirke wie Köln und
Kerpen.“
Das Prinzip ähnelt im Grunde dem der Tafel: Abgabe-Betriebe
informieren die sogenannten Foodsaver, die dann in die Betriebe fahren
und dort Lebensmittel erhalten, die nicht mehr in den Verkauf gehen,
aber im Müll landen würden. Lange: „Das sind Obst und Gemüse und
Lebensmittel, deren Haltbarkeitsdatum bald abläuft, die aus dem
Sortiment genommen werden oder Fehlgriffe von Kunden, die dann
irgendwo im Laden abgestellt wurden“, so Lange. Eine Konkurrenz zur
Tafel besteht nicht. Tafeln und „foodsharing“ entstanden etwa zur
gleichen Zeit. Beide verfolgen das Ziel, die Verschwendung von
Lebensmitteln zu beenden. Einen Unterschied gibt es doch: Während die
Tafeln von Beginn an Bedürftige unterstützen wollte, will
„foodsharing“ die Lebensmittel einfach vor der Tonne retten. Aus
diesem Grund werden gerettet Lebensmittel von sogenannten Foodsavern
an Freunde, Nachbarn oder Bekannte verteilt, selber verbraucht oder
einfach auf der Straße verschenkt. Wie beispielsweise auf dem
vergangenen Stadtfest in Pulheim.
Auf dem Fest präsentierte „foodsharing“ eine riesige Auswahl an
Lebensmitteln aus allen Bereichen: Die bunte Mischung aus Obst,
Gemüse, Brot, Getränke, Knabbereien und Fertiggerichte hätte in der
Menge gereicht, mehrere Familien eine Woche lang zu versorgen. Diese
Lebensmittel hatten Botschafter Rene Di Carlo und Pulheimer Foodsaver
eher zufällig im Pulheimer Kaufland kurz vor dem Stadtfest gerettet.
Auf dem Fest hatten die Besucher zuerst Hemmungen, zuzugreifen. Eine
spontane Hilfe brach dann das Eis. Eine Dame, die im PR-Bereich
arbeitet, gab den Rat, ein großes Schild mit dem Wort „kostenlos“
aufzuhängen. „Und auf einmal nahmen die Leute Sachen mit“,
erinnert sich Botschafter DiCarlo.
Eine weitere Möglichkeit, die Lebensmittel zu verteilen, sind die
sogenannten Fair-Teiler. In Pulheim hilft die AWO in der
Hackenbroicher Straße als erste Stelle aus. „Darüber sind wir sehr
glücklich. Mit der AWO erreichen wir nämlich auch ältere
Menschen“, räumen Lange und Di Carlo ein. Stehen gerettete
Lebensmittel zur Verteilung an, gehen die Infos über digitale Medien
wie WhatsApp oder Facebook heraus. Medien, die nicht von Senioren
genutzt werden. Ein Grund, warum „foodsharing“ weitere Fair-Teiler
im Stadtgebiet sucht. „Hilfreich wäre auch eine Art Pate oder
Ansprechpartner in der Stadtverwaltung“, so Lange. Auf dem Stadtfest
zeigte sich Bürgermeister Frank Keppeler der Idee aufgeschlossen,
eine konkrete Zusage steht bisher aus.
Aktuell engagieren sich annähernd 100 Personen bei „foodsharing“
in Pulheim, von denen aber nur 20 in Pulheim wohnen. Es werden
dringend weitere Foodsaver gesucht. In Pulheim, so Lange, können
bisher nur fünf Spenderbetriebe angefahren werden. Mehr ist aus
organisatorischen Gründen derzeit nicht möglich. Lange: „Wir
garantieren eine hunderprozentige Abholung in den Betrieben, auch
kurzfristig, wenn beispielsweise einmal die Kühlung ausfällt oder
ähnliche Ereignisse eintreten.“
Mehr Information über die Tätigkeit, über Foodsaver, Essenskörbe,
Betriebe und Fair-Teiler gibt es im Internet unter
www.foodsharing.de und auf
der Facebookseite.
- Holger Bienert
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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