Nachdenkliches
ALAAF-Verspätung

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Ich wollte Ihnen eigentlich schon viel früher eine tolle Karnevalszeit mit oder ohne Karneval gewünscht haben! Was meint überhaupt „eigentlich“? Vorgesehen war Weiberfastnacht. Aber leider haut manchmal nicht alles genau so hin, wie ich es gerne hätte. Zeitmangel! NoLaptop-Tag! Nicht in der richtigen Stimmung! Gar nicht zu Hause! Aber besser spät, als nie! Und heute bin ich noch voll im Zeitrahmen! Der Rosenmontag ist noch nicht vorbei! Und EIN Karnevalstag kommt noch!

Ich bin im Kölschen Karneval groß geworden! Man könnte auch sagen hinein geboren! Nein, ich bin nicht Karnevalssonntag oder Rosenmontag geboren! (Bin Stier!) Aber mein Vater war sechzig Jahre lang bei den Kölner Roten Funken! Im dritten Knubbel! Und er hat mich von ganz klein auf überall mit hingeschleppt! Bei den Veedelszöch und beim Rosenmontagszug standen wir immer in der ersten Reihe. Damit ich etwas sehen konnte! Und mir Erwachsene nicht die Sicht versperrten! Und von meinem Vater habe ich gelernt … da, wo ich von Anfang an stehe, genau da stehe ich auch noch am Ende des Karnevalszuges. Mich von anderen im Gedränge wegdrücken, mich von meinem Platz vertreiben lassen während des Zuges, war nicht! Ich bin durch eine interessante vielseitige Karnevalsschule eines Roten Funken gegangen! Schon als junges Mädchen habe ich alle Sitzungen, Prunksitzungen und großen Karnevalsbälle im Gürzenich, Kölns ältestem Ballsaal, den Sartory-Sälen in der Friesenstraße, der Börse „Unter Sachsenhausen“ sowie dem Maritim-Hotel an der Deutzer Brücke kennengelernt. Ich war karnevalsjeck! Eben ein echt Kölsches Mädchen, mit Rheinwasser getauft! Mein Herz schlug für Karneval! Ich war immer dabei. Und immer mittendrin! Mit Leib und Seele. Mit Herz und Gemüt. Geschunkelt. Gesungen. Vor Freude und Begeisterung gegrölt. Das ganze Programm! Jahrelang! Mit meiner Heirat wurde ich etwas ausgebremst. Ein waschechter Niedersachse im Kölschen Karneval! An meiner Seite! Hmmmmmm …! Ein paar Jahre habe ich Karneval noch alleine gefeiert, während meine Kinder einen zuverlässigen Babysitter hatten! Meinem mir angetrauten Altargeschenk hat Babysitten wesentlich mehr Freude gemacht hat, als Karneval zu feiern.

Und irgendwann, vor ein paar Jahren, war ich irgendwie durch mit Karneval! Ich habe sehr darunter gelitten, wie sich meine Interessen doch im Laufe meines Lebens verändert haben! Wie ICH mich verändert habe! Wo ist die Rheinische Frohnatur geblieben, die jedes Jahr über Tische und Bänke ging (bildlich gesprochen), die vor Karnevalsfreude explodierte, die jedes Karnevalslied auswendig konnte? Für MICH völlig unverständlich … ich hatte keine Lust mehr auf Karneval! Auf den Trubel. Auf die Lautstärke. Auf die Unruhe. Auf die Menschenmassen. Auf die ganzen Besoffenen. Auf die vielen übergriffigen Menschen, die nicht wussten, wie man in Köln wirklich Karneval feiert! OHNE Alkohol bis zum Abwinken. Ohne Anbaggern von Frauen. Ganz gleich, wie freizügig das Kostüm auch ausgefallen war. Frauen als Freiwild! Notarztwagen in ständigem Einsatz. Junge Menschen, die sich ins AUS gesoffen hatten und nur noch weinend und kreidebleich auf der Straße hockten und nicht mehr wussten, wo oben und unten war. Das war nicht mehr MEIN Karneval !!!!! Und ob ich wollte oder nicht … immer wieder fiel ich über solche Situationen! Die meine Freude und Unbeschwertheit gekillt haben! Wegschauen war nicht. Vieles spielte sich vor meinen Augen ab. Mit zunehmendem Unbehagen habe ich mich zwischen die Menschenmassen gemischt. Bekam Herzklabastern, wenn ich mit Freundinnen einer Gruppe junger Männer begegnete, denen wir besser nicht begegnet wären. Mit Bierflaschen in der Hand. Oder ner Flasche Korn. Oder Wodka. Zu bis zum Kragenknopf. Die Nachrichten über „Ausfälle“ an Karneval taten ihr übriges! Ich hatte irgendwie genug! Karneval zog mich nichts mehr nach Köln! Sitzungen der einzelnen großen Karnevalsgesellschaften, Beginn 19 oder 20 Uhr, Ende ca. 2 Uhr nachts, wurden immer lauter. Gute Büttenredner immer seltener. Karnevalslieder zum Schunkeln wurden immer öfter durch „Höppe“-Musik für junge Menschen ersetzt. Die Karnevalsgesellschaften mussten ihr Programm der jüngeren Generation anpassen, da sonst die Kassen nicht mehr klingeln und die Säle leer bleiben. Alles verständlich! Der Zahn der Zeit! Er arbeitet! Die Zeit läuft weiter. Und wir laufen mit! Oder auch nicht.

Und damit haben sich langsam schleichend MEINE Karnevalsfreude und Begeisterung verflüchtigt! Jedes Jahr ein bisschen mehr! Vielleicht muss das so sein! Vielleicht ist das bei anderen Menschen meiner Generation genauso? Alles im Leben ist dem ständigen Wandel unterzogen! Wenn ich heute in eine Karnevalssendung im Fernsehen reinschaue, laufen mir nach kurzer Zeit ganz viele Tränen! Mich überkommt die Erinnerung an früher, an all die tollen unbeschwerten Karnevalsveranstaltungen mit meinen Eltern bei den Kölschen Roten Funken, an die unzähligen Veedels- und Rosenmontagszüge, an die Freude und ausgelassene Lockerheit in Kölschen Kneipen OHNE Alkohol! Bier mag ich nicht! (Man kann auch OHNE Alkohol fröhlich sein!). Und mich überkommt ein Gefühl der Wehmut, dass das alles für mich vorbei ist. Dass alles seine Zeit hat. Und dass sich mein ur-Kölsches Naturell so verändert hat !!!

Einige Jahre bin ich über die Karnevalstage in Urlaub geflüchtet. Nach Gran Canaria geflogen. Weit weg vom Schuss! Anfangs habe ich dort im Ausland gelitten. Dann habe ich mich daran gewöhnt! War ja meine eigene Entscheidung! Ich hätte ja nicht flüchten müssen! Dieses Jahr hat sich mein Urlaub aus Termingründen verschoben! NICHT aus Karnevalsgründen! Seit einigen Jahren bin ich nun die Karnevalstage zum ersten Mal wieder zu Hause! Das lag mir ziemlich im Magen und hat mir Probleme gemacht! Aber da ich den Urlaub vor Augen habe, habe ich diese Tage gewuppt!

Was nicht vorgesehen war … ich habe mich unter die Jecken gemischt! Zu Hause sitzen wollte ich Karneval nun auch nicht. Aber NICHT in Köln, sondern hier in meinem Planquadrat, wo alles wesentlich gesitteter, in kleinerem Rahmen und ruhiger abläuft, wie ich festgestellt habe. Jeden Tag habe ich mir einen Karnevalszug angeschaut! Am Samstag Brauweiler. Sonntag Stommeln. Und heute Sinthern/Geyen. Und ich muss sagen, es hat mir große Freude gemacht!

Der Stommelner Karnevalszug hat mich positiv überrascht! Muss ich zugeben! Hat mir sehr gefallen! Die Teilnehmer am Zug haben „Kamelle und Strüßjer“ geworfen, was das Zeug hält! Die Leute sind mit vollgepackten Taschen und Beuteln nach Hause gegangen. Die Stimmung war super! Ich stand alleine zwischen zwei geparkten Autos und hab mir voller Begeisterung das Geschehen angeschaut. Kamelle schreien musste ich nicht! Strüßjer, Waffelröllchen, kleine Schokokuchen, Gummibärchen und ähnliches kamen auf mich zu! Und was ganz goldig war … ein kleiner Knirps, vielleicht fünf Jahre alt, der mit seinen Eltern zu einer Gruppe gehörte, kam auf mich zu und brachte mir Süßes! Ein anderer Zwerg, vielleicht noch etwas jünger, kam mit einem umgedrehten Hut, voll mit kleinen Süßigkeitentütchen, zu mir, und ich durfte mir etwas aussuchen! Soooo niedlich! Ich hätte beide knuddeln können! Hab mich so gefreut! Und das Erstaunliche war, die beiden waren NICHT von ihren Eltern geschickt worden! Sie hatten mich ganz alleine als Ziel auserwählt! Ob sie mich trösten wollten, weil ich alleine war? Oder ob ich sie vielleicht an ihre eigene Omi erinnert habe? Hier noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön an diese beiden kleinen niedlichen Nachwuchs-Karnevalisten!

Der Karnevalszug Sinthern/Geyen heute hat mir auch richtig gut gefallen! Viel Buntes. Viele schöne Kostüme! Und alle waren mit Freude dabei! Ich habe diesen Zug an zwei verschiedenen Stellen geschaut. Einmal in Sinthern und dann noch mal in Geyen! Den Anfang des Zuges habe ich leider beide Male NICHT mitbekommen. Aber macht nix! Hat meine Freude nicht geschmälert! Ein Träcker ist auch nicht mehr das, was er einmal war! Inzwischen sind das Riiiiesenmaschinen! Beeindruckend! Diese Entwicklung scheint an mir vorbei gegangen zu sein, obwohl ich hier von Feldern umgeben wohne. Bewundernswert, wie die Fahrer mit Ruhe ihre Träcker durch die engsten Kurven manövriert haben! Das alleine war schon sehenswert! Großes Kompliment!

Nachdem ich jetzt diese beiden Karnevalszüge gesehen habe und recht begeistert war, hätte ich mir unseren Brauweiler Zug etwas anders gewünscht! Zumal er in Bezug stand mit dem 1000-jährigen Jubiläum unserer Abtei in diesem Jahr. Da wäre noch einiges an Luft nach oben gewesen, würde ich mal sagen. Wie ich schon erwähnt habe, bin ich leider sowieso aus verschiedenen sichtbaren Gründen mit Brauweiler in unserem Jubiläumsjahr ziemlich unzufrieden.

Aber zurück zum Karneval! Inzwischen sagt meine Uhr schon Karnevalsdienstag! Den Rosenmontag habe ich zeitlich überzogen, weil ich gemütlich einen Krimi geguckt und in die Fernsehsitzung reingeschaut habe. Aber macht ja nix! Also heute, Karnevalsdienstag, geht noch der Zug in Pulheim. Den werde ich mir natürlich auch noch anschauen! Ich bin gespannt! Und dann habe ich wider Erwarten dieses Jahr dem Karneval alle Ehre erwiesen und VIER Karnevalszüge angeschaut! Ich bin stolz auf mich! Bis jetzt, hier und heute hat mir Karneval sehr viel Spaß gemacht, und ich fand es sehr interessant und erfreulich zu sehen, was die Karnevalsvereine in den Orten um mich herum so alles auf die Beine gestellt haben. Ich bin froh, dass ich mich aufgerappelt und überwunden habe, zusammen mit den Jecken im Zug und am Zugweg ALAAAAAF zu schreien! Gerne nächstes Jahr wieder!

Allen Jecken wünsche ich noch einen tollen Karnevalsdienstag mit ganz viel Spaß und Freude und hoffentlich viel Sonne! Ein fröhliches freudiges kräftiges ALAAF und einen tollen Abschluss der diesjährigen Karnevalssession!

Am Aschermittwoch ist bekanntlich alles vorbei! Einen guten Start in die Fastenzeit und eine schöne gesunde Zeit in Richtung Ostern! Und noch eins … der Frühling ist im Anmarsch! Die ersten wunderschönen bunten Primelchen in den Geschäften sind bereit, gepflanzt zu werden! Alle guten Wünsche für Sie!

(C)eth

P. S. :
Alle meine drei Rosen-Strüßjer aus dem Stommelner Zug sind wunderschön aufgeblüht! DANKE!

LeserReporter/in:

Ellen Thoms aus Pulheim

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