Im Gesundheitswesen
Psychische Folgen von Covid19

Medizinisch-Technische Assistentinnen und Assistenten (MTA) litten in der Pandemie besonders oft unter Depressions-Symptomen und Ängsten. | Foto: Johann Saba, Stabsstelle Kommunikation & Medien, Universitätsklinikum Bonn
  • Medizinisch-Technische Assistentinnen und Assistenten (MTA) litten in der Pandemie besonders oft unter Depressions-Symptomen und Ängsten.
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Bonn - (red) Ärztliches Personal, Pflegekräfte, Technische Angestellte,
Seelsorger in den Kliniken: Sie alle waren durch die Covid-19-Pandemie
schwer belastet. Welche Schutzfaktoren helfen können, mit diesen
Belastungen umzugehen, zeigt nun eine Studie der Universität Bonn.
Sie basiert auf einer gemeinsamen großen Online-Befragung an den
Universitätskliniken Bonn, Erlangen, Ulm, Dresden und Köln. Auch
viele andere Kliniken in Deutschland beteiligten sich. Als besonders
wichtig stellte sich darin die empfundene Kohärenz heraus –
vereinfacht gesagt: das Gefühl, dass das Leben sinnvoll ist und
Herausforderungen verständlich eingeordnet werden können.

Die Forschenden hatten von April bis Juli vergangenen Jahres, also
während der ersten Covid-19-Pandemiewelle, Mitarbeiter im
Gesundheitswesen zu der Online-Befragung eingeladen. „Darunter waren
neben dem ärztlichen Personal und den Pflegekräften auch zwei
Gruppen, die in der Diskussion bislang vernachlässigt wurden“,
erklärt Prof. Dr. Franziska Geiser, Direktorin der Klinik für
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum
Bonn. „Einerseits die vergleichsweise kleine Zahl der
Seelsorgerinnen und Seelsorger in den Kliniken. Und andererseits die
vielen medizinisch-technischen Angestellten – die MTAs in den
Untersuchungsbereichen, der Radiologie und den Laboren.“

In der aktuellen Studie wurden mehr als 4.300 ausgefüllte Fragebögen
ausgewertet. Gut 80 Prozent der Teilnehmenden arbeiteten zum Zeitpunkt
der Erhebung in Krankenhäusern, 11 Prozent am Uniklinikum Bonn. Sie
sollten unter anderem angeben, wie sehr sie sich aktuell und vor der
Umfrage durch ihre Arbeit belastet fühlten und wie oft sie unter
Depressions- und Angstsymptomen litten. Zudem wurden drei mögliche
sogenannte „Resilienzfaktoren“ erhoben, von denen man annimmt,
dass sie gegen psychische Folgen von Stress schützen: soziale
Unterstützung, Religiosität und Kohärenzgefühl.

Jeweils mehr als 20 Prozent der Befragten gaben Depressions- oder
Angstsymptome in einem behandlungsbedürftigen Ausmaß an. „Wir
wissen nicht, wie es bei genau dieser Stichprobe vor der Pandemie
aussah“, erklärt Geiser. „Die gefundenen Werte liegen jedoch
höher als in früheren Untersuchungen bei Ärzten und Pflegepersonal,
wir können also von einer Zunahme in der Pandemie ausgehen. Während
aber in Normalzeiten Ärzte und Pflegepersonal eine höhere psychische
Belastung aufweisen als die restliche Bevölkerung, hatten sie in der
Pandemie in unserer Befragung geringere Angstwerte. Das macht
natürlich neugierig auf mögliche Schutzfaktoren.“ Dies umso mehr,
da Geiser Teil einer interdisziplinären DFG-Forschungsgruppe an der
Universität Bonn ist, die sich der Erforschung der Resilienz widmet.

Unter den potenziellen Resilienzfaktoren stach besonders das
Kohärenzgefühl hervor. Der Begriff stammt aus der Salutogenese,
einem in den 1980er Jahren von dem Mediziner Aaron Antonovsky
entwickelten Konzept, das die Suche nach gesundheitsfördernden
Faktoren und Einstellungen in den Mittelpunkt stellt. „Das
Kohärenzgefühl bezeichnet das Ausmaß, in dem wir unser Leben als
verstehbar, sinnhaft und bewältigbar empfinden“, erklärt Jonas
Schmuck aus Geisers Arbeitsgruppe, der zusammen mit Dr. Nina Hiebel
Erstautor der Studie ist. Je ausgeprägter das Kohärenzgefühl der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war, desto seltener litten sie unter
psychischen Symptomen. „Daraus lässt sich aber nicht unbedingt ein
kausaler Zusammenhang ableiten“, warnt Geiser vor voreiligen
Schlüssen. „Es könnte auch sein, dass Angst oder Depression
ihrerseits die empfundene Kohärenz mindern.“

Dennoch glaubt sie, dass dieser Faktor uns tatsächlich resilienter
gegen Stress und besondere Herausforderungen macht. Aus ihrer Sicht
ergeben sich aus der Studie daher einige wichtige Schlussfolgerungen,
wie man in Zukunft mit Krisen wie der Covid-19-Pandemie umgehen
sollte: „Je komplexer die Situation, desto besser müssen wir
kommunizieren“, betont sie. „In einer neuen Situation wie der
Pandemie lassen sich Unsicherheiten und auch Widersprüche, zum
Beispiel bei Schutzmaßnahmen oder Behandlungsabläufen, nicht
vermeiden. Je besser Mitarbeiterinnen erklärt wird, warum dies so
ist, und je mehr persönlichen Sinn sie in ihrer Arbeit erleben, desto
besser können sie damit umgehen. Zeitnahe Information ist deshalb
elementar.“ Diese Information solle nicht in eine Richtung erfolgen.
„Es ist wichtig, in einen Dialog zu treten, der auch Rückfragen und
die Rückmeldung von Bedenken zulässt“, sagt sie.

Diejenigen, die am stärksten unter den psychischen Folgen der
Pandemie litten, waren in der Studie übrigens die MTAs. „Warum das
so ist, darüber können wir nur spekulieren“, erklärt die
Forscherin. „Wir sollten aber auf jeden Fall im Auge behalten, dass
in derartigen Situationen nicht nur die Intensivstationen belastet
sind, sondern das ganze System. Wir müssen auch diejenigen stärken,
die vielleicht nicht so sehr im Rampenlicht stehen, sondern als Helfer
im Hintergrund häufig vergessen werden.“ Auch die Seelsorger gaben
einen Anstieg der Belastung durch die Pandemie an, sie zeigten aber im
Vergleich zu den anderen Berufsgruppen das am stärksten ausgeprägte
Kohärenzgefühl und die wenigsten Angst- oder Depressions-Symptome.

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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