Unser Wald - was bleibt übrig?
Borkenkäfer-Befall macht Wald zunichte

Ein Blick auf die Aggertalsperre vom Hackenberg aus - vor dem Waldsterben. | Foto: Christel Franke
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  • Ein Blick auf die Aggertalsperre vom Hackenberg aus - vor dem Waldsterben.
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„Mein Freund der Baum ist tot…“, ein Lied von Alexandra aus dem
Jahre 1968. Das Weihnachtslied „Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie
grün sind deine Blätter…“ - wie lange können wir es noch
singen? Die Lage in unseren Tannen- beziehungsweise Fichtenwäldern
ist schlecht.

Die Waldbauern sind die in erster Linie vom Waldsterben betroffene
Gruppe. Der 66-jährige Walter Flick berichtet aus seiner über
50-jährigen Tätigkeit als Waldbauer – einer von viele, der für
seine Kollegen spricht.

Jahrzehntelang ist Flick im Vorstand der FBG
(Forstbetriebsgemeinschaft) Lieberhausen tätig und kennt daher sowohl
die Probleme der Waldbauern als auch die der Betriebsgemeinschaft.
„Ich bin in den ganzen Jahren mit viel Herzblut dabei,“ erzählt
Flick, „wenn es auch viel Arbeit bedeutete, bin ich immer mit Freude
in meinen Wald gegangen, um alles in einem guten Zustand zu erhalten.
Wichtig war dabei auch die genaue Kennzeichnung der Grenzen in
Übereinstimmung mit dem Kartenmaterial. Die Waldpflege muss so
strukturiert sein, dass sie für einen Generationenwechsel interessant
ist. Ich hatte teilweise Flächen mit Bäumen im Alter von fünf bis
80 Jahren, so dass jede Generation sowohl ernten als auch aufforsten
konnte. So kann auch das Interesse der Kinder erhalten bleiben, denn
der Wald ist so eine wirtschaftliche Grundlage.“

Flächendeckende Schäden

Die Sturm- und Borkenkäferschäden hätten sich bis vor vier Jahren
in überschaubaren Grenzen gehalten, aber seit zwei Jahren seien die
Schäden flächendeckend. Flick hat nahezu 100 Prozent seines
Fichtenwaldes verloren. Anfangs hat er noch etwas Erlös mit den
gefällten Bäumen erreicht, inzwischen geht der Gewinn auf fast Null.

Ein „tragisches Beispiel“, so Flick, stellt eine seiner Parzelle
dar, die er vor 30 Jahren in einem sehr schlechten Zustand gekauft
hat.

Kaum Erlös

„Ich habe die Parzelle abgeräumt, neu mit Fichten bepflanzt und
jahrelang Bestandspflege und Durchforstung betrieben. Sie war bis
voriges Jahr in absolut gutem Zustand - dann kam der Borkenkäfer.“
Diese Fläche kann noch nicht einmal kostendeckend geräumt werden und
muss anschließend mit wiederum hohen Kosten aufgeforstet werden.

Außerdem musste Walter Flick aus einem anderen Waldstück 500
Festmeter Holz per Container nach China verschiffen lassen. Der
„schmerzliche Erlös“ dieser 500 Festmeter, wie Flick es
ausdrückte, war geringer als 400 Euro. „Vor dem großen
Borkenkäferbefall hätte ich von diesen 500 Festmetern netto 35.000
Euro Erlös gehabt.“

Nach dem Fällen der Bäume muss es ans Aufforsten gehen, aber womit?
Es gibt noch keine absoluten Empfehlungen für die neuen Baumarten.
Flick stellt fest: „Für mich ist es außer Frage, dass Bund und
Land sich mit erheblichen Zuschüssen an der Aufforstung beteiligen
müssen, weil sonst etwa 80 Prozent des Privatwaldes nicht mehr
aufgeforstet werden können. Die Waldbauern sind nach den vergangenen
wirtschaftlichen Einbußen nicht zu den großen finanziellen
Aufwendungen einer Aufforstung in der Lage.“

Mit großem Bedauern in der Stimme sagt Flick: „Mein ganzer Stolz
war es immer, einen schönen Wirtschaftswald zu besitzen, ihn zu
pflegen und mit Freude dann den Kindern weiter zu geben. Doch nun
stellt sich die Frage, wieviel Interesse bei den Kindern noch
vorhanden ist, wenn eine Generation komplett ohne Ertrag da steht und
erst frühestens die Enkel wieder finanziellen Nutzen von dem Wald
haben. Natürlich gehört viel Liebe zur Natur und Idealismus zum
Leben eines Waldbauern, aber es kann nicht nur Verluste geben. Es muss
auch Gewinn geben. Trotz der herben Einschnitte dankt Flick dem
Landesbetrieb Wald und Holz NRW mit dem Forstbetreuer Michael Hesse
für deren große Hilfe. „Sie übernahmen die sogenannten
hoheitlichen Aufgaben, das sind die Gespräche zwischen den Wald-

bauern und den Unternehmen bezüglich des Einsatzes der Erntemaschinen
und der Bereitstellung des Holzes. Mit unglaublichem Einsatz haben sie
erreicht, die Folgen der Katastrophe für uns Waldbauern
abzumildern.“

95 Prozent Schadholz

Aus den Zahlen des IT. NRW (Statistisches Landesamt Information und
Technik) geht hervor, dass Ende vergangenen Jahres 8.471
Quadratkilometer und damit 24,8 Prozent der gesamten Fläche
Nordrhein-Westfalens mit Wald bedeckt waren. Diese Fläche ist im
Vergleich etwa doppelt so groß wie Mallorca. Fast ein Drittel des
Waldes besteht aus Nadelwald. Infolge der mehrjährigen Trockenheit
und des anschließenden Borkenkäferbefalls gab es Unmengen von
Schadholz. Der Anteil von Schadholz betrug 2019 beim
Nadelholzeinschlag 95,2 Prozent. Zum Vergleich: In den Jahren 2011 bis
2017 lag der Schadholzanteil bei 20 Prozent. Insgesamt wurden 902.913
Tonnen Baumstämme oder grob zugerichtete Schnitthölzer exportiert.
Hauptabnehmerländer waren China und die Beneluxländer.

60 Prozent der Fichten verloren

Das Regionalforstamt Bergisches Land deckt auf der Fläche des Landes
Nordrhein-Westfalen einen sehr großen Bereich ab. Dieser liegt
zwischen dem Rhein, dem Sauerland, der Sieg und der Ruhr. Der höchste
Fichtenanteil ist dabei im Oberbergischen und im Rheinisch-Bergischen
Kreis zu verzeichnen. „60 Prozent des gesamten Fichtenbestandes sind
schon jetzt an den Borkenkäfer verloren“, stellt
Regionalforstamtsleiter Kay Boenig fest. „Im ganzen Forstamtsbereich
werden befallene Fichtenbestände gefällt und per Container nach
China verschifft. Die heimische Holzindustrie ist mit ihrer Kapazität
am Limit und den Waldbauern bleibt diese Möglichkeit, ihr Holz zu
verkaufen. Der Erlös deckt dabei nicht annähernd die
Vermögensverluste. Bei den Fällungen sind die Waldbesitzer gehalten,
auf die Verkehrssicherheit zu achten. Tote Bäume an Verkehrsstraßen
müssen vorrangig gefällt werden.“

Leider sei es nach den drei Trockenjahren so, dass außer den Fichten
auch andere Baumarten gefährdet seien. Vor allem die Buchen hätten
sehr unter der Trockenheit gelitten, besonders die über 100-jährigen
Bäume.

Der Schaden belaufe sich bis jetzt schon auf etwa 40.000 Kubikmeter.
„Wenn Buchen trocken werden, ist dies besonders gefährlich,“ so
Boenig, „weil sie sehr schnell stark brüchig werden und Äste
abbrechen können. Die Eichen hingegen sind weniger anfällig für die
Trockenheit. Wir wollen die Wälder als Erholungsgebiet nicht komplett
sperren, aber wir bitten die Spaziergänger um besondere Vorsicht“.

Aufforsten mit verschiedenen Baumarten

Abgeholzte Waldflächen müssten wieder aufgeforstet werden, aber die
Wiederbewaldung mit möglichst trockentolerantem Mischwald kann auf
verschiedene Weise geschehen. „Es gibt Überlegungen, die
natürliche Begrünung zunächst einige Jahre wachsen zu lassen und
erst dann zu sehen, was nachgepflanzt werden kann und muss. Auch bei
der Auswahl der künftigen Baumarten muss man dem Klimawandel Rechnung
tragen,“ so Boenig, „und es ist trotz Förderung durch das Land
auch eine Kostenfrage. Viele Baumarten benötigen wegen Wildverbiss
Schutzzäune, die natürlich die Kosten in die Höhe treiben“.

In der Auswahl seien heimische Baumarten, wie verschiedene
Eichenarten, Weißtannen, Linden, Hainbuchen, und Wildkirschen,
Gastbaumarten wie Esskastanie und Douglasie, und viele weitere Wärme
liebende und Trockenheit ertragende Baumarten. Wichtig sei ein
vielfältiger Mischwald aus mindestens vier bis fünf verschiedenen
Baumarten. Erschwerend sei, dass die Baumschulen Probleme mit der
Lieferung von Jungpflanzen hätten. „Im Bereich unseres hiesigen
Forstamtsbereichs müssen nach heutigem Stand 5.000 Hektar Wald
wiederbewaldet werden,“ stellt Boenig fest, „und wir stellen
hierfür ein großes gemeinschaftliches Engagement fest. Menschen
wollen bei der Pflanzung helfen und Unternehmen Wiederaufforstungen
finanzieren. Das Forstamt vermittelt dabei“.

Boenig erwartet, dass es auf jeden Fall auf den gefällten Flächen
auch wieder Wald geben werde. Nur wie der Wald dann beschaffen sei,
dass werde von vielen Faktoren abhängen. „Im Wald- und Holzbereich
wird in langen Zeiträumen gedacht, zehn bis 20 Jahre müsse man dem
Wald schon Zeit geben,“ erläutert Boenig.

- Christel Franke

Ein Blick auf die Aggertalsperre vom Hackenberg aus - vor dem Waldsterben. | Foto: Christel Franke
Der Blick über die Staumauer auf die Aggertalsperre - nachdem der Borkenkäfer zugeschlagen hat. | Foto: Christel Franke
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