Wie klappt's denn mit der Impfung
Alle gelieferten Portionen sind verimpft
Auch knapp drei Wochen nach dem Impfstart in Deutschland reißt die
Diskussion, ob der Start gelungen ist, nicht ab. Das nährt Skepsis
und hinterlässt viele Fragen. Dabei wäre es für den Erfolg der
Impfkampagne wichtig, wenn sich möglichst viele Menschen impfen
ließen. Da die Kreisverwaltung in den vergangenen Wochen bei den
wichtigen Fragen immer auf die Zuständigkeit der Kassenärztlichen
Vereinigung verwiesen hat, haben wir dort nachgefragt.
Und Dr. Matthias Schlochtermeier, Allgemeinmediziner aus Hürth und
Mitglied im Vorstand der KV, hat schnell und umfassend geantwortet.
Wie viele Menschen in wie vielen Alten- und Pflegeeinrichtungen
sind geimpft, steht aktuell noch Impfstoff zur Verfügung?
Dr. Schlochtermeier: Im Rhein-Erft-Kreis sind 3.512 Menschen
geimpft. Das entspricht einem Wert von 7,5 pro 1.000 Einwohner. In NRW
sind es 6,4 pro 1.000. Damit sind im Rhein-Erft-Kreis die mit der
ersten Lieferung zur Verfügung stehenden Impfdosen nahezu
vollständig verimpft. In 14 Tagen haben die mobilen Impfteams der KV
(Kassenärztlichen Vereinigung) 22 von 45 Alten- und
Pflegeeinrichtungen aufgesucht.
Unter den Geimpften sind bereits ambulante Pflegedienste, SAPV-Teams
(Palliativteams), Feuerwehrleute und Polizisten, die wir jeweils mit
den überzähligen Dosen geimpft haben. Mittlerweile ist die Zuteilung
aber strenger berechnet (5,5 pro Flasche), sodass der Überstand nicht
mehr so hoch ist. Am 30. Dezember konnte ich selbst im Anna-Haus noch
30 Personen zusätzlich impfen. Diese haben wir streng nach den
Kriterien der 1. Gruppe rekrutiert. Bei meinen Impfungen habe ich die
Feuerwehr gebeten, mir primär RTW-Besatzungen zu schicken.
Wann kommt die nächste ‚Lieferung‘, wie viele Impfdosen sind
das?
Dr. Schlochtermeier: Grundsätzlich plant das
NRW-Gesundheitsministerium wöchentliche Lieferungen. Das Land selber
bekommt aktuell etwa 140.000 Impfdosen pro Woche. Der Rhein-Erft-Kreis
macht etwa 2,5 des Landes aus, daraus ergibt sich mathematisch die
Zahl der Zuweisungen. Die nächsten Lieferungen kommen am 17., 18. und
21. Januar - insgesamt 3.556 Dosen. Insgesamt haben wir dann im
Rhein-Erft-Kreis seit Impfstart 7.052 Impfdosen bekommen. Die Zahl der
über 80-Jährigen beträgt aktuell 30.649.
Nach welchen Kriterien wird die Reihenfolge der Einrichtungen
festgelegt, in denen geimpft wird, wann ist die Impfung (erster
Durchgang) in den Pflege- und Alteneinrichtungen abgeschlossen?
Dr. Schlochtermeier: Die Einteilung der Einrichtungen ist
intransparent, es gibt wohl irgendwo zwischen KV und Gesundheitsamt
eine Prio-Liste. Wer die erstellt und verwaltet, weiß aber offiziell
keiner. Viel Bodennebel um dieses Thema. Es geht in der Praxis auch
nach der Bereitschaft der Einrichtungen. Sprich, wann haben die alle
Unterlagen (Einverständnisse etc.) zusammen, und sind die betreuenden
Hausärzte für die Impfung am Start.
Die Bereitschaft der Ärzteschaft ist groß, in den Heimen und im
Impfzentrum zu helfen, wir haben da keine Probleme. Der Vorlauf
zwischen Impfbereitschaft und Lieferung und Verimpfung beträgt
allerdings mindestens fünf Tage.
Wann ist Impfstart im Hürther Impfzentrum, an welchen
(Wochen-)tagen wird geimpft und wie viele Ihrer Kolleg-Innen
beteiligen sich?
Dr. Schlochtermeier: Nach den Vorgaben des
NRW-Gesundheitsministeriums sollen die Impfungen in den Impfzentren
Anfang Feburar starten. Es wären – Stand heute - 500 Impfungen pro
Tag im Hürther Zentrum geplant; dazu kommen aber weitere Impfungen in
den Alten- und Pflegeeinrichtungen.
Schon jetzt melden sich – insbesondere ‚ältere‘ - Leserinnen
und Leser, die Sorge habe, mit der Terminvergabe über die 116117
nicht klar zu kommen. Gibt es eine andere Lösung?
Dr. Schlochtermeier: Auch 80-Jährige können eine
Telefonnummer wählen, das erscheint zumutbar oder kann von der
Familie unterstützt werden. Dem Kreis sind keine alternativen
Gedankenspiele des NRW-Gesundheitsministeriums bekannt.
Mir ist allerdings bekannt, dass andere Bundesländer auch mit
Online-Listen arbeiten, die dann wohl mehrheitlich von Familien
gefüllt werden.
Sind die zentralen Impfzentren aus Ihrer Sicht tatsächlich der
sinnvollste/beste Weg? Mancher niedergelassene Kollege sieht das nicht
so und hält das ‚Kühlproblem‘ selbst beim Biontec-Impfstoff auch
in den Arztpraxen für lösbar.
Dr. Schlochtermeier: Hierzu gibt es auch unter den Experten
zwei Meinungen: Kreis und die leitende Impfärztin sagen: Zu komplex!
Die Kühlung, der sichere Transport und die Aufbereitung des
Impfstoffes bedürfen ebenso wie die sehr begrenzte Haltbarkeit des
dann rekonstitutierten Impfstoffes (immer in 6er „Gebinden“, die
mehr oder weniger zeitgleich verimpft werden müssen) schon einer
speziellen Logistik. Ich befürworte das dezentrale Impfen sobald ein
Impfstoff zur Verfügung steht, der eine inidivduelle Handhabung in
den Praxen vor Ort erlaubt. Das ist bei dem Biontech Impfstoff nicht
der Fall. Ich persönlich sage: Das wäre kein Problem! Gerade die
Hausarztpraxen haben die Erfahrung und Kompetenz im Impfen. Unsere
Praxis verimpft pro Jahr etwa 500 Dosen Grippeimpfstoff in weniger als
zwei Monaten. Ich könnte sofort beispielsweise jeden
Mittwochnachmittag etwa 50 meiner Patienten - die ich mit ihren
Risiken sehr gut kenne – impfen. Den Umgang mit den Impfstoff habe
ich in Altenheimen bereits geübt und denke die Situation ist sehr gut
auf eine Arztpraxis übertragbar. Wichtig ist, dass die Zahl der
Geimpften immer durch sechs teilbar sein muss. Dieses einfache
Rechenexempel ist aber gut lösbar. Wir haben das bereits gut mit dem
Kreis in Zeiten der Schweinegrippe geschafft.
Herr Dr. Schlochtermeier, die Redaktion dankt für die
ausführlichen Antworten. (Stand der Zahlen: 10. Januar)
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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