Keine Angst vor Digitalisierung
Alles immer schneller
Rhein-Erft-Kreis - Die schlechte Nachricht vorneweg: 100 Prozent der Arbeiten eines
Zerspanungsmechanikers könnten schon heute vollständig von Maschinen
übernommen werden. Nachzulesen in einer aktuellen Studie des
Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Angesichts solcher Feststellungen warnt Johannes Klapper, Vorsitzender
der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Brühl, davor,
deshalb jetzt in Angst und Schrecken zu verfallen. „Die Arbeitswelt
ändert sich“, sagt er. Und sie tut das inzwischen in nahezu
rasender Geschwindigkeit. Das müsse man wissen und dieser
Herausforderung müssten sich alle stellen. Arbeitnehmer, die um
Veränderungen ihrer Berufsbilder wissen müssten, Arbeitgeber, die
sich auf geänderte Prozesse einstellen müssen und auch die
Arbeitsvermittler sollten um diese Veränderungen wissen.
Vieles von dem, was die Studie beschreibt, ist nicht wirklich neu.
„Alles ist im Fluss“ - panta rhei - ein Aphorismus, der auf den
griechischen Philosophen Heraklit zurück geht und mehr als 2.500
Jahre alt ist. Wer wollte das heute also bestreiten? Und doch bietet
die Studie wichtige Erkenntnisse, weil sie einerseits tatsächlich das
gesamte Berufsleben und damit alle Berufsfelder im Blick hat und
zweitens deutlich macht, dass die Geschwindigkeit der
Veränderung die neue Qualität, also die neue Herausforderung
ausmacht.
Im Ergebnis, sagen Klapper und sein Kollege Thorsten Rolfsmeier
(Geschäftsführer operativ), bringt die Digitalisierung der
Arbeitswelt einerseits natürlich Risiken für die Beschäftigten,
bietet zugleich aber auch Chancen im Kampf gegen den
Fachkräftemangel.
Wo auf der einen Seite Tätigkeiten durch Automatiserung wegfallen,
entstehen auf der anderen Seite neuen Aufgaben und Berufsfelder. Ein
Phänomen, das die Studie mit Zahlen untermauert: Bis 2025 fallen
bundesweit etwa 1,54 Millionen Arbeitsplätze nach heutigen Stand der
Technik weg. Gleichzeitig entstehen aber auch 1,51 Millionen neue,
wenngleich andere, Arbeitsplätze.
Kein Grund zur Panik, also. Oder wie es Johannes Klapper
formuliert: „Dem Rhein-Erft-Kreis geht die Arbeit so schnell nicht
aus.“
Dahinter steckt die statistische Besonderheit, dass im
Rhein-Erft-Kreis die Zahl der durch „digitale Substitution“
gefährdeten Arbeitsplätze eher gering ist. Denn insbesondere im
Dienstleistungssektor sei der Mensch nicht ersetzbar. In Zahlen liest
sich das so: Rund 54.000 der etwa 138.000 aktuell
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten aus dem Rhein-Erft-Kreis
(39,4 Prozent) arbeiten in Berufen, in denen bis zu 30 Prozent der
Tätigkeiten von Computern erledigt werden könnten. Über 63.000
Personen (45,9 Prozent) arbeiten in Berufen, die eine mittlere
Ersetzbarkeit (über 30 bis 70 Prozent) aufweisen. In den Berufen bei
denen dies auf mehr als 70 Prozent der Tätigkeiten zutrifft,
entfallen im Rhein-Erft-Kreis etwas über 20 Tausend Beschäftigte,
was einem Anteil von 14,7 Prozent entspricht. Der Rhein-Erft-Kreis
liegt damit unter dem Landesschnitt (15,6 Prozent) und noch knapp
unter dem Bundesschnitt von 14,9 Prozent.
Inzwischen kann man das Risiko der Ersatzbarkeit auch für sehr viele
Berufe über den Job-Futuromat im Internet herausfinden.
„Bürokaufleute sind beispielsweise bisher hauptsächlich mit den
kaufmännischen Aufgaben wie Buchführung, Personalverwaltung,
Angebotserstellung oder Rechnungsbearbeitung sowie Terminkoordination
etc. betraut. Geht man davon aus, dass zukünftig die EDV vier von
sechs dieser hier üblichen Tätigkeiten übernehmen kann, dann ergibt
sich für diesen Beruf ein Automatisierungsrisiko von 67 Prozent,“
erläutert Klapper in diesem Zusammenhang die Vorgehensweise des
Job-Futuromaten, in dem Berufsexperten im Auftrag der Bundesagentur
für Arbeit (BA) für die knapp 4.000 Berufe die Risiken berechnet
haben.
„Das bedeutet also nicht, dass dieser Beruf komplett wegfällt. Im
Gegenteil, durch die Digitalisierung entstehen auch neue Aufgaben.
Fakt ist aber auch, dass sich die Inhalte von Tätigkeiten und
Berufsbildern grundlegend verändern werden. Gebraucht werden gut
qualifizierte Mitarbeiter, die bereit sind, sich ständig den neuen
Anforderungen anzupassen. Aus- und Weiterbildung wird noch viel
wichtiger werden“, so Klapper weiter.
Nur wenige Expertentätigkeiten können von Computern verrichtet
werden
Unterscheidet man die Berufe hinsichtlich ihres Anforderungsniveaus,
wären 42,9 Prozent der in den Helferberufen ausgeübten Tätigkeiten
bereits heute ersetzbar. Für Fachkräfte liegt der Anteil bei 45,2
Prozent. Erst ab dem Niveau des Spezialisten lässt sich eine
Verringerung der Ersetzbarkeit feststellen. Nur knapp 33,5 Prozent
aller Spezialistentätigkeiten könnten derzeit durch Computer
erledigt werden; bei den Experten sind es rund 19 Prozent. Über
22.000 Helfer/innen sind im Rhein-Erft-Kreis
sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 11,4 Prozent dieser Gruppe
sind in Berufen beschäftigt, in denen mehr als 70 Prozent der
Tätigkeiten durch Computer oder computergesteuerte Maschinen ersetzt
werden könnten. Bei den fast 85.000 Fachkräften sind es 18,2
Prozent. 13,0 Prozent der rund 15.800 Spezialisten arbeiten in Berufen
mit einem hohen Substituierbarkeitspotenzial. Für die etwa 13.800
Experten kann konstatiert werden, dass für sie gegenwärtig kaum ein
Risiko besteht, durch Computer ersetzt zu werden (0,05
Prozent).„Damit gilt es für den Rhein-Erft-Kreis, nicht nur
Geringqualifizierte durch Qualifizierungsmaßnahmen auf die
Herausforderungen einer zunehmenden Digitalisierung der Arbeitswelt
vorzubereiten, sondern auch die Zukunftsfähigkeit der
Fachkrafttätigkeiten im Blick zu behalten. Lebenslanges Lernen und
betriebsnahe Aus- und Weiterbildungsangebote werden daher immer
bedeutender. Für die Beschäftigten rücken zunehmend
Schlüssel-Kompetenzen wie digitales Denken, schnelle Lernfähigkeit,
Eigenverantwortung sowie Online-Teamfähigkeit in den Vordergrund“,
so Klapper abschließend.
- Ulf-Stefan Dahmen
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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