Abgeschoben in den Tod
„Den Nandus ging es hier doch gut“
Frechen - Unter der Überschrift „gut gemeint – schlecht gemacht“ steht
das Vorgehen des Kreisveterinäramtes in Zusammenhang mit der Haltung
dreier Nandus in Frechen. Franz Radmacher musste die
südamerikanischen Laufvögel, nach gut 1,5 Jahren wieder abgeben,
weil er die Auflagen des Rhein-Erft-Kreises nicht zeitnah umsetzen
konnte. Kaum in ihrer neuen Heimat in Niedersachsen angekommen, gingen
zwei der großen Tiere stiften. Ein Nandu musste erschossen werden,
weil er sich einer Bundesstraße näherte.
„Sie hatten es doch gut hier“, findet Franz Radmacher und deutetet
auf ein 1.225 Quadratmeter großes Areal mit Schwimmteich und
Unterstand. Das Gelände ist mit einem 1,80 Meter hohen
Maschendrahtzaun, der im unteren Bereich mit Metallplatten verstärkt
wurde, umrandet. Darüber folgt eine Bahn Stacheldraht.
Im April vergangenen Jahres übernahm der Landwirt die Tiere. „Der
Vorbesitzer musste sich aus gesundheitlichen Gründen von ihnen
trennen“, erklärt der 60-Jährige. Im guten Glauben, er würde die
Haltungsvorgaben in Sachen Geländegröße, Unterstand und Fütterung
einhalten, nahm Radmacher die Laufvögel bei sich auf.
Auf seinem Hof teilten sie sich ein Gehege mit Gänsen und Enten.
„Die haben sich blendend verstanden und nach wenigen Tagen hatten
wir im Gehege auch keine Probleme mehr mit Mardern, Ratten oder
Greifvögeln. Nandu-Hahn Aky und seine beiden Hühner haben das Revier
und ihre Mitbewohner beschützt“, so Radmacher.
Doch das Vogelidyll wurde schnell getrübt: „Nach etwa einem halben
Jahr kam das Veterinäramt vorbei und sagte mir, dass laut Verordnung
mindestens eine Zaunseite 50 Meter lang sein müsse“, erzählt der
Landwirt. Die räumlichen Gegebenheiten des Geländes hätten aber
eine Erweiterung des Geheges nicht hergegeben. Also plante der
Landwirt ein neues Gehege auf der anderen Hofseite. Radmacher: „Dann
hätten die Nandus quasi einmal um den Hof rennen können.“ Doch das
Geld für die 120 bis 200 Meter Zaun und die Zeit für die Errichtung
hätten gefehlt.
„Gleichzeitig saß mir das Veterinäramt im Nacken. Sie kamen immer
wieder vorbei oder schickten weitere Anweisungen. Am Schluss forderten
sie auch noch einen Sachkundenachweis, konnten mir aber nicht sagen,
wo ich den denn machen könnte. Das war reine Tyrannei“, ärgert
sich der Frechener.
Es wäre ihm nur noch die Abgabe geblieben. Über eine
Spaziergängerin entstand schließlich der Kontakt zu einer Frau aus
Niedersachsen, die die Tiere bei sich aufnehmen wollte. Auf Anfrage,
ob sie denn auch den erforderlichen Sachkundenachweis habe, gab sie
an, dass in Niedersachsen ein solcher Nachweis nicht zwingend
erforderlich sei.
Also wurden die drei Laufvögel in den Norden transportiert, nur um
dort schnell durch die unzureichende Umzäunung zu schlüpfen. „Die
Tiere sind bereits am Samstag ausgebüxt, konnten aber direkt wieder
eingefangen werden“, bestätigt das Polizeikommissariat Lehrte auf
Anfrage der Redaktion. Laut Polizei, gab die neue Besitzerin an, dass
die drei Nandus aus dem Überschwemmungsgebiet stammten und nur
vorrübergehend in dem unzureichend umzäunten Gehege untergebracht
werden sollten.
Der nächste Ausbruch erfolgte am folgenden Tag. Das zuständige
Veterinäramt gab einen der Vögel zum Abschuss frei, als dieser sich
der Bundesstraße 443 näherte. Der andere Nandu entkam. Über sein
weiteres Schicksal ist nichts bekannt.
Vielleicht hat er sich auf die Suche nach weiteren freien Nandus
gemacht. Laut Medienberichten lebt zum Beispiel in
Mecklenburg-Vorpommern eine wilde Population von etwa 300 Tieren. Sie
vermehren sich in freier Wildbahn prächtig, nachdem sie vor Jahren
einem Züchter entkamen und nicht wieder eingefangen werden
konnten.Erst vor wenigen Tagen lichtete eine Fotografin einen
vorbeiflitzenden Nandu im Hohen Fläming in Brandenburg ab.
Franz Radmacher hat bisher vergebens versucht, Kontakt mit der neuen
Besitzerin aufzunehmen. Auch die Spaziergängerin, die den Kontakt
hergestellt hat, hätte sie – so Radmacher – nicht mehr ans
Telefon bekommen. „Ich würde gerne wissen, wie es den beiden
Überlebenden geht. Aber bisher habe ich nichts erfahren können“,
klagt der 60-Jährige. „Eine Untersagung der Tierhaltung hat es
durch das Veterinäramt des Kreises bisher nicht gegeben“, erklärt
die Kreisverwaltung in Bergheim, auf Anfrage der Redaktion. Es sei
lediglich festgestellt worden, dass das Gehege zu klein und eine
artgerechte Haltung der Tiere daher nicht möglich sei.
„Den mehrfachen schriftlichen Aufforderungen, das Gehege zu
vergrößern, ist der Halter nicht nachgekommen. Aus diesem Grund
wurde gegen den Tierhalter im Sommer 2021 eine Ordnungsverfügung
getroffen, welche die Anforderungen an die Tierhaltung klar definiert.
Diese Anforderungen sind unmittelbar umzusetzen“, äußert sich
Pressesprecher Marco Johnen zu der Nandu-Situation in Frechen und dem
Schicksal der Tiere im niedersächsischen Röddensen.
„Da sieht man mal worum es hier wirklich geht: Um Zuständigkeiten.
Aus den Augen aus dem Sinn. Jetzt haben die in Bergheim mit den
Vögeln nichts mehr zu tun. Ums Tierwohl geht es da überhaupt
nicht“, ärgert sich Franz Radmacher. Artenschutz könne nicht nach
Kreisen oder Bundesländern, sondern müsse bundes- oder sogar
weltweit geregelt werden.
- Lars Kindermann
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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