Rhein-Erft-Kreis I - Dierk Timm
Der Kreis braucht wieder eine Lobby in Berlin
Er sei kein „Taktierer“; eher einer, der lieber offen und ehrlich
seine Meinung sagt. Auch auf die Gefahr hin, „dass das manchmal in
die Hose geht.“ So ist Dierk Timm in der Vergangenheit hier und da
mal mit den „Großen“ seiner Partei aneinander geraten.
„Seine“ Partei, das ist die SPD, für die er im Wahlkreis
Rhein-Erft-Kreis I bei den Bundestagswahlen antritt. So, wie auch
schon 2013. Damals, sagt Dierk Timm, habe er fest mit einem Sieg
gerechnet. Die deutliche Niederlage, der CDU-Kandidat hatte am Ende
rund elf Prozentpunkte Vorsprung, habe ihn schon geschockt. Aber dann
doch nicht mutlos gemacht: „Vier Wochen vor der Wahl bin ich fest
davon überzeugt, dass wir bundesweit deutlich zulegen werden. Und
dann kann ich auch im Rhein-Erft-Kreis das Mandat gewinnen“, gibt
sich Timm kämpferisch. Mehr als 40 Prozent der Wahlberechtigten seien
noch völlig unentschlossen, sagen die Demoskopen. „Das“, so
ergänzt der gerade 50 gewordene SPD-Kandidat, „deckt sich mit
meiner subjektiven Wahrnehmung bei den Hausbesuchen. Die Menschen
fangen jetzt erst an, sich auch inhaltlich mit den Bundestagswahlen
und den Themen zu beschäftigen.*
Schon früh, deutlich früher als alle anderen in der SPD, hatte sich
Dierk Timm auf Martin Schulz als „seinen“ Wunschkanzlerkandidaten
festgelegt. Das war im vergangenen Herbst bei seiner Nominierung als
Bundestagskandidat: „Alle haben mir damals gesagt, ‚der wird es
nicht‘. Und ich habe geantwortet: ‚Nur mit Martin Schulz können
wir es schaffen‘.“
Thematisch setzt Dierk Timm im Wahlkampf auf drei Schwerpunkte: Beste
Bildung, bezahlbares Wohnen und moderne Infrastruktur. Drei
Themenkomplexe, die auf den ersten Blick eher nicht in der
Bundespolitik verhaftet scheinen. Doch, sind sie, kontert Timm. Es
seien Themen für alle politischen Entscheidungsebenen: „Wir müssen
klare Prioritäten setzen, wenn es zum Beispiel um die Frage geht,
wofür Geld ausgegeben wird.“ So fordert Timm zum Beispiel
finanzielle Mittel vom Bund, damit die Kommunen ihre Schulen sanieren
können: „Heute funktioniert Bildung anders als noch in den 70er
Jahren. Wir brauchen andere Schulräume und mehr Personal, das auch
besser bezahlt wird.“ Leider scheitere es oftmals am Willen,
tatsächlich etwas zu bewegen. Das, so sagt Timm ohne Umschweife,
gelte auch für die Schulpolitik in NRW. G 8 war seiner Meinung nach
„von Anfang an Stress und Krampf“ und auch beim Thema Inklusion
gebe es erheblichen Handlungsbedarf: „Sie wird weiter fortgeführt
werden, weil der Grundgedanke richtig ist. Aber wir müssen mehr
Personal in das System bringen und zugleich Strukturen schaffen für
die Kinder, die in der Regelschule nicht zurecht kommen.“ Insgesamt
müssten die Angebote sehr viel individueller werden. Ortsnah und auch
zeitlich flexibel.
„Rumeiern, sich alle Optionen offen halten, das hilft uns nicht
weiter“, sagt der SPD-Kandidat, der sich selbst beschreibt als einen
„Kümmerer, der mit langem Atem versucht, Dinge positiv für die
Regipon zu bewegen.“ Beispiel Kita-Verpflegung. In jeder Pulheimer
Kita wird heute frisch gekocht. „Vier Jahre haben wir dafür
gebraucht“, sagt Timm. Beispiel ÖPNV: „Vor über sieben Jahren
haben der Vorsitzende der Rhein-Erft-SPD, Guido van den Berg, und ich
unsere Pläne für ein S-Bahn Netz im Rhein-Erft-Kreis vorgestellt.
Seitdem arbeiten wir beharrlich an der Verwirklichung dieser Vision,
die von vielen anfangs belächelt worden ist. Inzwischen ist klar: Die
S-Bahn wird kommen!“ Aber moderne Infrastruktur bedeute auch ein gut
ausgebautes Radwegenetz für den „Berufsverkehr“. So richtig
Gedanken habe sich darüber wohl noch keiner gemacht. Und ganz wichtig
seien Investitionen in den Straßenbau, „aber bitte mit Sinn und
Verstand“.
Der Rhein-Erft-Kreis wird in den kommenden 20 Jahren um etwa 37.000
Menschen wachsen. Und für die möchte Dierk Timm „bezahlbaren
Wohnraum“ schaffen. Für den Sozialdemokraten nicht zuletzt eine
Aufgabe der Wohnungsbaugesellschaften. Geld von Bund und Land sei ja
inzwischen da. Allerdings müssten die Kommunen auch Grundstücke für
öffentlich geförderten Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Timm
hält an dieser Stelle ein gemeinsames Konzept von Kommunen und Kreis
für geboten und sinnvoll.
Bleibt die Frage, ob man zur Durchsetzung solcher politischen Ziele in
den Bundestag muss? „JA“, sagt der SPD-Kandidat aus Sinthern. Der
Einfluss des Direktkandidaten auf das Wahlergebnis sei über die Jahre
geringer geworden. Komplett gegen den Trend könne man heute kaum noch
einen Wahlkreis gewinnen. „Aber man kann viel für die eigene Region
bewegen. Der Rhein-Erft-Kreis braucht endlich wieder eine Lobby in
Berlin. Da sind wir in den letzten Jahren viel zu kurz gekommen“,
sagt Dierk Timm. Auf die abschließende Frage, was er als seine
größte Schwäche sieht, antwortet er: „Das ist gemein. Aber gut:
Mein schlechtes Namensgedächtnis.“
Bundestagswahl -
Kandidatencheck Diskussion mit sechs Bewerbern im Frechener
Stadtsaal, Montag, 11. September, 18.30 Uhr (Einlass 18 Uhr).
*Die Interviews mit den Kandidaten haben wir in Kalenderwoche 34
geführt.
Redakteur/in:Ulf-Stefan Dahmen |
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