Hochwasserschutz zur Vorsorge in der Region
Drei Jahre nach der Flut

Die Steinbachtalsperre wird auch in den nächsten ­Monaten kein Wasser führen. | Foto: eRegio/Roman Hövel
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  • Die Steinbachtalsperre wird auch in den nächsten ­Monaten kein Wasser führen.
  • Foto: eRegio/Roman Hövel

Drei Jahre sind vergangen, seit die Flut verheerende Schäden anrichtete. Neben tausenden privaten Baustellen, die auch längst nicht alle geschlossen sind, galt es zudem, so schnell, wie möglich, kommunale ­Schäden zu beheben – und den Blick nach vorn zu richten. Das Ziel: Künftig besser für ­extreme Starkregenereignisse aufgestellt zu sein.

Region. Vor dem dritten Jahrestag spannen wir den Bogen des Hochwasserschutzes vom Juli 2021 bis in die nähere Zukunft. Die Schäden entlang der Erft sowie der kleineren Bäche und Zuflüsse waren nach der Flut immens. Das galt vor allem auch für die Liegenschaften des Erftverbandes: „105 Schadensstellen wurden seinerzeit an unseren ­Gewässern entlang der Erft von Schönau in Bad Münstereifel bis runter nach Erftstadt aufgenommen. Betroffen waren alle Gewässer im südlichen Einzugsgebiet der Erft. Dabei waren die Schäden an der Infrastruktur im Bereich Abwasser, also Kanäle, Pumpwerke oder Kläranlagen, gar nicht berücksichtigt“, fasst ­Timo Schneider vom Erftverband, Abteilung Gewässer und Betrieb, zusammen. „Ein Jahr nach der Flut waren 87 der 105 Schadstellen beseitigt. Die Kosten wurden über die Wiederaufbauhilfe des Landes gefördert. Heute sind nur noch zwei gewässerbezogene Maßnahmen offen, die Wiederherstellung eines Weges entlang der Erft in Euskirchen und die Baustelle am Hochwasserrückhaltebecken (HRB) Horchheim in der Gemeinde Weilerswist.“

Restarbeiten am HRB Horchheim

Der Wiederaufbau des HRB Horchheim umfasste dabei nicht nur eine Wiederherstellung des vorherigen Zustandes, sondern auch Verbesserungsmaßnahmen. Um schnellstmöglich wieder einen Teil-Betrieb zu ermöglichen, wurden provisorische Arbeiten vorgezogen. So wurde beispielsweise „eine Spundwand hinter dem Damm gerammt, um Erosionen bei einem erneuten Einstau zu vermeiden. 2022 konnte das Becken somit wieder für den Hochwasserrückhalt genutzt ­werden.“ Parallel wurde der Wiederaufbau des Dammes vorangetrieben, der Ablaufpegel zur Steuerung des HRB repariert, das Tosbecken in verbesserter Form ausgebaut und die Dammkrone im Bereich des Durchlassbauwerks der Erft im Vergleich zu früher erhöht. Ein weiterer Baustein war die Instandsetzung der Elektrotechnik in der Warte. Zu guter Letzt erfolgt noch der Wegebau. „Aktuell laufen Restarbeiten, in Kürze kann dann aber auch diese Baustelle geschlossen werden“, erklärt Timo Schneider.

WEITERE GESCHICHTEN DREI JAHRE NACH DER FLUT

Steinbachtalsperre: völlig neue Bemessungsgrundlagen

Davon ist man bei einer anderen Großbaustelle in der Region, die im Juli 2021 bundesweit mediale Aufmerksamkeit auf sich zog, noch weit entfernt. Die Rede ist von der Steinbachtalsperre. Deren Betreiber e-regio fasst den aktuellen Stand der Dinge wie folgt zusammen: „Im Herbst 2022 wurde ein erster Konzeptvorschlag vorgelegt - für den Bau eines Regelungsbauwerks zum Verschluss der Scharte als technische Lösung für die zukünftige hybride Nutzung zum Hochwasserschutz, für Brauch-/Löschwasser und zur Naherholung“, erklärt e-regio-Pressesprecherin Ilona Schäfer. Dabei war auch eine Übergangslösung angestrebt, um die Lösch- und Brauchwasserversorgung zu verbessern. Dafür sollte ein Teil­einstau bis maximal zur Scharte realisiert werden. „Im Genehmigungsprozess sind jedoch eine Reihe von Fragen zu Tage getreten, insbesondere im Hinblick auf neue Anforderungen zur Erdbebensicherheit, neue Bemessungshochwässer und ein neuer Hochwasserschutzraum“, fasst Ilona Schäfer zusammen.

"Wassermengen wurden pulverisiert"

Zur Planung eines genehmigungsfähigen Dammbauwerkes waren entsprechend zahlreiche Punkte zu klären. Deshalb wurde 2023 eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern von Bezirksregierung Köln, e-regio, Erftverband, Ingenieurbüro Lorenz, Landesumweltministerium und LANUV gegründet, um die Prozesse zu beschleunigen. Bei der Erstellung eines neuen Erdbebengutachtens zur Standsicherheit des Damms zeigte sich dann im Vergleich zum letzten Gutachten aus dem Jahr 2006, „dass sich einzelne Bemessungsparameter ganz erheblich geändert haben“, so e-regio. Zudem wurden die Bemessungshochwässer, also die maximal anzunehmenden zufließenden Wassermengen, „bei der Flut 2021 geradezu pulverisiert und damit auch die Berechnungen“, resümiert Ilona Schäfer. Es galt, eine wissenschaftlich fundierte, neue Berechnungsmethode zu erarbeiten. Die Berechnungen sind dann auch entscheidend für den künftigen Hochwasserschutzraum der Steinbachtalsperre: „Vom rechnerischen Gesamtvolumen von etwa 1.055.000 Kubikmetern sollen zukünftig maximal 750.000 Kubikmeter mit Wasser befüllt werden können. Damit stünden rechnerisch mindestens 300.000 Kubikmeter für den Hochwasserschutz zur Verfügung. Diese Werte dienen als Grundlage für die Planungen des zukünftigen Drosselbauwerks und des Damms sowie für das damit verbundene Genehmigungsverfahren“, heißt es seitens e-regio.

Bereits die vorläufigen Erkenntnisse verdeutlichten, dass umfangreiche Maßnahmen zur Verstärkung des Dammbauwerkes erforderlich sind und ein Teil­einstau daher nicht genehmigungsfähig wäre. Und so bilanziert Ilona Schäfer: „Die Talsperre bleibt leer, bis der Umbau des Damms abgeschlossen ist. Die Scharte bleibt bis dahin unverändert bestehen.“ Wenn alle Untersuchungen und Berechnungen abgeschlossen sind, können die ingenieurtechnischen Planungen und im Anschluss Zeit- und Kostenplanungen erstellt werden. „Die Untersuchungen sollten bald abgeschlossen sein, dann kann die Planung starten. Ein Zeitpunkt für den Baubeginn ist aktuell noch nicht absehbar und hängt von vielen Faktoren, zum Beispiel auch dem Genehmigungsverfahren ab“, so Ilona Schäfer.

Interkommunaler Schutz – Maßnahmen in Vorplanung

Die Steinbachtalsperre bleibt damit auch in Zukunft eines der größten Hochwasser-Projekte der gesamten Region. Die hat sich im Zuge der „Interkommunalen Hochwasserschutzkooperation Erft“, kurz hwsErft, über Stadt-, Gemeinde-, Kreis- sowie Verbandsgrenzen hinweg nach der Flutkatastrophe zusammengeschlossen, um einen zielführenden Hochwasserschutz zu planen und zu realisieren. Professor Heinrich Schäfer, Vorstand des Erftverbandes: „Im Fokus unserer Arbeit steht die Entwicklung durchdachter Hochwasserschutzkonzepte, die aktuellen und zukünftigen Anforderungen gerecht werden. Bis zum Jahr 2025 möchten wir die interkommunalen Konzepte für die Teileinzugsgebiete Erft, Swist, Veybach, Rotbach und Neffelbach mit den bis dahin abgeschlossenen kommunalen Konzepten vereinen, um ein kohärentes Schutzsystem über die gesamte Erft-Region zu etablieren und so aktiv für den Schutz und die Sicherheit unserer Städte und Gemeinden zu sorgen.“ 

Fokus-Projekte im Kreis Euskirchen

Aktuell werden im Kreis Euskirchen sechs Fokus-Projekte verfolgt. Dazu zählt auch der so ­genannte Hochwasserabschlag in den Zülpicher See mit einem ­Retentionsvolumen von etwa 800.000 Kubikmetern. Darüber hinaus sollen fünf Hochwasserrückhaltebecken umgestaltet beziehungsweise neu gebaut werden: am Kommerner Mühlensee, an der Möschemer Mühle zwischen Eschweiler und Iversheim, bei Schweinheim, bei Schwerfen und bei Vussem.

So sehen die konkreten Planungen aus:

  • Hochwasserabschlag in den Zülpicher Wassersportsee

Am Zülpicher Wassersportsee wird zwischen den Zülpicher Ortslagen Floren und Lövenich am Vlattener Bach ein zirka 140 Meter langer Hochwasserabschlag in den Wassersportsee geplant. Hierdurch wird auf einer Staufläche von rund 83 Hektar ein Retentionsvolumen von etwa 800.000 Kubikmeter zum Hochwasserrückhalt genutzt. Das Projekt wurde im Frühjahr 2024 genehmigt.

  • HRB Kommerner Mühlensee

Der Kommerner Mühlensee am Bleibach oberhalb der Ortslage Mechernich-Kommern wird in ein Hochwasserrückhaltebecken umgestaltet. Mit dem 7,5 Meter hohen Damm wird auf einer Fläche von rund 25.000 Quadratmetern ein Rückhaltevolumen von zirka 72.000 Kubikmetern geschaffen. Das Projekt befindet sich in der Entwurfsphase.

  • HRB Möschemer Mühle

Das HRB Möschemer Mühle am Eschweiler Bach wird im Stadtgebiet Bad Münstereifel zwischen Eschweiler und Iversheim geplant. Mit einem zirka 10 Meter hohen Erddamm soll auf einer Fläche von etwa 10 Hektar ein Rückhaltevolumen von rund 350.000 bis 400.000 Kubikmetern geschaffen werden. Der Scopingtermin zur Festlegung des Untersuchungsumfanges wird voraussichtlich im Spätsommer stattfinden.

  • HRB Schweinheim

Das HRB Schweinheim am Sürstbach wird etwa einen Kilometer vor Schweinheim geplant. Mit einem rund 10 Meter hohen Erddamm soll ein Volumen von zirka 400.000 Kubikmetern geschaffen werden. Das Projekt befindet sich in der Vorplanungsphase.

  • HRB Schwerfen

Das HRB Schwerfen am Rotbach wird zwischen Mechernich-Eicks und Zülpich-Schwerfen geplant. Mit einem zirka 8 bis 9 Meter hohen Erddamm soll auf einer Fläche von 6,5 Hektar ein Rückhaltevolumen von rund 260.000 Kubikmetern geschaffen werden. Die Ingenieurleistungen wurden an ein Ingenieurbüro vergeben, das nun mit den Planungen beginnt.

  • HRB Vussem

Das HRB Vussem am Veybach in Mechernich wird zwischen Eiserfey und Vussem geplant. Mit einem zirka 6 Meter hohen Erddamm soll auf einer Fläche von 7,9 Hektar ein Rückhaltevolumen von rund 193.000 Kubikmetern geschaffen werden. Das Projekt befindet sich in der Vorplanungsphase.

Die Steinbachtalsperre wird auch in den nächsten ­Monaten kein Wasser führen. | Foto: eRegio/Roman Hövel
Die Arbeiten am Hochwasserrückhaltebecken in Horchheim neigten sich in den vergangenen Wochen dem Ende entgegen. | Foto: Düster
Redakteur/in:

Düster Volker aus Erftstadt

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