Sternenkinder
Ein Gänseblümchen und ein Stern
Natalie de Vries fotografiert Kinder, die den Schritt ins Leben
nicht geschafft haben. Sie hilft damit den Eltern bei der Bewältigung
ihrer Trauer.
Henry wird am 30. Januar 2020 geboren und soll das Glück seiner
Eltern werden. Aber schon am 5. Februar 2020 verstirbt er. Henry ist
ein so genanntes „Sternenkind“, über die oftmals nicht gesprochen
wird. Aus Scham und Trauer verschweigen die Eltern, dass sie ihr Kind
schon sehr früh verloren haben.
Nicht so bei Henry. An den kleinen Jungen erinnern Bilder, die
Fotografin Natalie de Vries aus Erftstadt-Lechenich gemacht hat. Sie
arbeitet ehrenamtlich für die Stiftung „Dein Sternenkind“ und hat
alleine im letzten Jahr rund 60 Einsätze bewältigt. Die 50-Jährige
wird über die gut organisierte Stiftung informiert und erhält so
ihre Aufträge, die sie in in alle Bereiche von Nordrhein-Westfalen
führen können. Für die Eltern entstehen keine Kosten.
Die Arbeit ist in Zeiten von Corona teilweise schwieriger geworden,
aber die rund 670 Kollegen sind dankbar, dass sie trotzdem Zutritt zu
den Kliniken erhalten. „Ich werde oft Zeuge von wunderschönen
Szenen, wo Eltern sehr dankbar sind, dass sie Zeit mit ihrem Baby
hatten, und darf pure Liebe fotografieren“, sagt Natalie de Vries,
die sich ihre fotografischen Fertigkeiten selbst angeeignet hat. Denn
sie geht ihrem Beruf als Steuerberaterin nach.
Die Bilder der Erftstädterin sind würdevoll und das Bewahren der
Pietät ist oberstes Gebot bei der Arbeit. Markenzeichen ihrer Bilder
sind Gänseblümchen sowie kleine gebastelte Papiersterne, die sie
immer mitbringt und die Sternenkinder in der Hand halten lässt. Das
Ergebnis sind Fotos, die für die Eltern und Familien eine bleibende
Erinnerung bieten, die bei der Bewältigung der Trauer hilft. Bilder,
bei denen Eltern oder Geschwister die kleinen Fingerchen des
Neugeborenen um ihren Zeigefinger legen, wirken absolut natürlich.
Fast verliert der Tod ein wenig seinen Schrecken. „Es sind Fotos,
die neben anderen Familienfotos ihren Platz finden und die man stolz
zeigen kann“, sagt die Fotografin.
Jedes fotografierte Sternenkind bekommt einen kleinen Stern mit seinem
Namen und eine Geschichte auf ihrem Facebook-Profil gewidmet.
Unterstützung erfährt Natalie de Vries von einem in Bayern
ansässigen Verein, der für Sternenkinder ehrenamtlich näht,
häkelt, strickt und bastelt.
Ihren gepackten Fotorucksack hat Natalie de Vries immer griffbereit,
aber sie weiß natürlich nie, was sie bei einem Einsatz erwartet,
denn die Sternenkinder befinden sich zwischen der 14. Woche oder dem
normalen Geburtstermin. Sie hat selbst zwei erwachsene Söhne, hat
aber auch zwei Babys tragisch verloren und kann heute darüber
sprechen. Sie hat eine Traumatherapie absolviert, die ihr geholfen
hat. Als junge Frau hätte sie keinen Raum gehabt, zu trauern und ihre
Erlebnisse abzuarbeiten. „Damals hat man die Mütter und Väter
nicht aufgefangen.“
Technisch ist die 50-Jährige mit einer Vollformatkamera gut
ausgerüstet und verwendet häufig ein lichtstarkes
35-Millimeterobjektiv, das eine gewisse Nähe erfordert, aber einen
Blitz verzichtbar macht und schöne Freistelleffekte bietet. Die
Motive in Farbe, Schwarzweiß und als Video erhalten die Eltern
besonders nett arrangiert. Zu einem der Bilder in einem Rahmen
befindet sich stets auch das getrocknete Gänseblümchen, das nicht
nur auf dem Foto als Erinnerung an ein ganz besonderes Kind bleibt.
- Georg Zingsheim
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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