Kommunen werden zur Kasse gebeten
Kreis will mehr Geld
„Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, sagt ein deutsches Sprichwort. Doch wann ist „Not“ und wann „Zeit“? Hier gehen aktuell die Meinungen von Kreis und Kommunen weit auseinander. Strukturwandel, Corona-Krise, Materialknappheit, hohe Energiekosten und Ukraine-Krieg belasten Kommunen, Unternehmen und Arbeitnehmer im Rhein-Erft-Kreis sehr. Trotzdem möchten Landrat Frank Rock und seine Kreisverwaltung 43 Millionen Euro mehr von den Kommunen. Geld, das am Ende der Bürger aufbringen muss. Dabei hat der Kreis mehr als 230 Millionen Euro für solche Notsituationen angespart.
Rhein-Erft-Kreis. „Ist ja nicht ihr Geld“, ist häufig die Reaktion der Bürger, wenn ein öffentliches Bauprojekt aus dem finanziellen Ruder läuft. Und der ein oder andere wird sich denken: „Es muss schön sein, nicht auf jeden Euro gucken zu müssen, von seinen Vorgesetzten nicht für Verzögerungen oder Kostenexplosionen verantwortlich gemacht zu werden und im Notfall, einfach mehr Geld von den Menschen verlangen zu können!“
So lange die Wirtschaft florierte konnten solch steigende Ausgaben toleriert werden, doch nach einigen Krisenjahren in Folge, ist für viele das Maß voll. Kein Wunder, dass Stadtverwaltungen und Unternehmen im Rhein-Erft-Kreis entsetzt auf die Pläne der Kreisverwaltung von Landrat Frank Rock (CDU) reagieren, den Kreisumlagesatz von 31,5 Prozent auf 33,2 Prozent anzuheben.
Für die Kommunen bedeutet dies eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung. Sie sollen in diesem Jahr rund 43 Millionen Euro mehr an den Kreis zahlen.
Die Kreisverwaltung plant in diesem Jahr Ausgaben in Höhe von knapp 675 Millionen Euro. Begründet wird die geplante Erhöhung vom Kreis unter anderem mit hohen Sozialleistungen, mit der Finanzierung der Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft, die auf eine Wasserstoffflotte umrüsten will, oder auch mit einer erhöhten Umlage an den Landschaftsverband.
Während die Kommunen Bedburg und Elsdorf jeweils rund 1,4 Millionen Euro mehr an den Kreis zahlen sollen, trifft es Frechen, mit Forderungen in Höhe von fast 14,5 Millionen Euro, besonders hart.„Die Städte werden immer stärker zur Kasse gebeten“, erklärt Nadine Eilenberger, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Kreistag. Landrat Frank Rock wirft sie „fehlenden Sparwillen“ vor. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Dierk Timm verweist auf die hohen Rücklagen des Rhein-Erft-Kreises. Diese würden sich auf „fast eine Viertelmilliarde“ belaufen. Geld, auf das die Kreisverwaltung in Krisenzeiten zurückgreifen könne. „Der Kreis hat ein prall gefülltes Sparbuch und scheffelt noch mehr Geld, ohne auf die angespannte Situation der Kommunen Rücksicht zu nehmen“, so Timm.
Die Bürger im Kreis müssten in der aktuellen Krise finanziell deutlich ent- und nicht noch mehr belastet werden.
Andreas Heller (CDU), Bürgermeister in Elsdorf, hat schon angekündigt, die geplante Erhöhung der Kreisumlage durch eine satte Erhöhung der Grundsteuer B zu kompensieren. Aufgrund der angespannten Haushaltslage bliebe der Stadt nichts anderes übrig, als die zusätzliche Belastung „eins zu eins“ an die Bürger weiterzugeben. Auch andere Städte des Kreises würden Steuer-Erhöhungen einplanen. „Aus meiner Sicht setzt der Kreis mit einer Umlage-Erhöhung ein falsches Signal für die Menschen in unserer Region und verkennt damit das Ausmaß der angespannten wirtschaftlichen Situation, wie sie sich inzwischen auch in unseren Nachbar-Kommunen darstellt“, so Heller weiter.
In einer „nie dagewesenen Einigkeit“ hätten sich daher alle Bürgermeister und Bürgermeisterinnen des Rhein-Erft-Kreises gegen die Erhöhung der Kreisumlage ausgesprochen.
Dr. Patrick Lehmann (CDU), Kämmerer der Stadt Frechen, zeigte sich „vorsichtig ausgedrückt: Unangenehm überrascht“ von den Plänen des Kreises. Die Ausgleichsrücklage des Kreises sei „prall gefüllt“, die der Stadt Frechen hingegen bald „vollständig aufgezehrt“. Andere Kommunen hätten ihr Erspartes schon längst aufgebraucht.
Fidelis Thywissen, Vorsitzender des Arbeitskreis Wirtschaft Hürth (AWH) und Professor Dr. Jürgen Höser, Vorsitzender der Interessenvereinigung Frechener Unternehmen (IFU), haben sich, in einem gemeinsamen offenen Brief, an Landrat Frank Rock gewandt und sich klar gegen die Mehrbelastung der Kreiskommunen ausgesprochen.
In der „schwersten Haushaltskrise seit Jahrzehnten“ würde eine solche Maßnahme die Existenz vieler Unternehmen im Kreis bedrohen.
Sie bezeichnen den Kreis als „finanziellen Zwangsverband“, bestehend aus „notorisch unterfinanzierten Gemeinden“. „Aus unserer Sicht ist es in der aktuellen Situation dringend geboten, jegliche Mehrbelastung auf kommunaler Ebene zu vermeiden“, warnen die beiden Sprecher der kommunalen Wirtschaft.
Schon jetzt stünden viele der Unternehmen vor der Existenzfrage und könnten kaum ihre Verpflichtungen decken. Vorhandene Reserven würden kontinuierlich sinken und in naher Zukunft aufgebraucht sein. Statt weitere Kosten auf die Kommunen abzuwälzen sollten Kreistag und Verwaltung intensiv über eine Entlastung des Kreishaushaltes durch die „Optimierung von Prozessen“ und „Synergieeffekte“ nachdenken.
Die aktuelle Krise sollte mit einen Griff in die angesparte Rücklage bewältigt werden. „In Übereinstimmung mit den Bürgermeistern der angeschlossenen Kommunen sind wir der Meinung, dass das vorhandene Wahlrecht bei der Inanspruchnahme der Rücklage zur Entlastung der Kommunen und damit indirekt der Wirtschaft genutzt werden sollte. Bei einer Gesundung der Wirtschaft lassen sich Rücklagen in naher Zukunft wieder auffüllen und der Generationengerechtigkeit Genüge tun“, appellieren Dr. Höser und Thywissen.
Redakteur/in:Lars Kindermann aus Rhein-Erft |
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