Der Arbeitsmarkt im Kreis in 2020
"Kurzarbeit die Säule der Pandemie"
Rhein-Erft-Kreis - „Niemand hatte gedacht, dass wir ein solches Jahr erleben. Es waren
alles Herausforderungen, wie wir sie noch nie hatten. Doch wir sind in
der Lage, eine Bilanz für 2020 abzugeben, von der wir zeitweise nur
hoffen konnten, dass sie so ausgeht“.
Rainer Imkamp, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für
Arbeit, hatte zur Jahrespressebilanz für das Arbeitsjahr 2020
eingeladen, und diesmal war alles anders als sonst - denn durch die
Corona-Pandemie war und ist die Arbeitsagentur gefordert, wie noch nie
zuvor.
Dabei hatte alles so gut angefangen: bis zur Jahresmitte gab es keinen
Einbruch und im Juni 2020 stieg die Zahl „guter Arbeit“, also von
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sogar auf ein Rekordhoch
von rund 145.000 Menschen.
Aber auch wenn die Beschäftigung im Juni noch über dem
Vorjahresniveau war, so wuchs die Arbeitslosigkeit im Kreis im April
und Mai 2020 gegenüber dem Vorjahr stark an, die Kurzarbeit war auf
Rekordhöhe und vor allem junge Frauen und Männer, Menschen
ausländischer Herkunft und Ältere über 50 Jahre waren von
Arbeitslosigkeit betroffen. Und auch die Nachfrage nach
Arbeitskräften brach in 2020 ein: Gesamt wurden der Agentur für
Arbeit 22,5 Prozent weniger Stellen gemeldet
Natürlich sei vieles durch die Kurzarbeit aufgefangen worden, so
Rainer Imkamp bei der Pressekonferenz mit viel Abstand und guter
Durchlüftung in einem Konferenzraum der Agentur für Arbeit im
fünften Stock des gespenstisch stillen Gebäudes.
„Wir hatten eine Situation, wie wir sie so noch nie hatten. Selbst
in der Finanzkrise 08/09 hatten wir nur regionale Einbrüche von
Teilen der Wirtschaft. Aber was wir im Frühjahr erlebt haben - das
war einzigartig. Von einem auf den anderen Tag konnten wir nicht mehr
so arbeiten wie gewohnt, und auch nicht so helfen wie gewohnt“,
blickt der 58-Jährige zurück auf den Beginn der Pandemie im März.
Die größte Herausforderung sei zunächst die weitere Erreichbarkeit
der Behörde gewesen, denn es war klar, man könne nicht mehr in die
Betriebe, in die Schulen gehen. Dazu kam die Verunsicherung der
Menschen, wo und wie bekommen sie ihr Geld, wo müssen sie sich
melden. Denn binnen kürzester Zeit musste eine Flut von Anzeigen auf
Kurzarbeit der Betriebe be- und verarbeitet werden. Hierbei habe man
das selbstgesteckte Ziel von zehn Tagen beim Anzeigen der Kurzarbeit
bis zur Bearbeitung der Anzeige innerhalb von 15 Tagen im Mittel auf
sieben Tage senken können. Dazu kam die Ausweitung der Arbeitszeit
der Agentur von 6 bis 22 Uhr und die Kappungsgrenzen für Überstunden
wurden abgeschafft.
Von April bis Dezember 2020 hatten 5282 Betriebe Kurzarbeit für
54.438 Mitarbeiter angezeigt.
Alleine im April waren 15,4 Prozent aller
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Rhein-Erft-Kreis in
Kurzarbeit – fast 22.600 Menschen. Zum Vergleich, im ganzen Jahr
2019 waren es neun Betriebe mit 93 Mitarbeitern.
Dabei waren das Gastgewerbe, die Hotellerie und die
Veranstaltungsbranche die Verlierer der Krise, klare Gewinner hingegen
Liefer- und Bestelldienste.
Im Dezember 2020 war die Kurzarbeit wieder stark angestiegen: 358
Unternehmen hatten Kurarbeit für 3267 Personen beantragt. Im Übrigen
würde jede einzelne Schlussrechnung der Kurzarbeit genauestens auf
ihre Berechtigung geprüft. So wolle man dem „Schindluder“
entgegen wirken, welches eventuell mit Kurzarbeit betrieben worden sei
oder noch werde.
„Kurzarbeit war und ist die Säule dieser Pandemie“, sagt Imkamp,
„aber auch diese Krise wird vorbeigehen und dann wird das Top-Thema
sein, wo bekomme ich das Fachpersonal her“. Deshalb sei es so
wichtig, sich zu qualifizieren.
Und das könne man in Kurzarbeit besonders gut, vor allem weil die
Agentur für Arbeit nicht nur Beratung sondern auch und auch
finanzielle Leistungen bei der Qualifizierung anbiete: Anteile der
Maßnahmen werden übernommen, und es gibt auch Lohnausgleiche.
„Kurzarbeit kann überflüssig werden, wenn Mitarbeiter in
Weiterbildung gehen“, stellt der Chef der Agentur für Arbeit klar.
Deshalb gehe man seit Mitte November auf rund 2500 Betriebe im
Rhein-Erft-Kreis und im Kreis Euskirchen zu, um den Betrieben zu
vermitteln, in die Qualifizierung der Mitarbeiter zu investieren:
Gefragt seien hierbei vor allem die Branchen Chemie, Handwerk, Pflege
und Soziales.
Aber auch eine Verkäuferin von Damenoberbekleidung habe gute Chancen
auf Weiterbildung – beispielsweise als Fachkraft für E-Commerce mit
„Click und Collect“, so könne man das Online-Geschäft nach der
Krise aufrecht erhalten. Auch für viele Handwerksberufe gebe es einen
Digitalisierungsschub. Auch bei lebensälteren Menschen sei die
Qualifizierung unbedingt sinnvoll. Man solle nicht die Zeit sinnlos
verstreichen lassen, betont Imkamp.
Und was ist mit den kommenden Schulabgängern? „Wir können uns
keinen Corona-Jahrgang leisten. Wir brauchen Fachkräfte. Es darf kein
Jugendlicher zurückgelassen werden. Wir müssen auch digitale Wege
gehen, den Weg zueinander finden. Vieles ist online möglich:
Seminare, Messen“, so der 58-Jährige.
Eine Prognose für dieses Jahr wollte Rainer Imkamp nicht wagen: „Es
ist schwer, vorherzusagen, wie sich das weiter entwickelt. Es gibt
Licht am Ende des Horizontes, wir haben aber auch die Mutationen“.
Doch niemand müsse Angst vor der Zukunft haben, denn wenn es Ende
2021 wieder so wäre wie Ende 2020 dann würde die Bunderegierung das
doch auch so anpacken, wie sie es jetzt tue.
Redakteur/in:Montserrat Manke |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.