Auseinandersetzung mit "Maskenverweigerer"
Maskenkasper oder Märtyrer?

Foto: Pixabay/lk

Frechen - Ein Zwischenfall im HIT-Markt in Frechen geistert aktuell durchs Netz.
In dem Supermarkt kam es zu einer verbalen und körperlichen
Auseinandersetzung zwischen den Angestellten und der Polizei auf der
einen und einem 31-Jährigen, der das Tragen einer Maske beim Einkauf
verweigerte, auf der anderen Seite. Der Betreiber eines Youtube-Kanals
filmte den Vorfall und stellte ihn anschließend ins Internet.

„In Zukunft wird jeder 15 Minuten weltberühmt sein“,
prognostizierte Pop Art-Künstler Andy Warhol bereits im Jahr 1968,
lange vor C-Promi-Shows im Privatfernsehen, Youtube, Twitter,
Instagram und Facebook. 62 Jahre später lässt sich sagen: Recht
hatte er.

Aktuell nutzen nicht nur Personen des - nicht selten abnehmenden -
öffentlichen Interesses, wie die Sänger Xavier Kurt Naidoo und
Michael Wendler oder der vegane Koch-Autodidakt Attila Klaus Peter
Hildmann, die aktuelle COVID 19-Situation als Sprungbrett für mediale
Aufmerksamkeit.

Sie äußern Zweifel an der Viruserkrankung, kritisieren die
Maßnahmen der Bundesrepublik oder verbreiten Verschwörungstheorien.
Auch in Frechen kam es jetzt zu einem Zwischenfall in Zusammenhang mit
der Maskenpflicht, den der Verursacher medial in Szene setzt.

Am Mittwoch, 14. Oktober, 12.30 Uhr, wurde ein 31-Jähriger im
HIT-Markt von den Mitarbeitern darauf angesprochen, dass er eine Maske
im Geschäft zu tragen habe. Der Mann weigerte sich, es kam zu
Handgreiflichkeiten, bei dem – laut Polizeiangaben – ein
23-jähriger HIT-Mitarbeiter leicht verletzt wurde. Die Polizei wurde
hinzugerufen. In der offiziellen Pressemitteilung zu dem Vorfall
spricht diese von „Hasstiraden und Verbalausrutschern des
31-Jährigen“ und teilt mit, dass der Mann einem Beamten absichtlich
ins Gesicht gehustet habe.

Zur „Verhinderung weiterer Eskalationen“ habe man dem Mann
daraufhin Handschellen angelegt. Als Grund für das Nicht-Tragen einer
Maske habe dieser angegeben, ein Befreiungsattest zu besitzen. Dies
könne und müsse er aber nicht vorweisen.

Der Mann erhielt einen Platzverweis, Hausverbot und mehrere
Strafanzeigen.

Inszeniert wirkt der ganze Vorgang vor allem deswegen, weil der
Verursacher, die Aktion - von der Ansprache durch die Mitarbeiter bis
hin zum Vorgehen der Polizei - mit seinem Handy gefilmt, später
geschnitten, kommentiert und im Internet auf verschiedenen Plattformen
veröffentlicht hat. Der 31-Jährige ist ein Kino-Youttuber mit
442.000 Abonnenten. Durch die Corona-Pandemie ist er nach eigenen
Aussagen „quasi arbeitslos“ geworden.

Das von ihm erstellte Video ist jetzt ebenfalls Bestand der
Ermittlungen, da es den 31-Jährigen unter anderem zeigt, wie er sich
selber beim Autofahren filmt, den Angriff auf den Mitarbeiter, einen -
seinen Aussagen nach - „Schwächling“ zugibt und Polizisten
beleidigt.

Auf der anderen Seite wirft er den Mitarbeitern des Supermarktes vor,
dass sie ihn zusammengeschlagen hätten und er „wie George Floyd“
von einem Angestellten auf dem Boden fixiert worden sei. Ebenso wie
der farbige US-Bürger, der bei seiner Festnahme erstickte, habe auch
er gerufen: „Ich kriege keine Luft mehr!“

In sozialen Netzwerken wird der Videobeitrag des Mannes kontrovers
diskutiert: Sprechen einige von einem „unverantwortlichen
Maskenkasper“ stellen andere, darunter auch ein Frechener
AfD-Kandidat, ihn als Märtyrer dar und teilen den Beitrag mit dem
Zusatz „Wenn Du keine Maske trägst und dafür angegriffen und
denunziert wirst“. In einem halbstündigen Interview mit einem
Virusskeptiker aus der Schweiz erklärt der 31-Jährige, dass er die
Maske aufgrund einer kleinen Delle in der Nase, die ihm das Luftholen
erschwere, nicht tragen könne und dafür hätten ihn selbsternannte
„Corona-Helden“ zusammengeschlagen.

Juristisch bewandert scheint er nur in begrenztem Umfang zu sein: So
erklärt er, dass er nicht verpflichtet sei, ein Attest für eine
Maskenpflicht vorweisen zu müssen und dass ein Lebensmittelgeschäft
ihm dafür kein Hausverbot erteilen dürfe, bestätigt aber, dass er
einen Polizisten auf kurze Distanz angehustet hat, filmt
Supermarktmitarbeiter und Polizeibeamte ohne deren Zustimmung und
verbreitet diese Aufnahmen im Internet.

Sein Film endet mit den Worten: „Fuck the Police und fuck alle
anderen, die diesen Corona-Wahnsinn mitmachen. Ich werde
weiterkämpfen, ich werde mich nicht unterkriegen lassen. Ihr seid die
geistig Kranken, nicht ich!“

Zuvor äußert er noch die Vermutung, dass vor Gericht alle Anzeigen
gegen ihn fallen gelassen werden. Davon geht die Polizei nicht aus.
„Aktuell wird auch das Material aus dem Internet ausgewertet und
juristisch bewertet. Eventuell kommen zu den drei laufenden
Strafanzeigen noch weitere hinzu“, teilt Polizeipressesprecher Bernd
Maul der Redaktion mit.

So hatte der 31-Jährige seine „15 minutes of fame“, die Frage ist
nur: zu welchem Preis?

Nachtrag: Nach der Veröffentlichung dieses Artikels auf
www.wochenende-online.de meldete sich der 31-Jährige per E-Mail bei
der Redaktion und zeigte sich entsetzt, wie man ihn durch „falsche
Anschuldigungen“ darstellen wolle. „Alleine mich als
‚Maskenverweigerer‘ zu titulieren, obwohl ich mehrmals gesagt
habe, dass ich gesundheitlich eingeschränkt bin, wenn ich die Maske
trage, zeigt, dass man hier gar nicht erst objektiv berichten will,
sondern meine Person niedermachen möchte“, ist er überzeugt. Die
Formulierung, dass der Vorgang inszeniert wirke, hält er für
„unerhört“. 

- Lars Kindermann

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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