Corona an Grundschulen
VBE-Vorstand spricht von unhaltbaren Zuständen

Foto: Ringschule Frechen

Der Kreisverband Rhein-Erft des VBE (Verband Bildung und Erziehung) zählt nach eigenen Angaben mehr als 600 Mitglieder im Rhein-Erft-Kreis. Der Vorstand hat eine Stellungnahme zur aktuellen Situation an den Grundschulen veröffentlicht:

Seit zwei Jahren leiden die Grundschulen im Rhein-Erft-Kreis - genau wie alle anderen Institutionen und Einwohner auch - nunmehr unter der Corona-Pandemie.
Leider rauben aber auch die abrupten Strategie- (wenn es denn eine gibt) und Richtungswechsel des Schulministeriums den Mitarbeitenden in den Grundschulen die letzten Kräfte.

Die Testlabore waren am Dienstagmorgen, 25.01.2022 schon informiert über das abrupte Ende der PCR-Einzeltestungen an den Schulen.
Die Presse wiederum wurde am Nachmittag informiert.
Nur die Schulen mussten - als das letzte Glied in der Informationskette - bis 22.13 Uhr auf die rechtsverbindliche "Anpassung" aus dem Schulministerium warten. Die "Anpassung" war der komplette Wegfall der PCR-Einzeltests ("Rückstellproben") durch die Labore.

Im besten Fall erfahren Grundschulen und Eltern nunmehr bis 20.30 Uhr vom Labor, in welchen Klassen eine unbekannte Anzahl von positiven Proben im "Klassenpool" vom Morgen war. Dann heißt es für die Schulen, alle Eltern der betroffenen Klasse zusätzlich über Nacht zu informieren, doch möglichst vor dem Schulbeginn mit dem Schulkind einen Bürgertest vorzunehmen.

Die Alternative ist die Selbsttestung der Kinder (ab 6 Jahren!) auf dem Schulgelände am nächsten Morgen. Im Wissen, dass es definitiv positive Kinder in der Klasse gibt, müssen dann die Kinder "unter Aufsicht" - am besten vor Betreten der Klasse / des Gebäudes - einen Selbsttest durchführen.

Kleine Hände scheitern - je nach gelieferter Testcharge - schon beim Aufschrauben der Behälter mit den Pufferlösungen. Zur Hilfe kommen dann die KlassenlehrerInnen: Ohne Schutzkleidung und damit unter hoher Ansteckungsgefahr.

Letzte Woche gab es z. B. in Frechen Schulen mit 7(!) positiven Klassenpools. Das bedeutet, dass sich am Morgen nach den abendlichen Positivmeldungen bis zu 210 Grundschulkinder zum Unterrichtsbeginn auf dem Schulgelände selbst testen müssen. Dabei geht ein Großteil der ersten Schulstunde verloren.

In den Teststationen kennen wir alle die 15-Minuten-Kurzzeitwecker, die individuell zu jedem Test gestellt werden müssen, um nach der definierten Zeit das Ergebnis abzulesen. Da müssten dann eigentlich für jede Klasse bis zu 30 Kurzzeitwecker (von wem?) nach dem Auftropfen der Pufferlösung (durch die Kinder!) auf 15 Minuten gestellt werden. Dann müssen die Ergebnisse abgelesen und dokumentiert werden - spätestens nach 30 Minuten ist die Anzeige der Testkassette hinfällig.

Draußen testen geht aber nur bei mehr als 2 Grad Celsius Außentemperatur (wg. der Testchemikalien) und bei ausreichend "Testplätzen" im Freien. Bei niedrigeren Temperaturen und nicht genügend "Testplätzen" im Freien, muss das Testen mit höherem Ansteckungsrisiko in geschlossenen Räumen und ohne Maske (beim eigentlichen Testen) stattfinden.

Die verängstigten und entsetzten Kinder, die ein positives Ergebnis haben, dürfen nicht in den Unterricht und die Eltern müssen informiert werden. Die Eltern der positiv getesteten Kinder müssen dann mit ihren Schützlingen zum Bürgertest, um das Testergebnis überprüfen zu lassen.
Die Klassenlehrerin / der Klassenlehrer kommt für diesen Informationsfluss nicht in Frage: Der Unterricht für die negativ getesteten Kinder startet ja!
Die Schulsekretariate werden von den Schulträgern - gerade an kleineren Grundschulen - nicht täglich besetzt.
Schulleitungen haben selbst nicht unerhebliche Unterrichtsverpflichtungen und müssen gleichzeitig die wg. Erkrankung oder Quarantäne ausfallenden Lehrkräfte ersetzen, Vertretungspläne erstellen, das Gesundheitsamt über positive Indexfälle informieren und die Quarantänelisten der Klassen auf den Tag genau erstellen.

Glücklicherweise sind die PCR-Tests sehr empfindlich - die Schnelltests aber leider nicht. Nicht selten findet sich in einem positiv mit PCR getesteten Klassenpool bei der Nachtestung mit Schnelltests kein einziges positives Kind.
Das Kind hat vielleicht den Test nicht fehlerfrei durchgeführt oder - häufiger - die Virenlast war für den Schnelltest (noch) nicht hoch genug.
Es gibt Studien, die manchen Schnelltests bei Omikron eine Genauigkeit unter 30% bescheinigen. Falsch positive Tests sind selten und ohne Ansteckungsgefahr für die anderen Klassenmitglieder, sind aber beschwerlich für die betroffenen Familien, weil das Kind ja zunächst in Quarantäne geschickt wird. Falsch negative Tests sind gefährlich: In Pulheim infizierten sich Lehrkräfte trotz ausschließlich negativer Schnelltests. Die Verunsicherung ist komplett, wenn ein Kind in der Schule auch nach wiederholtem Selbsttest positiv getestet wurde, der Bürgertest im Anschluss jedoch negativ ausgefallen ist. Glücklicherweise ist in solchen Fällen aktuell wieder ein PCR-Test über das Gesundheitsamt möglich.
Nach durchgearbeiteten Wochenenden, Feiertagen und Ferien (zur Aufrechterhaltung der Notbetreuung und für erforderliche Konzeptanpassungen) in den letzten zwei Jahren sind die Kräfte an den Grundschulen nun am Ende durch das Arbeiten unter massiv erschwerten Bedingungen: die individuellen Kräfte aller Mitarbeitenden in den Grundschulen aber auch zunehmend die Anzahl der verfügbaren Arbeitskräfte an den Grundschulen bedingt durch einen schon länger starken Lehrkräftemangel für diese Schulform und die aktuellen Überlastungen und Ansteckungsfälle.
Erste Schulen müssen wieder in den Distanzunterricht gehen.
Die weißen Tücher, die an vielen Grundschulen im Rhein-Erft-Kreis hängen, sind der sichtbare Ausdruck: Wir sind am Ende!
Der Verband Bildung und Erziehung als mitgliederstärkste Vertretung der Grundschulen im Rhein-Erft-Kreis nimmt diese Situation nicht passiv hin. Über Rückfragen an die Landtagsabgeordneten und deren Arbeit im Schulausschuss des Landtages, die Gespräche der Hauptpersonalräte mit dem Schulministerium und über die Information der Öffentlichkeit versucht der VBE zur Verbesserung beizutragen.
So fasst Sandra Zieße-Junghans als Kreisvorsitzende des VBE die Forderungen zusammen: „Grundschulen sind keine Testzentren und auch der Gesundheitsschutz der Schulbeschäftigten muss Vorrang haben. Schulen brauchen frühzeitige, rechtsverbindliche Informationen und zwar ausnahmslos bevor diese als Pressemeldungen vom Schulministerium ausgegeben werden. Aber auch die Leitungszeit und die Anrechnungsstunden für administrative Tätigkeiten sind in den Grundschulen umgehend und deutlich zu erhöhen.“
Die Schulträger - für alle Grundschulen im Rhein-Erft-Kreis sind das die zehn kreisangehörigen Städte - erinnert die Gewerkschaftsvertreterin an die Ankündigung aus dem Masterplan Grundschule: „Die Stunden für Grundschulsekretariate müssen schnellstens und umfassend erhöht werden“.
Der Pressesprecher des VBE Rhein-Erft, Johannes Schuck, ergänzt: „Dem Lehrkräftemangel an Grundschulen muss auch ganz grundsätzlich mit einer Attraktivitätsoffensive, die auch eine höhere Bezahlung umfasst, begegnet werden.“

Redakteur/in:

Ulf-Stefan Dahmen

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