Preisexplosion
Alles teurer – wie kommen wir über die Runden?
Die Preisexplosion bei Nahrung und Energie macht sich bereits bemerkbar
Rhein-Sieg-Kreis. Die schlechten Nachrichten rund um den Erdball reißen nicht ab. Schon die Corona-Pandemie führte global zu Lieferengpässen und umfangreichen Einschränkungen in der Wirtschaft. Der Ukrainekrieg schaffte es aufs Neue, die Unsicherheit auf den Weltmärkten anzuspornen. Die Folge sind Preisexplosionen im Alltag, die jeder spürt, sei es beim Lebensmitteleinkauf, an der Tankstelle oder bei den Energiekosten.
Pfandleihhaus: Spiegel der Liquidität
Diese Umstände sorgen dafür, dass immer mehr Bürger ihre Wertsachen versetzen müssen, um kurzfristig Ausgaben zu decken. „Gehen viele ins Pfandleihhaus, geht es dem Land schlecht. Das ist der Spiegel der Liquidität der Gesellschaft“, stellt Nikolaus Bode vom Pfandleihhaus Bode fest. „Wir merken das als erster, weil wir derzeit einen erhöhten Zulauf verzeichnen. Dazu gehören nicht nur Sozialhilfeempfänger oder Stammkunden, die seit Jahren ihre Gegenstände beleihen, sondern vor allem eine Menge Neukunden aus dem Mittelstand. Die haben Panik, was da kommt.“
Außerdem ist er davon überzeugt, dass die Menschen bei derart hohen Preisen im Alltag nicht mehr sparen können. „Die brauchen zuerst ihre Sicherheitsreserven auf, doch dann ist der Puffer weg. Und die Grundversorgung mit Lebensmitteln und Energie reißt ein riesiges Loch in den Geldbeutel. Das sind Sachen, wo sie nicht ausweichen können. Die Leute müssen ihre Rechnungen jetzt bezahlen.“
Zusätzlich kommt das schlimme Erwachen im Winter. „Die Abschläge und die Schlussrechnungen für Gas und Strom hauen so richtig rein.“ Dabei hätte die Regierung die Möglichkeit die Preisexplosion zu verhindern. „Wenn man sieht, wie die Konzerne sich die Taschen vollmachen, weiß man, da stimmt was nicht. Und viele staatliche Hilfen greifen nicht rechtzeitig. Wenn die Not da ist, ist es zu spät.“
Nikolaus Bode hält die ganze Dynamik von Corona, über den Ukrainekrieg bis zum Taiwankonflikt, für sehr gefährlich. „Der Globalisierungsprozess zeigt in der Krise, dass die Länder, die sich abhängig gemacht haben, Verlierer sind.“ Das hilft jedoch dem Rentner nicht, der im Pfandleihhaus seine Wertgegenstände versetzen muss. Immerhin lösen rund 97 Prozent der Kunden die beliehenen Besitztümer wieder aus.
„Die Leute wissen nicht, was kommt“
Die VR-Bank Bonn Rhein-Sieg spürt die Auswirkungen der aktuellen Situation ebenfalls. „Sparen ist gegenwärtig so ein Thema. Unsere Kunden lassen das Geld lieber vermehrt auf den Konten, anstatt langfristige Sparaktivitäten ins Auge zu fassen“, erläutert Vorstandsvorsitzender Holger Hürten. „Viele sind jetzt nicht bereit, zum Beispiel etwas für die Altersvorsorge zurückzulegen, auch wenn es sinnvoll wäre.“ Die Geschehnisse auf der Welt und die Summe der schlechten Nachrichten führen zu einer Unsicherheit in der Bevölkerung. „Die Leute wissen nicht, was kommt.“
Dass aus diesem Grund jedoch kurzfristig ein Kredit für die Lebenserhaltung aufgenommen wird, schließt Holger Hürten aus. „Die Konsumentenkredite haben aktuell das Vor-Corona-Niveau erreicht. Reisen ist abermals ein großes Thema, auch Anschaffungen wie Möbel oder Auto bleiben beliebt. Das liegt wohl daran, dass wir als attraktive Wirtschaftsregion auf einen vergleichbar stabilen Arbeitsmarkt schauen können. Viele stehen hier in Lohn und Brot. Allerdings beobachten wir, dass größere Projekte wie ein geplanter Hausbau, auch aufgrund der Zinssteigerungen augenblicklich erst Mal verschoben werden. Wir sind eine gute Region, die gut für die Krise gewappnet ist, doch die Menschen adaptieren gerade die schlechte Stimmungslage.“
Rückgang der Spendenbereitschaft
Als Anlaufpunkte für Menschen mit geringem Einkommen erwiesen sich stets auch gemeinnützige Organisationen und Vereine, wie etwa „Siegburg hilft“. „Wir verzeichnen einen guten Zulauf an Personen, die es vorher geschafft haben, ihren Unterhalt selbst zu bestreiten. Das sind normale Leute, denen schon Mitte des Monats das Geld ausgeht und dann sind sie hier“, erzählt die Vorsitzende Angela Holtmann.
Der Verein gibt zweimal in der Woche, in den Sommermonaten nur einmal, Essen an ihrem Foodtruck aus und stellt obendrein wichtige Produkte für den Alltag bereit. „Das funktioniert wie bei den Tafeln. Die Menschen holen sich bei uns hauptsächlich Lebensmittel.“
Dass die Zeiten schwieriger werden, merken die Ehrenamtlichen an anderen Entwicklungen. „Von Seiten der Bürger geht die Spendenbereitschaft zurück, aber der Bedarf wird größer. Es laufen Gespräche mit der Stadt Siegburg und wir warten darauf, dass diese einen Topf für uns öffnet.“
Bei der Ausgabe macht „Siegburg hilft“ keinen Unterschied, ganz gleich ob Wohnungsloser oder sozialschwache Familien. „Jeder ist willkommen. Natürlich ist der erste Schritt sehr schwer, aber wenn die Leute kommen, wollen wir es ihnen so angenehm wie möglich machen.“ Angela Holtmann weiß selbst wovon sie spricht. „Mir ging es vor 15 Jahren genauso und viele Helfer hier kennen solch eine Situation ebenfalls.“ Eine Lösung für die Probleme hält „Siegburg hilft“ hingegen nicht bereit. „Man sollte keine großen Reden schwingen, sondern positive Hoffnung mitgeben. Es ist wichtig den Menschen zu zeigen, dass sie gut aufgehoben sind und sich nicht schämen müssen.“
Mehr Kunden – weniger Ware
Auch die Troisdorfer Tafel, unter der Trägerschaft des katholischen Vereins für soziale Dienste im Rhein-Sieg-Kreis (SKM), erfährt derzeit eine Steigerung der Kundenzahl von circa 40 Prozent. „Wir bedienen jede Woche bei zweimaliger Ausgabe, am Montag und Donnerstag, etwa 200 bis 220 Personen. Da die Kunden nur alle 14 Tage kommen können, verdoppelt sich diese Zahl auf 400 bis 440 Personen, das heißt wir packen an diesen vier Tagen für rund 1.500 bis 1.800 Personen Lebensmittel“, erläutert Kuni Andrée, die für die Donnerstagsausgabe verantwortlich ist. „Da wir im Rhein-Sieg-Kreis als größte Tafel Siegburg und Troisdorf bedienen, haben wir schon vor Jahren zwei Gruppen gebildet. Die Kunden erhalten Tafelausweise, mit denen sie Lebensmittel abholen können. Alle Bedürftige müssen sich ausweisen, ob sie in Troisdorf oder Siegburg wohnen. Zudem braucht der Hilfsbedürftige einen Einkommensnachweis. Dadurch wird Missbrauch vermieden.“ Angesichts der momentanen Entwicklungen, wachsen die Zahlen der Bedürftigen erneut an. „Unsere Kunden kommen aus einer Bandbreite von Bedürftigen, von Single bis zur Großfamilie.“ Gespräche gestalten sich dagegen schwierig, denn seit der Corona-Pandemie reichen die Ehrenamtlichen die gepackten Taschen nur heraus, und ein Betreten der Tafel ist aufgrund der Hygienebestimmungen nicht gestattet.
Wer Probleme hat oder einen Tipp braucht, geht ins Tafelcafé im Hippolytushaus, das der Lotsenpunkt der katholischen Kirche Troisdorf bestreitet. „Seit ein paar Monaten sind wir froh, unseren Kunden die Möglichkeit zu bieten, in diesem vor oder nach Empfang der Lebensmittel einen Kaffee und ein Stück Kuchen zu genießen und miteinander zu reden. Die Kunden haben dort die Möglichkeit, mit ihren Problemen die Betreuer anzusprechen.“
Ein großes Problem verbuchen die Tafeln auch bei der Beschaffung der Ware. „Ich muss leider berichten, dass das Spendenaufkommen durch die Lebensmittelgeschäfte weniger geworden ist. Die Geschäfte verkaufen vermehrt Ware, die kurz vor dem Verfallsdatum steht selbst mit Rabatt. Umso mehr freuen wir uns über die Geschäfte, die uns weiterhin unterstützen.“ Darüber hinaus initiierte man den ersten Mittwoch im Monat, von 16 bis 19 Uhr, an der Troisdorfer Tafel, Pfarrer Kenntemich-Platz 25, Eingang Kirchstraße, einen Spendennachmittag, an dem haltbare Lebensmittel gesammelt werden. „Allen Spendern, die uns so treu bedenken, möchte ich aus ganzem Herzen danken.“ Ohne die Unterstützung aus der ganzen Gesellschaft wird es schwierig, der Not der Menschen entgegenzuwirken.
Freie/r Redaktionsmitarbeiter/in:Dirk Woiciech aus Siegburg |
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