Jüdische Schicksale werden lebendig
Irmgardis-Gymnasium zeigt Wanderausstellung

Auf den Schautafeln werden wichtige Stationen von Juden aus dem Rheinland festgehalten. Die Informationen stammen aus sogenannten „Entschädigungsakten“. Die Wanderausstellung „We, the six million“ war im September im Irmgardis-Gymnasium zu Gast. | Foto: Broch
  • Auf den Schautafeln werden wichtige Stationen von Juden aus dem Rheinland festgehalten. Die Informationen stammen aus sogenannten „Entschädigungsakten“. Die Wanderausstellung „We, the six million“ war im September im Irmgardis-Gymnasium zu Gast.
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Bayenthal - (sb). „Der Kindheitstraum von Fred Voss besteht darin Arzt zu
werden. Er lebt zusammen mit seinen Eltern Julius und Else (geb.
Kaufmann), seinem großen Bruder Emil und seiner Großmutter. Sein
Vater ist stolzer Träger des Eisernen Kreuzes; im Wohnzimmer hängen
Bilder von Kanzler Bismarck und Kaiser Wilhelm II.“ Auf einem
Rollup-Plakat sind einige Informationen zum Leben von Fred Voss zu
finden, der 1920 in Aachen geboren und aufgrund seines jüdischen
Glaubens von den Nazis verfolgt wurde. Um zu überleben, musste er aus
seiner Heimat fliehen. ‚„Bei uns war es Deutschland, Deutschland
über alles. Bis Hitler […] sagte, dass wir keine mehr Deutschen
sind“, schrieb Fred Voss in einer Mail 2018. Die beiden Tafeln über
sein Leben sind Teil der Wanderausstellung „We, the six
million“.

Im Mittelpunkt stehen Biographien von Juden im Rheinland. Aus
sogenannten Entschädigungsakten, die den Leidensweg und wichtige
Dokumente aus dem Leben der Personen beinhalten, konzipierten
Studenten der RWTH Aachen 2018 die Ausstellung. Sie soll vor allem in
Schulen gezeigt werden. Wesentliche Stationen aus dem Leben der Opfer
vor und während der Reichspogromnacht 1938 sowie die Zeit der Flucht
und des Neuanfangs im Ausland werden auf den Tafeln festgehalten. Die
meisten vorgestellten Personen sind Überlebende des Holocaust.

Nun war die Ausstellung im Erzbischöflichen Irmgardis Gymnasium zu
Gast. Zur Eröffnungsfeier hielten neben Schulleiterin Jaqueline
Friker auch Abraham Lehrer, Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln und
Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dominik
Schwartz, Erzbischöflicher Schulrat, Bettina Levy, Vorstand der
Synagogengemeinde Köln, und Professor Dr. Reinhold Breil, RWTH
Aachen, Leiter der Ausstellung, Ansprachen. „Ein Name ist nicht nur
ein Name. Dahinter steht eine Geschichte, ein Schicksal. Das wird euch
hier zugänglich gemacht“, sagte Levy. „Mit den lebendigen
Lebenswegen wollen wir den Holocaustopfern eine Stimme geben. Es ist
ein Appell für Gerechtigkeit, es geht um Menschlichkeit und
Menschenwürde“, erklärte Breil.

Die Ausstellung bleibt jeweils eine Woche an einer Schule und ist als
interaktives Projekt gedacht. „Alle Lehrer sind eingeladen, mit
ihren Schülern die Ausstellung zu besuchen. Sie werden eigene
Projekte dazu machen, die wir im November zeigen wollen“,
erläuterte Lehrerin Judith Föcker, die die Ausstellung in die Schule
geholt und die Eröffnungsfeier organisiert hatte. Musikalisch
begleitet wurde die Feier von Streichern der Schule, die Stücke aus
dem jüdischen Kulturkreis spielten. Zwei ehemalige
Schülervertreterinnen leisteten einen Beitrag zu Rassismus und
Toleranz, Schüler des Oberstufengeschichtskurses vermittelten ihre
Gedanken und Fragen zum Thema Holocaust.

Auf der Tafel zu Fred Voss erfährt man, dass er nicht Medizin
studieren konnte, sondern eine Lehre als Weber machen musste. In der
Reichspogromnacht entging er seiner Verhaftung, mit der Familie floh
er nach England. Dort lernte er seine spätere Frau Ilse kennen, die
beiden gingen zusammen in die USA. Im Alter von 92 Jahren holte Voss
dort das Abitur nach. „Von 2008 bis 2012 habe ich mir das
nachgeholt, was die Nazis mir verweigert haben. […] Es ist ein
richtiges, echtes Abitur,“ schrieb er 2018 in einer Mail.

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