Fass mich an!
Lamas besuchen Menschen mit Demenz in der Diakonie
Rodenkirchen - (sb). Langsam, aber zielstrebig geht Giovanni Nicolasi auf Mágico
zu. Er streckt seine Hand aus und streichelt das Lama behutsam am
Hals. Nach einer Zeit nimmt er sich eine Bürste und beginnt, das
dichte, weiße Fell des Tieres an der Schulter zu bürsten, ruhig und
gleichmäßig. Schließlich umgreift der ältere, schmale Herr
geschickt den Strick am Halfter des Lamas und führt es durch den
Garten. Währenddessen lässt sich der braune Aragon von einer Dame im
Rollstuhl mit Möhrenstücken füttern. Zwei Lamas sind an einem
goldenen Oktobernachmittag zu Besuch bei den Bewohnern des
Thomas-Müntzer-Hauses in der Diakonie Michaelshoven.
Hier leben 80 Menschen mit Demenz. „Wir nutzen schon länger
tiergestützte Therapie, mit Hunden. Auf die Lamas sind wir vor
einigen Monaten zufällig gestoßen. Unsere Bewohner freuen sich sehr,
wenn es heißt: Die Lamas kommen bald wieder!“, erzählte Paula
Vierboom vom Sozialdienst des Hauses. Es sei wunderbar, wie Menschen,
die ansonsten ganz passiv seien, von selbst aktiv würden, beschrieb
sie. Wie zum Beispiel Giovanni Nicolasi. „Sonst sitzt er nur still,
wir holen ihn natürlich zu den Angeboten, aber von selbst wird er
nicht aktiv. Aber hier mit den Lamas erleben wir ihn ganz anders. Er
ist aktiv, fähig und macht sinnvolle Dinge wie das Lama zum Beispiel
umdrehen, wenn es irgendwo zu eng wird“, schilderte Vierboom. Viele
der zum Teil stark dementen Bewohner nehmen Kontakt zu den wolligen,
südamerikanischen Vierbeinern auf, umarmen sie, streicheln sie,
bürsten sie und treten in Kontakt mit ihnen. Auch Anita Wienecke
streichelt und bürstet und strahlt dabei. „Meine Mutter freut sich
immer total, wenn die Lamas kommen“, erzählte ihr Sohn Michel. Die
Tiere gehören Barbara Hilgers, Sozialpädagogin und Fachkraft für
tiergestützte Therapie, aus Sürth. „Es sind die Augen, die
Augenstellung, das entspricht dem Kindchenschema, die Wolle – alles
bei den Lamas hat den Aufforderungscharakter: Fass mich an!“,
erklärte sie. Lamas seien sehr ausgeglichene, friedliche, sensible
und Menschen zugewandte Tiere, erläuterte sie. „Sie spucken nur,
wenn sie sich bedroht fühlen“, so Hilgers.
Hilfreich sei auch, dass die Lamas hier weitgehend unbekannt seien,
meint sie. „Der Hund gibt Pfötchen, das Pferd ist zum Reiten da,
der Esel ist stur, aber Lamas sind nicht vorbelastet, wir verbinden
nichts mit ihnen“, schilderte sie. Zudem sei die Unfallgefahr mit
Lamas sehr gering. Am oberen Gaumen haben die Tiere nämlich keine
Zähne, sondern eine weiche Platte und statt harten Hufen weiche
Schwielen. Finanziert werden die Besuche der Lamas über Spenden. Gut
eine Stunde bleiben Aragon und Mágico im großen Garten des
Thomas-Müntzer-Hauses und lassen sich geduldig streicheln. Mágico
wäre sogar bereit, Giovanni Nicolasi ins Haus zu folgen, denn immer
wieder versucht der ältere Herr, das Tier in sein Zimmer zu führen,
was aber Hilgers, Vierboom und die anderen Betreuerinnen sanft
abwenden.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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