Kein bisschen Haushalt
Schüler führen mit Bewohnern Theaterstück auf
Zollstock - (ha). Von wegen „das bisschen Haushalt“: Neben der mit
Selbstverständlichkeit erwarteten Bewirtschaftung des Heims und der
Erziehung der Kinder trugen Frauen durch alle Zeiten auch mit Arbeiten
außerhalb des Hauses zum Familieneinkommen bei. Der Arbeitsalltag von
Müttern war und ist nicht selten länger als der von Männern.
Dennoch ist die Wertschätzung mitunter noch nicht über den
Blumenstrauß an einem gekünstelten Feiertag hinausgekommen. In Form
eines 30-minütigen Improvisationstheaters spiegelten sechs Teenager
der Wilhelm-Leyendecker-Schule und acht Senioren des Johanniter-Hauses
diese Ungerechtigkeit und stellten dabei die Vergangenheit der
Gegenwart gegenüber.
In nur einwöchigen Proben erarbeiteten die Darsteller im Alter
zwischen 15 und 93 Jahren unter Anleitung der Theaterpädagogen vom
Porzer „Theater ImPuls“ eine kritische sowie humorvolle Reflektion
inklusive Gesangseinlagen und Küchentischszenen mit dem Pascha als
Oberhaupt. „Das ist nicht fair!“ waren sich am Ende der
Aufführung nicht nur die Schauspieler, sondern auch das zahlreich
erschienene Publikum einig über die strikte Zuteilung von Aufgaben,
etwa das Geschirrabwaschen oder die Essens-Bedienung, nach
Geschlechtszugehörigkeit.
„Ich habe zwar schon mal auf der Bühne gestanden, aber nicht in
solch einem größeren Stück. Da wollte ich unbedingt mitmachen“,
berichtet Schülerin Alia über die Motivation zur Teilhabe an der
Inszenierung. „Ich habe durch die Treffen mit den älteren Leuten
viel darüber gelernt, wie das Leben früher war. Ich fand es auch
schön, die Bewohner besser kennen zu lernen. So oft ist man ja nicht
mit älteren Menschen zusammen. Was die Frauen alles machen mussten
und dass sie vor allem für den Haushalt zuständig waren, finde ich
gemein. So was dürfen wir uns heute nicht mehr gefallen lassen“, so
die 15-Jährige.
Auch Seniorin Hilde Grapp empfand die Zusammenarbeit mit den Neunt-
und Zehntklässlern als bereichernd: „Mit den Schülern zu arbeiten,
hat mich wieder jünger gemacht. Die haben frischen Wind ins Haus
gebracht“, schwärmt das 70-jährige Ensemblemitglied. „Ich fand
es faszinierend, welche Toleranz uns die Jugendlichen entgegengebracht
haben. Wir hatten alle viel Spaß miteinander“, freut sich Grapp.
Über den pädagogischen Mehrwert des Projekts äußert sich Lehrerin
Franziska Schellberg: „Auch wenn dieses Mal keine Jungs aufgetreten
sind, war die Begeisterung für das Stück groß. Wir kooperieren
jetzt schon länger mit dem Theater und haben die Erfahrung gemacht,
dass durch die Proben und den Auftritt eine Stärkung des
Selbstwertgefühls hervorgerufen wird. Auch das Teamwork wird
unterstützt. Ich hatte schon Schüler, die sehr zurückhaltend sind
und durch die Theaterarbeit viel selbstbewusster aufgetreten sind,
beispielsweise durch eine laute, couragierte Sprache. Immer wieder
geschehen im persönlichen Bereich Wendungen, die wir so nicht
unbedingt erwartet hätten“, erklärt Schellberg. Die
Win-Win-Situation begründet ImPuls-Theaterpädagogin Christine
Hellweg mit dem besonderen Verhältnis zu den Jugendlichen: „Wir
sind nicht Teil des Lehrerkollegiums und kommen von außerhalb. Das
ermöglicht eine vollkommen andere Begegnung außerhalb des
schulischen Bewertungssystems. Es ist schön, zu beobachten, wie alle
Teilnehmer sich füreinander öffnen, eigene Stärken erkennen und
vielleicht auch Vorurteile ablegen“, so Hellweg.
Infos über das Theater unter
www.theaterimpuls.de
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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