Köln ist Spitzenreiter bei der Altersarmut
Spendenkampagne gestartet

Liesel Assmuß, mit neuem Mantel, und Björn Heuser hatten viel Spaß bei ihrem gemeinsamen Tag in der Stadt. | Foto: sb
  • Liesel Assmuß, mit neuem Mantel, und Björn Heuser hatten viel Spaß bei ihrem gemeinsamen Tag in der Stadt.
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RODENKIRCHEN - (sb). Was kann man mit 109,08 Euro „Taschengeld“ im Monat machen?
Was geht, wenn man davon Medikamentenzuzahlungen, KVB-Tickets,
Handyrechnungen, mal einen schönen Mantel oder Pulli, Kinobesuche,
das Kölsch in der Kneipe und vieles mehr von zahlen muss? „Das
macht 3,50 Euro am Tag. Wenn man alles Mögliche davon zahlen muss,
ist klar, dass das Geld nicht reicht“, sagte Björn Heuser. Der
Kölner Musiker engagiert sich in einer Spendenkampagne der Diakonie
Michaelshoven gegen Altersarmut. Der Name der Kampagne
„#vergissmeinnicht“ stammt von ihm.
„Wir haben uns dieses Jahr das Thema Altersarmut auf die Fahnen
geschrieben, denn die hat sich laut Statistischem Bundesamt von 2003
bis 2015 mehr als verdoppelt“, sagte Nicole Westig von der Stiftung
der Diakonie. In Nordrhein-Westfalen bezogen Ende des vergangenen
Jahres 3,8 Prozent aller Rentner Hilfe vom Sozialamt. Der
Bundesdurchschnitt liegt bei 3,1 Prozent. „Köln gehört zu den
traurigen Spitzenreitern mit 7,3 Prozent“, berichtete Westig. Das
merke man auch deutlich in den fünf Pflegeheimen der Diakonie, über
70 Prozent der 340 Bewohner lebten von der Grundsicherung, in deren
Rahmen sie die knapp 110 Euro als „Taschengeld“ erhielten, so
Westig. „Die Basics werden durch die Grundsicherung abgedeckt, die
älteren Menschen können damit überleben. Aber man soll in Würde
altern können. Es geht um die kleinen Dinge, die das Leben lebenswert
machen. Es geht um Lebensqualität und um Teilhabe. Wer arm ist,
gerät in die Isolation“, erläuterten Westig und Peter Jaspert,
Diakonie-Geschäftsführer im Bereich Senioren.
Mit Hilfe der Kampagne will die Diakonie Geld sammeln, das den
betroffenen Senioren zugutekommen soll. Die Mitarbeiter der
Seniorenheime werden Anträge stellen, wenn ein Bewohner Bedarf
anmeldet, dass er sich eine Jacke, ein gutes Rasierwasser, einen
Ausflug oder dergleichen wünscht. Wahrscheinlicher ist aber, dass die
Mitarbeiter selbst diesen Bedarf ansprechen. „Die ältere Generation
ist sehr genügsam. Sie stellt keine Ansprüche und hinzu kommt die
Scham, auf Grundsicherung angewiesen zu sein“, erläuterte Jaspert.
Als die Diakonie Heuser um Unterstützung bat, sagte der 34-Jährige
sogleich zu. „Vielen in meiner Generation fehlt oft der Respekt vor
den Älteren. Dabei haben gerade sie unsere Stadt wieder aufgebaut.
Ich war selbst baff über die Zahlen, wie viel alte Menschen so wenig
Geld haben und möchte ein Bewusstsein für das Thema schaffen“,
sagte er. Vier Filme, die im Internet zu sehen sind, drehte der
Musiker ehrenamtlich für die Kampagne. Außerdem ließ die Diakonie
Plakate, Banner, Citycards und Bierdeckel anfertigen. In den Filmen
erklärt Heuser, worum es geht und begleitet Senioren, denen ein
Wunsch erfüllt wird. Wie zum Beispiel Liesel Assmuß. Die 79-Jährige
hatte vor einigen Wochen ihren Wintermantel verloren. Zusammen mit
Heuser ging sie in die Stadt, um sich einen neuen Mantel auszusuchen.
„Das war das erste Mal, dass ich so etwas geschenkt bekommen
habe“, erzählte die Kölnerin gerührt. Liesel Assmuß hat sechs
Kinder, jede Menge Enkel und schon acht Urenkel. Sie hat sich ihr
Leben lang um die Familie gekümmert, bei sechs Kindern war keine Zeit
für eine Berufsarbeit. Entsprechend gering ist ihre Rente. Ein
typischer Fall, über 60 Prozent der Senioren, die auf Grundsicherung
angewiesen sind, sind Frauen.
Die Spendenkampagne läuft bis Mitte Februar. Weitere Infos und
Spendenportal auf www.vergiss-mein-nicht.koeln

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RAG - Redaktion

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