Fluchtschicksal vor 70 Jahren
Erinnerungen an das erste Weihnachtsfest in der Fremde
Ruppichteroth - Sie kamen im Juli 1946 aus Schlesien, aus Lengefeld Kreis Breslau -
Renate, Nora und Ruth (verstorben) Priebs mit ihrer Mutter, der Vater
war und blieb im Krieg.
Später ging es zurück, nach Kriegsende konnten sie noch einmal
heimkehren in die Nähe von Chemnitz. Dann kam die Oder-Neiße-Linie,
die Menschen wurden von den Polen vertrieben. Nach langer Flucht, zu
Fuß, irgendwie, kam der Transport in Wipperfürth an - dann ging
alles recht schnell: sie kamen per LKW-Transport ins Bröltal, (Wie
sagte Nora: „Mutter fand´s schön hier!“) nach Oeleroth, wurden
dort am Gasthof Seuthe abgeladen und auf die einzelnen Häuser
verteilt.
Die Priebs´ kamen unter beim Landwirt Peter Franken, wurden
freundlich aufgenommen und hatten auch in den vier Jahren ihres
Verbleibs im Haus Franken stets ein gutes Verhältnis.
Lassen wir Nora Priebs, jetzt Menzel, selbst zu Wort kommen:
„Dieses erste Weihnachtsfest in Ruppichteroth war vor siebzig
Jahren. Durch die heutigen Flüchtlinge kommen die Erinnerungen an
Flucht und Vertreibung wieder ins Bewusstsein - ich war damals zwölf
Jahre alt. Nun kam das erste Weihnachtfest in der Fremde. Wir hatten
Heimweh und waren mit unserer Mutter Margarete sehr traurig, denn wir
wussten nichts vom Verbleib unseres lieben Papas Wilhelm.
In der Adventszeit war im evangelischen Gemeindehaus eine
Weihnachtsfeier. Wir evangelischen Schulkinder führten ein
Krippenspiel auf, Gedichte und Lieder wurden vorgetragen, Lehrer
Walter Maron hatte die Lieder zweistimmig mit uns älteren Kindern
eingeübt. Er begleitete den Gesang auf seiner Geige - es war ein
schöner kleiner Chor.
Von der evangelischen Frauenhilfe bekamen wir Flüchtlingskinder
ein handgearbeitetes Geschenk wie Pullover, Schals und Handschuhe.
Am Tag des Heiligen Abends brachte uns Herr Franken ein kleines
Weihnachtsbäumchen mit aus seinem Wald - von den Nachbarn, der
Familie Haas, bekamen wir ein bisschen Baumschmuck geschenkt.
Abends hatten uns die Frankens in ihr Wohnzimmer eingeladen. Auch
sie waren sehr traurig, denn einer ihrer Söhne war noch in
Gefangenschaft.
Die Tochter von Frankens stimmte ein Lied an, und so haben wir dann
alle zusammen die schönen alten Weihnachtslieder gesungen - wenn auch
des Öfteren unter Tränen. Zu unserer größten Freude bekamen wir
jeder ein Geschenk - und einen Teller voll mit leckeren
selbstgebackenen Plätzchen und Süßigkeiten.
Frankens luden uns dann noch ein, mit ihnen nach Ruppichteroth in
die katholische Kirche zur Christmette, um sechs Uhr am Ersten
Feiertag, zu gehen - diese Einladung haben wir gerne angenommen.
So war dieses erste Weihnachtsfest in der neuen Heimat durch
liebevolle Fürsorge und Mitmenschlichkeit für uns Vertriebene, fern
von unserem eigenen Zuhause, doch noch zu einem freudigen und
glanzvollen Tag geworden.
Ich denke gerne an diese Zeit in Oeleroth zurück - denn es war bei
weitem nicht so, dass alle Vertriebenen mit so großer Freundlichkeit
und Herzlichkeit aufgenommen wurden in den Häusern, auf die sie zu
geteilt waren. Bei unserer Familie wurde das nie vergessen - und wir
denken noch heute in Dankbarkeit zurück“.
Mögen die vielen Flüchtlinge, die heute in Ruppichteroth leben
oder im Rhein Sieg Kreis, ja in ganz Deutschland in vielen Jahren
ebenso berichten können wie Nora Menzel jetzt nach siebzig Jahren.
“Das wären wahre Weihnachten“.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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