Anni Weiand wird 90 Jahre
Geburtstagsfeier im Schatten von Sankt Severin
Ruppichteroth - Ein Kaffee- und Kuchenbesuch stand kürzlich im Terminkalender des
Extra-Blatts bei Anni Weiand, die am 23. Mai ihren 90. Geburtstag
feiert.
Sie lud ein in ihre gemütliche Wohnung mit niedrigen Balkendecken und
ließ markante Eckpunkte ihres Lebens, einer immer noch agilen Frau,
aufleuchten.
Geboren wurde Anni aus der Wieschen am 23. Mai 1931 in Oberhausen. Der
Nachname zeugt von Vorfahren aus dem nahe gelegenen Holland.
Aufgewachsen ist sie mit vier Schwestern und einem Bruder. Aus dieser
Zeit, aus ihrer Kindheit, erzählt sie auch heute noch spannende
Geschichten, unter anderem auch über ihre Kriegserinnerungen. In
einer Stadt wie Oberhausen, im damals noch qualm- und rauchgetränkten
Ruhrgebiet, war der Krieg täglich hör- und spürbar.
Aus ihren Erzählungen sollte hier aber nur eine Begebenheit fest
gehalten werden, die sie intensiv erlebt und erzählt hat: die
Kinderlandverschickung, kurz KLV genannt. Sie und ihre Mitschüler
fuhren 1943 per Bahn in die heutige Slowakei, in den Wallfahrtsort
Wehlerad, für drei Monate. Sie sollten damit aus dem Bombardement des
Ruhrgebiets genommen werden.
Ausgiebig erzählte sie von diesem Aufenthalt, der sie dann auch
unversehrt wieder nach Oberhausen mit einer endlos langen Bahnfahrt
zurück brachte.
Ihr Vater jedoch kehrte aus Russland nicht mehr zurück, was die
Mutter veranlasste, wieder in ihre alte Heimat zurück zu gehen und
zwar nach Rossenbach bei Waldbröl, woher sie stammte. An diese Zeit
erinnerte sich Anni Weiand auch gut und gerne, an die einklassige
Schule, die sie besuchen musste, an das freie Leben auf dem Land, an
Tiere, an Heu machen und unbesorgt draußen spielen.
Nach der Schule fand sie Arbeit im Casino der TB Heilstätte in
Denklingen. Dort konnte sie sich auch fortbilden, primär in
Buchführung. Diese Fortbildung sollte ihr dann später auch eine
große Hilfe sein im Betrieb ihres Mannes Bruno Weiand aus
Ruppichteroth. Er sorgte sich um die Technik, sie führte seine
Bücher. Zwei Kinder rundeten die Familie im Ruppichterother Ortskern
ab, Tochter Ulla und Sohn Heribert. Beide werden zum Geburtstag zum
Gratulieren ins Dorf kommen, die Enkel Christian, Stefan und Fabian
Claus ebenfalls.
Die Jubilarin ist froh darüber, dass dieser Jubeltag auf Pfingsten
fällt, so kann sie die Gratulanten coronakonform über einige Tage
aufteilen, sie selbst ist glücklich, dass sie schon beide Impfungen
hat.
90 Jahre ist eine lange Zeit, 66 Jahre davon lebt sie in dem Haus in
der Burgstraße, ein Steinwurf gegenüber der katholischen Kirche.
„Leider kann eine solche Wohnung, ein solches Haus nicht
erzählen“, sagt Weiand, dennoch wurden auch die Besonderheit dieses
Gebäudes beim Kaffeeplausch beleuchtet.
Es ist nämlich nachweislich eines der ältesten dokumentierten
Häuser des Ruppichterother Ortskerns, unmittelbar gelegen am
Burgplatz, der schon immer Treffpunkt war. Dort fanden Kirmessen
statt, Fronleichnamsprozessionen, Gottesdienste und Volksfeste - alles
Begebenheiten, die auch Anni Weiand mit Freude erlebt hat.
Alleine 30 Jahre hat sie ehrenamtlich in der ökumenischen Bücherei
Dienst getan. In der Damenkarnevalstruppe „Flotte Möhnen“ stand
sie viele Jahre als aktives Mitglied mit den Nachbarsfrauen auf den
Döörper Bühnen, Pfarrkarneval natürlich eingeschlossen. Nach dem
Tod ihres Mannes Bruno hat sie viele Studien- und Städtereisen
unternommen, wie sagte sie treffend: Sie habe sich ihr Leben so
eingerichtet, wie sie es für gut fand und damit sei sie heute noch
zufrieden.
Das Haus war über viele Jahrzehnte Küsterhaus der katholischen
Kirche Sankt Severin. Es stand quasi im Schatten dieses imposanten
Bauwerks - der gewaltige Turm nachweislich aus dem Jahr 1131.
Aufzeichnungen in Kirchenbüchern dokumentieren bereits 1640, dass
Pastor Hemmer die „Severinsburg“, so nannte man dieses Gebäude,
verlassen hat, um in ein neues Pfarrhaus zu ziehen. Zu dieser Zeit war
es aller Wahrscheinlichkeit ein Steinhaus, wird es doch in diesen
Kirchenbüchern auch als „Steinenburg“ zitiert. Die Kellerwände
zeigen heute noch, von außen sichtbar, die Steinbauweise.
Heute steht auf den Kellerwänden ein Fachwerkhaus, auch zu dieser
Bauweise hat man Quellen gefunden. Bei einem Hausumbau im Jahr 1955
wurde ein Balken entdeckt mit der Inschrift 1720.
Neben Küstern und Glöcknern haben in diesem Haus auch Schulmeister
gewohnt, ein Raum wurde für schulische Zwecke genutzt.
Weiand und der Autor dieses Textes haben auch gemeinsam bereits einen
Vorschlag, was die Gemeinde machen könnte, falls irgendwann dieses
Haus zum Verkauf stehen sollte: Dann könnte die Gemeinde zugreifen
und daraus ein Heimatmuseum machen - mehr Geschichte geht kaum.
Redakteur/in:RAG - Redaktion |
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