Machbarkeitsstudie
„Der Prozess ist eher ein Marathon als ein Sprint“
Siegburg. „Dieses riesige Gebäude hatte damals eine enorme Bedeutung für Siegburg und hat sie heute noch“, äußerte sich Bürgermeister Stefan Rosemann über die Kaufhof-Immobilie, die im Januar endgültig geschlossen wurde. „Es gibt eine große Ungeduld bei der Bevölkerung und den Einzelhändlern, die gerne Antworten haben wollen. Die Situation bedrückt die Menschen und das nehmen wir ernst“, fügte Ole Erdmann, Leiter des Amtes für Umwelt und Wirtschaft hinzu. „Doch der Prozess ist eher ein Marathon als ein Sprint.“ Daher bedienen sich die Verantwortlichen einer Machbarkeitsstudie, die das Land Nordrhein-Westfalen zu 70 Prozent fördert. „Man erwartet von uns, dass wir etwas tun“, so der Bürgermeister. Ergo wurde das europäische Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmen „Drees & Sommer“ mit der Aufgabe betreut, eine unabhängige Grundlage für die Planung und Bewertung von denkbaren Nachnutzungen sowie die notwendigen baulichen Maßnahmen, darüber hinaus eine valide Kostenschätzung notwendiger Umbaukosten zu entwickeln. Mit diesen Ergebnissen kann die Stadt dann in zukünftigen Verhandlungen mit dem Träger und potenziellen Investoren eine aktiv vermittelnde und unterstützende Rolle bei dem Prozess der Revitalisierung der derzeit leerstehenden Immobilie einnehmen. „Wir befinden uns mit den Eigentümern in einem sehr guten Austausch,“ bestätigt Ole Erdmann. Das Objekt gehört dem Apollo-Fond in New York, der durch die Lapithus GmbH aus Frankfurt vertreten wird. Die Vermietung ist Sache der RME aus Bottrop, während die Agentur Cushman & Wakefield in Frankfurt sich für den Verkauf verantwortlich zeichnet. Was mit der Schlüsselimmobilie im Herzen der Kreisstadt schließlich passiert, bleibt die Entscheidung des Eigentümers. „Dennoch wollen wir eine unabhängige Meinung von Experten einholen, die die lokalen und regionalen Bedingungen berücksichtigen.“ Siegburg punktet mit einem Einzugsgebiet von 350.000 Menschen aus dem Umland und liegt laut IHK-Einzelhandelsreport mit dem Wert 141,9 seiner Einzelhandelszentralität weit über dem Durchschnitt des Rhein-Sieg-Kreises, der auf 81,3 kommt. Die 12.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, die nun mit der Schließung wegfallen, machen rund 25 Prozent der gesamten Einzelhandelsflächen aus. 2019 waren es in der Innenstadt ungefähr 43.400 Quadratmeter. Bis Ende Januar 2024 betrieb Galeria allerdings nur noch 9.000 Quadratmeter in ihrem Gebäude.
„Jede Immobilie ist anders“, erklärt Martin Altmann von „Drees & Sommer“, die bereits Erfahrungen mit ähnlichen Objekten haben, etwa das Peek+ Cloppenburg in Mönchengladbach, das ehemalige Karstadtgebäude in der Königsstraße in Stuttgart und der Schadowstraße in Düsseldorf. „So eine Studie schafft Vertrauen. Es wird geprüft, wie man Traffic generieren kann und ob man zum Handel auch kulturelle oder Bildungsnutzung mit einbezieht. Wir schließen eine Mixed-Use-Lösung nicht aus.“ Doch erst einmal schildert Kilian Huneke von „Drees & Sommer“ die Vorgehensweise: „Zunächst geht es in eine Analysephase, in der wir realistisch feststellen wollen, was geht und was nicht. Wichtig ist, dass sich die Konzeption dann auch wirtschaftlich trägt.“ In dem Prozess ist die Prüfung von circa 60 Bauakten ebenso vorgesehen wie die Analyse der Immobile und des Umfeldes. Selbstverständlich gibt es obendrein Gespräche mit den Eigentümervertretern, was unumgänglich ist, da man auch eine Bewertung der baulichen Strukturen von Statik, Erschließung und Belüftung bis hin zur Beleuchtung, vornimmt. Hinzu kommt die Betrachtung der betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen wie Wertgutachten und Marktumfeld, ja sogar die Nachbargeschäfte. Ansonsten muss einfließen, welcher Bedarf im Handel fehlt, damit letztendlich kein Überangebot entsteht. Die Eruierung von potenziellen Nutzergruppen, Umbauoptionen, Kostenprognosen und Förderperspektiven finden gleichermaßen in der Studie Eingang, die Ende 2024 vorliegen soll. „Wir werden danach mehrere Szenarien präsentieren, die ein Sparring auf Augenhöhe ermöglicht“, so Martin Altmann.
Bürgermeister Stefan Rosemann stellt weiterhin klar heraus, dass man die Siegburger auf dem Weg mitnehmen will. „Das ist ein öffentlicher Auftrag, der sicherlich Diskussionen anregt.“ Viele Ideen, die aus der Bevölkerung kommen, möchte man genauso mit in die Überlegungen einbeziehen, wenn sie sich realistisch umsetzen lassen. Visionen, wie ein „Siegburg Village“ bleiben hierbei bestimmt nicht unbeachtet. Doch so manche Anregung ist nett gemeint, allerdings an dieser Stelle nicht durchführbar. „Etwa wäre eine Rollschuhbahn ungeeignet. Auch das Casino kommt nicht in den Kaufhof, da hat die Gauselmann Gruppe von vorneherein kommuniziert, dass dies keine optimale Lösung sei.“ Zusätzlich denkt man darüber nach, wie sich die Fläche in der Zwischenzeit nutzen lässt, etwa für Ausstellungen oder vielleicht Flohmärkte. Nun sind die Experten am Zuge und werden gegen Jahresende ihre Ergebnisse präsentieren.
Freie/r Redaktionsmitarbeiter/in:Dirk Woiciech aus Siegburg |
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