Jörg-Peter Schlieder
„Ein Beispiel zupackender Bürgerverantwortung“

Jörg-Peter Schlieder. | Foto: JBH

Siegburg - Ein Portrait von Dirk Woiciech

Sicherlich wird der Name der Jugendbehindertenhilfe Siegburg
Rhein-Sieg immer in dem gleichen Atemzug mit dem Gründer Hans
Hüngsberg genannt. Doch viele erfolgreiche Jahre verdankt die JBH
ihrem unermüdlichen Geschäftsführer Jörg-Peter Schlieder, dessen
bedingungsloser Einsatz und seine bescheidene Umgangsform nicht nur
den Verein, sondern auch die Entwicklungen in den Kindertagestätten
Kinderburg „Veronika Keller“ und „Die kleinen Strolche“
entscheidend mitgeprägt haben.

Im März trat Jörg-Peter Schlieder von seinem ehrenamtlichen Amt, das
mit einem Vollzeit-Job vergleichbar ist, in die zweite Reihe der
Vorstandsarbeit zurück.

Der erste Kontakt mit ihm kam 1994 zustande, als Hans Hüngsberg
mitten im Bebauungsplan für die Kinderburg steckte. Ein Gelände in
Siegburg war gefunden und musste gerodet werden. Wer soll das denn
machen? Hans Hüngsberg fragte bei der Bundeswehr nach, und kam zum
ersten Mal mit Oberst Jörg-Peter Schlieder, dem damaligen
Kasernenkommandanten Köln-Porz-Wahnheide, in Verbindung. Die Anfrage
nach schwerem Baugerät musste dieser jedoch ablehnen. Es war nicht
das letzte Gespräch zwischen beiden.

1995 entstand bei Hans Hüngsberg die Idee, etwas Sportliches für
Jugendliche mit und ohne Behinderung zu machen. Nach einem Empfang,
bei dem auch Oberleutnant Schlieder, anwesend war, sprach Hans
Hüngsberg ihn mit der Frage an, ob es möglich ist, in der
Kasernenanlage integrative Jugendspiele durchzuführen, also eine
Sportveranstaltung von behinderten mit nicht behinderten Kindern.
Aufgrund der bevorstehenden Versetzung konnte Jörg-Peter Schlieder
das nicht mehr entscheiden, versprach aber, seinem Amtsnachfolger
diese Absicht „an das Herz zu legen“. Darüber hinaus bot er an,
nach seiner Zurruhesetzung bei Bedarf zur Verfügung zu stehen. Und so
kam es auch.

1997 fand die erste Veranstaltung mit breiter Unterstützung der
Bundeswehr in der Kaserne statt. Aufgrund von verschärften
Sicherheitsauflagen nach den fürchterlichen Attentaten in New York im
September 2001 konnten die Spiele nicht mehr in der Kaserne
durchgeführt werden. Von 2002 bis 2009 wurden die integrativen
Jugendspiele nun in Siegburg unter Beteiligung von Kindern aus
Siegburger Schulen durchgeführt - im Oktopus-Freizeitbad und im
Walter-Mundorf-Stadion.
2003 ging Jörg-Peter Schlieder in den Ruhestand. Er kam seinem
Versprechen nach, bei Bedarf zu unterstützen. Und der Bedarf war
gegeben. Er bildete fortan mit Hauptmann Axel Sieber das
„Organisationsteam Jugendspiele“. Er war somit in Planung,
Vorbereitung und Durchführung der Jugendspiele fest eingebunden. Im
Laufe der Jahre stellte sich heraus, dass die Schülerzahlen immer
geringer wurden, bei gleichhohem Aufwand. Als dann bei den Siegburger
Schulen mehrheitlich kein Interesse mehr zu erkennen war, endeten die
integrativen Jugendspiele mit der letzten Veranstaltung 2009.

2005 holte Hans Hüngsberg den engagierten „Organisator“ als
Beisitzer in den Vorstand. Vier Jahre später wurde Jörg-Peter
Schlieder zum ersten Geschäftsführer gewählt. Seine akribische
Vorgehensweise und soziale Kompetenz haben die JBH seitdem maßgeblich
geprägt. Nicht nur die Jugendspiele oder die Weihnachtsfeier für
behinderte und nichtbehinderte Kinder wurden unter seiner
Federführung großartige Ereignisse, sondern sein Verdienst lag
besonders in der Neugestaltung von internen Abläufen, die sich auch
aus geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen ergaben.
2006 wurden durch den Vorstand der JBH Vorgaben für die Einführung
eines Qualitätsmanagements in der Kinderburg „Veronika Keller“
festgelegt.

In den Folgejahren wurde die Implementierung durch das „Team Petra
Opschondek, Leitung der Kinderburg/ Jörg-Peter Schlieder“
konsequent vorangetrieben. Jörg-Peter Schlieder war somit maßgeblich
beim Aufbau des Qualitätsmanagements DIN EN ISO 9001 und des
Bildungsqualitäts-managementsystems (BQM), bei der Umstellung dieser
Systeme in die aktuelle Version und bei der praktischen Anwendung in
den Alltagsbetrieb der Kinderburg „Veronika Keller“ und später
bei den „kleinen Strolchen“ beteiligt. Das „Team Petra
Opschondek/Jörg-Peter Schlieder“ dokumentierte alle pädagogischen
und therapeutischen Abläufe, legte die Arbeitsprozesse fest,
erstellte Prozessbeschreibungen und bestimmte die Betriebs- und
Qualitätsziele. Eine umfangreiche und systematische Arbeit. Dabei
wurde großer Wert darauf gelegt, die Mitarbeiter nicht nur
„mitzunehmen“, sondern sie zu beteiligen, ihre Kenntnisse und
Fähigkeiten sinnvoll einzubringen und dabei ein „Wir-Gefühl“ zu
schaffen. Auch dank der Leistungsfähigkeit von Jörg-Peter Schlieder,
seiner Führungserfahrung sowie seines offenen, vertrauenserweckenden
und kompetenten Vorgehens wurde eine positive und homogene
Arbeitsatmosphäre als Grundlage für den angestrebten hohen
Qualitätsnachweis geschaffen, der insgesamt den Kindern, Eltern und
Mitarbeitern zugute kam. QM wird in den beiden Einrichtungen der JBH
im Alltagsbetrieb „er- und gelebt“.

Bereits im Jahre 2008 wurde die Kinderburg durch den Lead-Auditor des
unterstützenden und anerkannten externen Zertifizierers „for you
cert“ als „Einrichtung mit Quality Management unter den zehn
Besten in der Bundesrepublik zertifiziert“. Letztmalig im
Auditbericht 2017 wurde die Leistung mit den Worten herausgestellt
„Die QM-, pädagogischen und unterstützenden Tätigkeiten sind auf
einem höchsten Niveau vorgefunden worden.

Die Kinderburg „Veronika Keller“ ist durch ihre integrative und
hochwertige Arbeit eine hochangesehene Einrichtung, die durch alle
Bereiche hinweg als Benchmark für andere gelten muss. Die Integration
inkl. Kompetenztransfer ist auf die „kleinen Strolche“
übergegangen“.

2008 übernahm die JBH die Kindertagesstätte „Die kleinen
Strolche“ auf dem Stallberg von der katholischen Kirchengemeinde
Siegburg. Jörg-Peter Schlieder bereitete als Beauftragter des
Vorstandes diese Übergabe vor, so dass der Trägerwechsel zum
01.08.2008 in Form einer Betriebserlaubnis reibungslos vollzogen
werden konnte. Eine große Erleichterung für alle
Mitarbeiterinnen, Eltern und Kinder der „kleinen Strolche“.

Dass Jörg-Peter Schlieder nebenbei seit 2009 die jährlichen
inklusiven Tagesausflüge ins Phantasialand für behinderte und
nichtbehinderte Kinder übernahm, verblasst da ein wenig.

Ein weiterer leuchtender Stern ist das seit 2009 stattfindende
Entenrennen. Nach Aufgabe der Jugendspiele wurde aus dieser Aktion
dank der Leitung von Jörg-Peter Schlieder mittlerweile eine feste
Größe, die den Charakter eines kleinen Familienfestes besitzt. Viele
Förderer stellen in jedem Jahr Preise zur Verfügung und
unterstützen dadurch diese Veranstaltung im hohen Maße. Der Erlös
kommt ausschließlich den Kindern in den beiden Kindertagesstätten
der JBH zugute.

Im Zuge des Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab
dem vollendeten ersten Lebensjahr waren in den Jahren 2009 bis 2013 -
beginnend mit dem Spatenstich bei den „kleinen Strolchen“ -
organisatorische und infrastrukturelle Maßnahmen in beiden
Einrichtungen auch für die Aufnahme dieser Kinder erforderlich. Das
„Team Hans Hüngsberg/Jörg-Peter Schlieder“ leitete alle
Arbeitsschritte, wie Neu-, Erweiterungs-, und Umbaumaßnahmen,
Sanierungen sowie die Neugestaltung der Außenbereiche, um die
wesentlichen Aufgaben zu erwähnen. Jörg-Peter Schlieder hatte somit
eine erhebliche Mitverantwortung für den Aus- und Umbau beider
Einrichtungen auf insgesamt neun Gruppen für 170 Kinder und 50
Mitarbeitern. Auch hierbei überzeugte er durch strukturiertes
Vorgehen, Flexibilität und psychische Stabilität.

Das bereits bewährte „Team Petra Opschondek/Jörg-Peter
Schlieder“ überarbeitete 2016/2017 unter umfassender Mitwirkung
aller pädagogischen und therapeutischen Mitarbeiter die
Trägerkonzeption der JBH - eine unverzichtbare Maßnahme zur
Qualitätsentwicklung und -sicherung. Diese Konzeption berücksichtigt
das Bildungsverständnis der JBH, das fachliche, pädagogische und
therapeutische Grundverständnis. Sie ist somit Leitbild und
„Trägerkultur“.

Sorgen machten und machen der JBH die Umstellung der Fördersystematik
des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) mit Stichtag zum 01.08.2016
mit der Folge, dass unter anderem die Finanzierung aller Therapeuten
in den Kindertagesstätten durch den LVR weggefallen ist. Die
Weiterbeschäftigung der bei der JBH angestellten Therapeuten und
damit das äußerst bewährte Therapiekonzept, die interdisziplinäre
Arbeit und die Betreuungsqualität, für die die JBH steht, standen
auf dem Spiel. Jörg-Peter Schlieder entwickelte ein Therapiekonzept,
um die Finanzierung und die Beschäftigung der Therapeuten zu sichern
sowie den inklusiven, interdisziplinären Ansatz für alle Kinder
unverändert zu gewährleisten. Das dieses Ergebnis überhaupt
erreicht wurde, ist der Kompetenz, Überzeugungsarbeit und dem hohen
Einsatz von Jörg-Peter Schlieder geschuldet.

Bereits vor drei Jahren stellte sich Jörg-Peter Schlieder aus
persönlichen Gründen nicht mehr als erster Geschäftsführer zur
Verfügung. Seine Nachfolgerin musste jedoch aus beruflichen und
privaten Gründen nach nur wenigen Monaten das Amt zur Verfügung
stellen, eine nicht vorhersehbare Entwicklung. Ohne zu Zögern
übernahm Jörg-Peter Schlieder in dieser misslichen Lage erneut die
Funktion des ersten Geschäftsführers. Der Wunsch, aus persönlichen
Gründen in das zweite Glied zu treten, blieb unverändert. In der
letzten Mitgliederversammlung war es dann soweit. Der Nachfolger mit
Jürgen Peter war schon Monate vorher gefunden. Vorstandsmitglieder,
Einrichtungsleitungen und -mitarbeiter, wie auch Vereinsmitglieder
dankten Jörg-Peter Schlieder für sein außergewöhnliches
Engagement. Hans Hüngsberg brachte es in seiner kompakten Dankesrede
auf den Punkt: „Als erster Geschäftsführer hast Du ein hohes Maß
an Arbeitsbelastung und Verantwortung übernommen und getragen. Dem
bist Du in jeder Situation mehr als gerecht geworden. Du hast viele
Projekte unterstützt, Projekte initiiert und verantwortlich
realisiert. Alle Institutionen der JBH und natürlich der Vorstand
besonders schätzen Deine kompetente, gradlinige Arbeitsweise. Deine
Erfolge gründen sich auf soliden Fachkenntnissen, Sensibilität und
ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein. Dies ist gepaart mit
persönlicher Bescheidenheit und großzügiger Toleranz. Für mich
persönlich bist Du ein Beispiel zupackender Bürgerverantwortung.“

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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